Geistige Eigentumsrechte und Wissenserwerb in Entwicklungsländern


Projektteam:

Klaus Liebig

Zeitrahmen:
2000 - 2007 / Abgeschlossen

Projektbeschreibung

Fragestellung:
Entwicklungsländer benötigen Wissen und Technologie für ihren wirtschaftlichen Entwicklungsprozess. Ein Großteil des verfügbaren Wissens befindet sich in Industrieländern, die geistige Eigentumsrechte an Innovatoren vergeben, um die Schaffung neuen Wissens zu befördern. Das TRIPS-Abkommen unter dem Dach der Welthandelsorganisation (WTO) gilt als Durchbruch beim Schutz geistigen Eigentums. Das Abkommen führt erstmals zu einer internationalen Angleichung des Schutzes geistiger Eigentumsrechte auf relativ hohem Niveau und verpflichtet damit die meisten Entwicklungsländer zu einer signifikanten Anhebung des Schutzniveaus auf ihrem Staatsgebiet. Damit greift dieses Element der internationalen Global Governance Architektur erheblich in die nationalstaatliche Handlungsfähigkeit ein. Das Forschungsvorhaben untersucht, wie die Verlagerung von politischen Gestaltungsmöglichkeiten aus Entwicklungsländersicht zu beurteilen ist, und welche Aspekte der internationalen Regulierung reformbedürftig sind. Im Einzelnen werden folgende Fragen gestellt:
Allgemein:
Wie beeinflusst die internationale Ausweitung des Schutzes geistiger Eigentumsrechte den Wissenserwerb in Entwicklungsländern?
Über welche Kanäle fließt Wissen in Entwicklungsländer, und wie wirken geistige Eigentumsrechte darauf?
Welche nationalstaatlichen Handlungsmöglichkeiten zur Förderung des Wissenserwerbs bleiben den Entwicklungsländern?
Wie sollte die internationale Regulierung zum Schutz geistiger Eigentumsrechte aus wohlfahrtsökonomischer Sicht gestaltet werden?

Branchenspezifisch:
In welchen Branchen führt die internationale Regulierung zum Schutz geistiger Eigentumsrechte zu besonderen Herausforderungen?
Welche spezifischen Instrumente können auf nationalstaatlicher und internationaler Ebene eingesetzt werden, um die Probleme beim Wissenserwerb abzumildern und die Chancen zu erhöhen?

Länderspezifisch:
Welche Herausforderungen stellen sich in den technologieschwachen Entwicklungsländern, insbesondere in den Least Developed Countries?
Wie wandeln sich die Interessenkonstellationen in Ankerländern, die über hohe technologische Kapazitäten in einzelnen Branchen und Regionen verfügen?

Erste Ergebnisse:

Das zentrale Ergebnis des Forschungsvorhabens lautet, dass die internationale Regulierungsarchitektur zum Schutz geistiger Eigentumsrechte weder durch die ökonomische Theorie noch durch die empirische Evidenz gerechtfertigt werden kann. Die Auswirkungen sind kritisch zu sehen, weil mit dem TRIPS-Abkommen ein erheblicher Rententransfer von Entwicklungsländern in Industrieländer einher geht, der in Entwicklungsländern zu statischen Wohlfahrtsverlusten führt. Eine Kompensation dieser Verluste durch eine globale Steigerung der Wissensproduktion ist sehr unsicher. Während fortgeschrittene Entwicklungsländer über vertragliche Formen des Wissenstransfers (Ausländische Direktinvestitionen, Lizenzhandel) mittelfristig mit positiven Auswirkungen rechnen können, wird in ärmeren Entwicklungsländern ohne technologische Basis der Wissenserwerb erschwert. Die daraus resultierenden negativen Konsequenzen widersprechen dem aufgeklärten Eigeninteresse der Industrieländer und einigen bedeutenden politischen Willenserklärungen der internationalen Staatengemeinschaft.

In zwei Branchen ist die Rolle von Patenten in Entwicklungsländern besonders umstritten: in der Biotechnologie und in der Pharmazie. Aus Entwicklungsländersicht stellt sich bei der Patentierung genetischer Ressourcen die Frage, unter welchen Bedingungen Patente ein Instrument zur Regelung des Zugangs zu genetischen Ressourcen und zur Herbeiführung eines gerechten Vorteilsausgleichs sein können. Die bisherigen Erfahrungen lassen es zweifelhaft erscheinen, ob Entwicklungsländer mit signifikanten finanziellen Kompensationen für die Bereitstellung der genetischen Ressourcen rechnen können. Eine klare Rechtsposition kann aber die Stellung traditionell benachteiligter Bevölkerungsgruppen verbessern, sofern die nationalen und internationalen Rahmenbedingungen in geeigneter Weise gestaltet werden.

In der pharmazeutischen Industrie spielen Patente eine bedeutende Rolle bei der Absicherung von Innovationen gegen Nachahmerpräparate (Generika). Allerdings haben Patente bislang kaum dazu beigetragen, dass dringend benötigte Medikamente gegen Krankheiten, die vorwiegend die Armen in Entwicklungsländern betreffen, entwickelt werden. Sie müssen daher durch andere Anreizmechanismen ergänzt werden. Geschieht dies nicht, ist durch das TRIPS-Abkommen insgesamt mit negativen Konsequenzen auf den Zugang zu Medikamenten in Entwicklungsländern zu rechnen.

 

Publikationen zum Themengebiet
Liebig, Klaus (2006): Auswirkungen des internationalen Patentregimes auf die Medikamentenproduktion und den Zugang zu Medikamenten in LDC's, Studies 18
Liebig, Klaus (2006): Privatisierung des Wissens: geistige Eigentumsrechte und Technologietransfer in Entwicklungsländer; die Rolle der WTO, Externe Publikationen
Liebig, Klaus (2005): Die internationale Regulierung geistiger Eigentumsrechte und ihr Einfluss auf den Wissenserwerb in Entwicklungsländern, Externe Publikationen
Liebig, Klaus (2003): Die internationale Handelsordnung zu Beginn der Doha-Runde: Entwicklungsfreundliche Reformen und neue Anforderungen an die Entwicklungspolitik, Externe Publikationen
Henne, Gudrun / Klaus Liebig / Andreas Drews / Thomas Plän (2003): Access and benefit-sharing (ABS): an instrument for poverty alleviation; poposals for an international ABS regime, Manuskripte öffentlich
Liebig, Klaus / Daniel Alker / Karim ould Chih / Dagmar Horn / Holger Illi / Julia Wolf (2002): Governing biodiversity. Access to genetic resources and approaches to obtaining benefits from their use. The case of the Philippines, Berichte und Gutachten 5/2002
Liebig, Klaus (2001): Der gierige Griff nach dem geistigen Eigentum: der ungleiche Wissenstransfer im Welthandel erzeugt Druck zu Reformen, Externe Publikationen
Liebig, Klaus (2001): Geistige Eigentumsrechte: Motor oder Bremse wirtschaftlicher Entwicklung? Entwicklungsländer und das TRIPS-Abkommen., Berichte und Gutachten 1/2001
Liebig, Klaus (2001): Der Schutz geistiger Eigentumsrechte in der Welthandelsordnung: entwicklungspolitischer Reformbedarf für das TRIPS-Abkommen, Analysen und Stellungnahmen 1/2001
Liebig, Klaus (2000): Der Schutz geistiger Eigentumsrechte in Entwicklungsländern, Manuskripte öffentlich