Ein diagnostischer Ansatz verbessert Integriertes Wasserressourcen-Management
Ein diagnostischer Ansatz verbessert Integriertes Wasserressourcen-Management
Wasser ist eine lebenswichtige Ressource. Zugang zu und Nutzung von Wasser sind eng verknüpft mit Fragen von Gesundheit, wirtschaftlicher Entwicklung, sozialem Zusammenhalt und kultureller Praxis. Effektives und faires Ressourcenmanagement ist essentiell, um zwischen konkurrierenden Nutzungsansprüchen zu vermitteln und die Rechte marginalisierter Gruppen sicherzustellen.Diagnostische Ansätze können helfen, Lösungen zwischen Ländern und Kontexten vergleichbar zu machen.
Weltweit nehmen Verschmutzung und Verknappung von Wasserressourcen zu und gefährden Ökosysteme, Lebensgrundlagen, Gesundheit, soziale Verortung und spirituelle Praxis unzähliger Menschen. Vielfach leiden unter dieser Entwicklung insbesondere marginalisierte Bevölkerungsgruppen. Dies trifft beispielsweise auf Bewohner*innen armer ländlicher Regionen zu, die keinen Zugang zu zentraler Wasserversorgung haben, oder auf indigene Völker, deren Recht auf Mitsprache und Schutz ihrer kulturellen Praktiken im politischen Prozess nur unzureichend anerkannt und umgesetzt wird.
Auch die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) verweisen auf die nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle und ein integriertes Wasserressourcenmanagement. Diese sind auch in vielen Industrieländern noch nicht erreicht. Um zwischen unterschiedlichen Nutzungsansprüchen zu vermitteln, sind technische, ökonomische oder ordnungs-rechtliche Patentlösungen oft unzureichend. Stattdessen muss der spezifische Kontext berücksichtigt werden, um die Koordination und Kooperation zwischen einzelnen wassernutzenden Sektoren (z. B. Landwirtschaft, Bergbau, Wasserversorger), administrativen (z. B. nationalen und regionalen Behörden) und räumlichen Einheiten (z. B. zwischen Flusseinzugsgebieten und Gebietskörperschaften, die Anrainer sind) effektiv zu verbessern.
Häufig stehen zudem systemische und politische Hürden im Weg. Welche innovativen Ansätze gibt es, die Lösungen für solch komplexe Probleme bieten, in denen viele Interessensgruppen eine Rolle spielen und sich Bedingungen rapide wandeln können?
Im Rahmen des Forschungsprojekts „Erhöhung der Steuerungskompetenz zur Erreichung der Ziele eines integrierten Wassermanagements“ (STEER), das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wurde, hat das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik (DIE) von 2017 bis 2020 gemeinsam mit seinen Konsortialpartner*innen der Universitäten Osnabrück und Kassel, sowie dem Ecologic Institut und Akteur*innen in Deutschland, dem Iran, der Mongolei, Spanien und Südafrika an diesen Fragen gearbeitet. In sechs vertieften Fallstudien wurden Ansätze entwickelt, die die Fähigkeit öffentlicher Behörden und anderer Akteur*innen (z. B. Wasserverbände oder Landwirt*innen) stärken, komplexe Wasserprobleme zu lösen. Hierzu entwickelte das Projektteam einen diagnostischen Ansatz, der in der Analyse der Fallstudien erprobt und angepasst wurde. Ähnlich einer medizinischen Diagnose erlaubt dieser Ansatz die Identifikation der Kernursachen, die einem Koordinationsproblem, z.B. der Wasser-verschmutzung durch den Berg bau im Norden der Mongolei, zugrunde liegen. Um zu verstehen, welche Faktoren eine bessere Koordination befördern oder verhindern, nimmt der Ansatz Elemente des Wasser- und Ressourcenmanagements, wie etwa den jeweiligen Gesetzesrahmen und die behördliche Organisation sowie den naturräumlichen und sozio-politischen Kontext, in den Blick. Damit geht er auf den spezifischen Problemkontext ein und kann gleichzeitig über verschiedene Fallstudien hinweg angewandt werden. Indem der Ansatz unterschiedliche Kontexte vergleichbar macht ohne ihre Unterschiede zu nivellieren, erlaubt er ein besseres Verständnis dafür, inwiefern Faktoren, die in einer Fallstudie zu guter Koordination beitragen, eventuell auch anderswo förderlich sein können.
Die systematische Einbindung der Akteur*innen vor Ort in allen Projektphasen gewährleistete eine hohe Praxisrelevanz der Ergebnisse und trug zum Capacity Development der beteiligten Akteur*innen bei. Für alle sechs Fallstudien wurden Beratungspapiere entwickelt, die in der Reihe Analysen und Stellungnahmen des DIE verfügbar sind.
Auf Grundlage der vertieften Fallstudien sowie von 21 weniger detaillierten Validierungsfallstudien entstand das internetbasierte STEER Governance-Tool. Seine Zielgruppe sind Behörden, Vertreter*innen der Zivilgesellschaft, Wissenschaftler*innen sowie Akteur*innen aus dem Privatsektor, die mit der Lösung komplexer Wassermanagement-Probleme betraut bzw. hieran interessiert sind. Auf einer Internetseite werden Nutzer*innen eingeladen, Informationen zum jeweiligen Problem, dem Einzugsgebiet und dem breiteren institutionellen sowie biophysischen Kontext einzutragen. Auf Basis dessen liefert das Tool konkrete Anregungen für Governance-Instrumente, die auf die Verbesserung von Koordination und Kooperation und damit auf die Lösung des jeweiligen Wassermanagement-Problems abzielen.
Das Governance-Tool wird nach Projektende weitergeführt und kann von seinen Nutzer*innen um Fallstudien ergänzt werden. Hierdurch stellt es einen wichtigen Baustein für internationale Lernprozesse und einen Ort für Erfahrungsaustausch zu Wasserressourcenmanagement dar. Damit setzt STEER im Sinne von SDG 6.5 innovative Impulse zur Umsetzung eines integrierten Wasserressourcenmanagements (IWRM) und macht wissenschaftliche Forschungsergebnisse nutzbar für den politischen Prozess. In Kontexten, in denen finanzielle sowie personelle Ressourcen für eine eingehendere Analyse fehlen, liefert das Tool einen ersten Vorschlag für eine Problem-Diagnose und Lösungsanregungen. Die Forschungsergebnisse werden ferner in einem Sonderheft von Environmental Science and Policy veröffentlicht.
Die Fallstudienanalysen des Projekts haben gezeigt, dass insbesondere kohärente Zuständigkeiten einzelner Behörden und Dezentralisierung zum erfolgreichen Ausgleich unterschiedlicher sektoraler Interessen beitragen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass Koordinationsbemühungen zwischen Akteur*innen aus unterschiedlichen Sektoren und von unterschiedlichen administrativen Ebenen tatsächlich in der ganz normalen Praxis des Alltags gelebt werden.
Die Autor*innen
Dr. Ines Dombrowsky ist Leiterin des Forschungsprogramms „Umwelt-Governance und Transformation zur Nachhaltigkeit“. Sie forscht zu Fragen von Mehrebenen- und intersektoraler Koordination, Kooperation und Politikintegration in der Umweltpolitik.
Mirja Schoderer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsprogramm „Umwelt-Governance und Transformation zur Nachhaltigkeit”. Sie forscht zu Wasserkonflikten, insbesondere in Verbindung mit Ressourcenabbau, und verbindet hierbei institutionelle Analyse mit politischer Ökologie.
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