WTO-Beitritt Vietnams - Auswirkungen auf Industriepolitik und Exportförderung
Projektleitung:
Jürgen Wiemann
Projektteam:
Henning Effner
Steffen Grammling
Kerstin Henke
Carmen Kommer
Laurissa Muehlich
Zeitrahmen:
2003 - 2004
/
Abgeschlossen
Kooperationspartner:
Central Institute for Economic Management (CIEM), Hanoi
Projektbeschreibung
Fragestellung:
Die Entwicklungsländer haben dem Einstieg in eine neue Runde multilateraler Handelsverhandlungen nur widerstrebend zugestimmt. Beim Auftakt der neuen Runde Ende 2001 in Doha mussten die Industrieländer versprechen, die neue Runde zu einer „Entwicklungsrunde“ zu machen, in der die Interessen der Entwicklungsländer ganz besonders berücksichtigt werden. Gemessen an diesem Oberziel fiel die Zwischenbilanz im September 2003 in Cancún jedoch so enttäuschend aus, dass seither die gesamte Runde gefährdet erscheint, falls die Industrieländer nicht weiterreichende Zugeständnisse, insbesondere bei der Öffnung ihrer Agrarmärkte für die Exporte der Entwicklungsländer machen. Dies erscheint aber z.Z. nicht sehr realistisch.
Warum sollten sich dennoch gerade die Entwicklungsländer für eine konstruktive Fortsetzung der WTO-Runde einsetzen und warum sollte ein Land wie Vietnam den Beitritt zur WTO anstreben, obwohl der Erfolg der laufenden Runde gegenwärtig in Frage steht und obwohl der Beitritt mit erheblichen Anpassungsproblemen sowohl bei den gesetzlichen und institutionellen Rahmenbedingungen wie bei den Unternehmen verbunden sein wird?
Erste Ergebnisse:
Nachdem immer mehr Entwicklungsländer die Vorteile der wirtschaftlichen Öffnung und Exportdiversifizierung erkannt haben, sollten sie auch ihr Interesse an einem stabilen Regelwerk für fairen Wettbewerb im internationalen Handel und im internationalen Dienstleistungsverkehr wahrnehmen und sich für einen konstruktiven Abschluss der WTO-Runde einsetzen. Vor allem die fortgeschrittenen Entwicklungsländer sollten die Vorteile eigener Liberalisierungsverpflichtungen erkennen. Zum einen würde dadurch auch der Süd-Süd-Handel erleichtert, und weniger entwickelten Ländern würden zusätzliche Exportmärkte eröffnet, zum anderen zwingt verstärkter Importwettbewerb die eigenen Produzenten dazu, ihre Produktivität und die Qualität ihrer Produkte auf Weltmarktniveau anzuheben.
Als latecomer auf der weltwirtschaftlichen Bühne hat Vietnam zunächst einen überraschend großen Sprung nach vorn gemacht und sich bei einigen Agrarprodukten (Kaffee, Pfeffer, Reis, Cashewnüsse) auf die vorderen Plätze der Exportländer vorgeschoben. Da die Aufnahmekapazität der Weltmärkte für diese Agrarprodukte jedoch erkennbar begrenzt ist, lassen sich diese Anfangserfolge der Umstellung der vietnamesischen Landwirtschaft auf marktwirtschaftliche Prinzipien nicht unbegrenzt fortsetzen. Nun steht die schwierigere Aufgabe der Exportdiversifizierung in Richtung verarbeitete Industriegüter an. Eine Voraussetzung dafür ist der gesicherte Zugang zu den Exportmärkten vor allem der reichen Industrieländer, und der hängt nicht zuletzt vom Erfolg der WTO-Runde ab, von dem Vietnam aber nur als WTO-Mitglied profitieren würde. Bleibt Vietnam außen vor, könnte es ab 2005 sogar erhebliche Nachteile erfahren, wenn die bisherigen Quoten der Industrieländer für Textil- und Bekleidungsimporte aus Entwicklungsländern entfallen (das Multifaserabkommen, das diese Quoten ermöglicht, läuft nach 30 Jahren endlich aus) und alle anderen Entwicklungsländer, die bereits WTO-Mitglieder sind (darunter China, Indien, Bangladesh, Pakistan) den freien Zugang zu den Industrieländermärkten ausnutzen können, während Vietnam weiterhin mit Marktzutrittsbeschränkungen zu rechnen hätte.
Nach merkantilistischer Logik, der alle Regierungen dieser Welt und damit auch die Verhandlungen im Rahmen von GATT- bzw. jetzt WTO-Runden mehr oder weniger weit verhaftet sind, müsste Vietnam dafür den hohen Preis der Importliberalisierung und Anpassung an WTO-Regeln zahlen, von denen einige mit erheblichen Anpassungskosten für Entwicklungsländer verbunden sind (so insbesondere das Abkommen zum Schutz geistigen Eigentums). Tatsächlich wäre aber sogar die einseitige Öffnung für Importe und die Regelbildung der eigenen Handels- und Wirtschaftspolitik für Vietnam von Nutzen, jedenfalls dann, wenn die Regierung die noch bestehenden Hemmnisse vor allem für private Unternehmen abschafft, sich schnell genug auf die neuen Wettbewerbsbedingungen einzustellen. Bisherige Monopole bei Staatsunternehmen würden beseitigt und die gesamte Wirtschaft auf ein höheres Effizienzniveau gebracht. Die Regierung könnte den Prozess noch beschleunigen, indem sie die Umstrukturierung und Privatisierung der Staatsunternehmen unterstützt und allen Unternehmen die erforderlichen Hilfen für den Einstieg in das Exportgeschäft gewährt.
Sonstiges:
Präsentation der Ergebnisse der Länderarbeitsgruppe Vietnam im Central Institute for Economic Management, Hanoi, 29.4.2004