Neue Instrumente der Entwicklungsfinanzierung auf Distrikt- und Kommunalebene in Südafrika


Projektteam:

Klaus Liebig
Mandana Bahrinipour
Laura Fuesers
Benjamin Knödler
Christian Philipp Schönhofen
Mareike Stein

Zeitrahmen:
2006 - 2007 / Abgeschlossen

Kooperationspartner:

Development Bank of South Africa (DBSA)
Infrastructure Finance Corporation Limited (INCA)

Projektbeschreibung

Fragestellung:
Probleme in der Infrastruktur
Investitionen in die Infrastruktur werden als Hauptvoraussetzung für Wachstum und Armutsbekämpfung angesehen. Öffentliche Investitionen in die Infrastruktur sind zwischen den ethnischen Grenzen in Südafrika während der Zeit der Diskriminierung sehr unterschiedlich gewesen. 1994 übernahm die demokratische Regierung eine gute Infrastruktur in den Wohngebieten der weißen Bevölkerung und eine sehr schlechte Infrastruktur in den Wohngebieten der nicht-weißen Bevölkerung (black and colored population). Seitdem versucht die südafrikanische Regierung, mit aller Kraft diese Unterschiede auszugleichen und die Armut durch eine große Auswahl an politischen Maßnahmen zu reduzieren. Zu den Top-Prioritäten der Regierung gehört die effiziente Bereitstellung von öffentlichen Dienstleistungen mit einem Fokus auf Gleichheit und Armutsverminderung. Zur Erreichung dieses Ziels spielen die Kommunen eine zentrale Rolle. Bis 2005/06 war die öffentliche Finanzsituation gut, mit mehr finanziellen Möglichkeiten für öffentliche Investitionen. Es besteht jedoch trotz der Verfügbarkeit einer größeren Menge an öffentlichen Geldern ein permanentes Ungleichgewicht zwischen den Infrastrukturanforderungen und den öffentlichen Mitteln, um diese zu finanzieren, sowie der Fähigkeit, die Ressourcen auf lokaler Ebene effektiv zu nutzen. Darum werden in den weiter entwickelten Kommunen des Landes neue Finanzmodelle getestet, während es immer noch offen bleibt, zu untersuchen, wie diese Modelle auf die eher benachteiligten Kommunen ausgeweitet werden könnten.

Dezentralisierung
In einer dezentralisierten Welt haben die Verantwortlichkeiten von regionalen und kommunalen Organen für die Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen und Investitionen für die Infrastruktur enorm zugenommen. Die Dezentralisierung in Südafrika, bestehend aus dem Übergang zu den zwei verantwortlichen Verwaltungsebenen (regionale- und Kommunalverwaltungen; seit 2000 gibt es 9 Provinzen und 284 lokale Stadtbezirke, darunter 6 Metropolregionen), der Entscheidungsverantwortung und den erforderlichen Geldern, wurde seit 1994 zu einem Schwerpunkt der nationalen Politik. Die Gesetzeslage wurde 2005 vervollständigt und wird größtenteils als gut gestaltet angesehen. Die alte Aufteilung zwischen den begünstigten und benachteiligten Gemeinden führt jedoch noch immer zu verschiedenen Ergebnissen in Bezug auf die Möglichkeit, öffentliche Dienstleistungen bereitzustellen.
Heutzutage werden den Provinzen und lokalen Ebenen signifikante Ressourcen durch den Transfer der Haushaltsmittel zugeteilt. Zudem wurden den Provinzen und Kommunen Steuerquellen zugewiesen, die Einkunftsgenerierung wird jedoch ungleich zwischen den verschiedenen Regierungsbereichen (vertikal) und zwischen den Kommunen (horizontal) aufgeteilt. Während die eigenen Einnahmen der Provinzregierung nur 2,86 Prozent ihres Budgets von 2005/06 ausmachen, bringen Kommunen viel höhere Einnahmen auf. Es gibt jedoch große Unterschiede zwischen einigen Kommunen (besonders die Großstädte) und der überwiegenden Mehrheit von kleineren Stadtbezirken, die sehr vom nationalen Transfer abhängen.
Die regionale und kommunale Kreditaufnahme wurde in Südafrika für lange Zeit durchgeführt. Nach 1994 waren laut der Zentralregierung nationale oder lokale Garantien für kommunale Darlehen unerlässlich, um die Gemeinden dabei zu stärken, die ganze Verantwortung für den Kredit zu übernehmen. Diese regulierende Verschiebung verursachte eine eher stagnierende Marktentwicklung, die sich seit 2005 beschleunigte, als der Municipal Finance Management Act erlassen wurde, um ein neues Regulierungssystem zur Verfügung zu stellen. Regionale und kommunale Kredite sind nur erlaubt, um Kapitalanlagen zu finanzieren und kurzzeitige Liquiditätsbeschränkungen zu überbrücken. Des Weiteren dürfen Darlehen nur in der Landeswährung aufgenommen und nicht an den Wert der ausländischen Währungen gebunden werden.
Der Markt für regionale und kommunale Kredite konzentriert sich auf zwei Bereiche: die sechs Hauptstädte erhalten mehr als 60 Prozent der Gesamtmenge an regionalen und kommunalen Krediten; Johannesburg und Durban alleine erhalten etwa ein Viertel der Kredite. Im Bereich der Angebotsseite wird der Markt von zwei Akteuren dominiert: die öffentliche „Development Bank of South Africa“ (DBSA) und die private „Infrastructure Finance Corporation Limited (INCA). Vor kurzem betrat die Stadt Johannesburg neues Terrain und gab zwei Schuldverschreibungen auf dem lokalen Kapitalmarkt aus. Schuldverschreibungen werden als neues Instrument der Finanzierung betrachtet, die großes Potenzial auf regionaler und kommunaler Ebene haben.

Perspektiven von regionalen und kommunalen Kreditaufnahmen
Die mögliche Finanzierung von Investitionen kann mittel- bis langfristig nicht ausreichend mit den Haushaltskassen der zentralen und lokalen Verwaltungen abgedeckt werden, um den Infrastrukturanforderungen, nicht nur für Wasser und Kanalisation, sondern auch für eine zuverlässige Abfallentsorgung und -behandlung, Straßen und Verkehrsnetze, Gesundheit und Bildung gerecht zu werden. Darum ist der Zugriff auf langfristige Finanzierungen durch Geschäftsbanken (und letztendlich Nichtbanken), sowie durch privaten Investoren unerlässlich. In dem Umfang, in dem die wohlhabenderen Provinzen und Stadtbezirke für die privaten Finanzierungen aufkommen können, würde sich die öffentliche Finanzierungsmöglichkeit der Verwaltungen für die ärmeren Regionen verbessern. Es gibt zwei Hauptvoraussetzungen dafür, dass der regionale Kapitalmarkt langfristig eine Hauptfinanzierungsquelle für die Infrastruktur wird:

  • kommunale Organe (Verwaltungen und örtliche Unternehmen) müssen zu glaubwürdigen Schuldnern werden und
  • der regionale Kapitalmarkt muss Langzeitfinanzierungen zu günstigen Konditionen anbieten.


Beide Bedingungen sind derzeit in Südafrika nur teilweise erfüllt. Es gibt durchaus einige Beispiele von regionalen und kommunalen Fremdfinanzierungen, die genau analysiert werden können, um die Bedingungen für Erfolg und Misserfolg zu untersuchen. Andererseits ist offensichtlich, dass die Marktentwicklung angesichts der modernen und differenzierten Natur des südafrikanischen Bankwesens zögernder gewesen ist als erwartet.

Die Rolle der Geldgeber
In der Vergangenheit haben Geldgeber einen Anteil der Infrastrukturfinanzierung in Entwicklungsländern zur Verfügung gestellt, hauptsächlich in Form von Darlehen unter konzessionierten Bedingungen für die Regierung, die an die regionale und kommunale Ebene oder an öffentliche Versorgungsbetriebe weitergeleitet wurden. In Südafrika müssen neue Instrumente entwickelt werden, um die Bedürfnisse eines relativ wohlhabenden Landes mit einem gut entwickelten lokalen Kapitalmarkt zu befriedigen.
Öffentliche Geldgeber untersuchen Strategien für die Kanalisierung ihrer Gelder auf eine Art, die die weitere Entwicklung des lokalen Kapitalmarktes unterstützt anstatt ihn zu ersetzen. International haben fast alle multilateralen und bilateralen Entwicklungsbanken damit begonnen, Strategien für eine Entwicklung auf regionaler und kommunaler Ebene einzusetzen, die darauf basieren, eine Langzeitfinanzierung für entweder das Bankwesen vor Ort oder regionale und kommunale Fördermittel bereitzustellen, mit dem Ziel, die Entwicklung des lokalen Kapitalmarktes zu fördern, die auf lange Sicht ausländische Finanzierungen ersetzen würden. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit in Südafrika mit ihren zentralen Themenbereichen von der kommunalen Regierungsförderung (local governance) und dem Kapazitätsaufbau (capacity building) unterstützt eine Reihe von regionalen und kommunalen Verwaltungen und berät die Zentralregierung bei ihrer Dezentralisierungspolitik. Mittel für die Finanzierung der lokalen Infrastruktur durch das Bankwesen vor Ort (DBSA und INCA) wurden in der Vergangenheit mit Hilfe deutscher finanzieller Zusammenarbeit (durch KFW und DEG) bereitgestellt.

Forschungsansatz
Der konkrete Forschungsansatz wurde zusammen mit den südafrikanischen Forschungspartnern (Kollegen) festgelegt. Das DIE arbeitete eng mit der DBSA und INCA zusammen, beteiligte sich bei der Gestaltung des Forschungsansatzes und führte die wissenschaftliche Arbeit sowie die Feldforschung in Südafrika von Mitte Februar bis Ende April durch. Die Interessen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit wurden bei den konkreten wissenschaftlichen Projekten ebenfalls berücksichtigt. Ein Mitarbeiter von jeder Partnerinstitution wurde im Dezember 2006 ins DIE eingeladen, um die Feldforschung vorzubereiten und die Erfahrungen der Deutschen mit der Kapitalmarktfinanzierung von lokaler Infrastruktur zu studieren. Die Feldforschung konzentrierte sich auf lokale Engpässe und die Beziehung zwischen öffentlichen und privaten Mitteln für die Infrastruktur. Zu diesem Zweck führte die Gruppe empirische Forschungen in den Bezirken der verschiedenen Regionen und über ihre unterschiedlichen Entwicklungsstadien durch. Zudem sollte die Erfahrung der fortgeschritteneren Bezirke einen empirischen Test ermöglichen, inwieweit Darlehen oder Schuldscheine zu dem Ziel beitragen, die Erbringung von Dienstleistungen auf lokaler Ebene zu verbessern. Die Forschung versuchte, Antworten zu finden, wie öffentliche Gelder (sei es national oder international) am besten genutzt werden können, um zusätzliches Privatkapital zu erlangen.
Zusammen mit einer Länderarbeitsgruppe in Indonesien, die sich mit dem gleichen Thema beschäftigte, wurde erwogen, an der Entwicklung der konzeptionellen Rahmenbedingungen für die Finanzierung der lokalen Infrastruktur für Länder in verschiedenen Entwicklungsstadien mitzuwirken und damit zu einem wachsenden internationalen Interesse in diesem Bereich der Entwicklungsunterstützung beizutragen.

 

Publikationen zum Themengebiet
Liebig, Klaus / Mandana Bahrinipour / Laura Fuesers / Benjamin Knödler / Christian Schönhofen / Mareike Stein (2008): Municipal borrowing for infrastructure service delivery in South Africa - a critical review, Studies 34