Die Liberalisierung im Einzelhandel durch ausländische Direktinvestitionen in Indien: Prozess, Umsetzung und Wirkung

Dieses Projekt ist Teil der Länderarbeitsgruppe (LAG) des Postgraduierten-Programms. Durch die Öffnung des indischen Einzelhandels für Auslandsinverstoren, ist eine Gesetzesänderung auf staatlicher Ebene erforderlich, wobei alle indischen Bundesstaaten die Umsetzung unterschiedlich handhaben. Das Projekt untersucht auf Grundlage dieser interessanten Situation unter anderem warum es Unterschiede gibt und wie die verschiedenen Akteure den Entscheidungsprozess beeinflussen.


Projektteam:

Teilnehmende des 49. Ausbildungsganges:
Hauke Brankamp
Thomas Cremer
Alexander Haddad
Katharina Pannwitz
Franziska Wehinger

Zeitrahmen:
2013 - 2014 / Abgeschlossen

Projektbeschreibung

Mit einem Marktanteil von über 60 % und einem geschätzten Wert von mehr als 200 Mrd. US$ im Jahr 2009 ist der Lebensmitteleinzelhandel die einflussreichste und lukrativste Struktur im indischen Retail-Markt. Im Sommer 2012, nach jahrelanger hitziger Debatte, liberalisierte die indische Regierung Foreign Direct Investments (FDI), indem sie den Eintritt der Multi Brand Einzelhändler (Multi Brand Retailers, MBR) in die indische Wirtschaft endlich gestattete. Im Vergleich zu den vorherigen, nicht liberalisierten FDI im Einzelhandel, der nur indischen Tochtergesellschaften Handel erlaubt hat, ermöglicht die Liberalisierung nun mehr als 51 % ausländische Kapitalbeteiligung, mit ein paar nicht verhandelbaren Vorbehalten (u. a. müssen FDI-Einzelhändler mindestens US$ 100 Millionen in die indische Wirtschaft, von denen 50 % für Infrastruktur ausgegeben werden sollen, investieren; sie müssen sich auf Städte mit einer Bevölkerung von mehr als 1 Million beschränken oder mindestens 30 % der hergestellten Waren von indischen Kleinst-und Kleinunternehmen beschaffen).

Die Regierung hofft, dass die wirtschaftliche Öffnung für ausländische Mega-Supermärkte die stagnierende indische Wirtschaft wiederbelebt und neue Dynamik in die Landwirtschaft mit derzeit bis zu 35 % Nachernteverlusten fließt. Allerdings argumentieren Gegner der neuen Politik der Liberalisierung, dass Mega-Ketten wie Walmart, Carrefour und Tesco Kleinstunternehmen sowie kleine und mittelgroße Einzelhändler verdrängen und die Existenzgrundlage der Kleinbauern zerstören werden.

In Indien wird die Vermarktung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen auf staatlicher Ebene unter der Agricultural Produce Marketing Committee (APMC) Act verwaltet; die Einführung von MBR macht eine Änderung des Gesetzes erforderlich. Nicht alle indischen Bundesstaaten haben das neue APMC Act ratifiziert, selbst die Umsetzung der alten APMC variiert zwischen den Staaten. Dies schafft eine interessante Situation, wobei
1. in einigen Staaten die alte APMC beibehalten wird (z. B. Punjab),
2. andere Staaten vollständig das neue Gesetz mit MBR-Notifizierung durch die Zentralregierung umsetzen (z. B. Andhra Pradesh) und
3. andere Staaten weder APMC noch FDI-MBR umgesetzt haben (z. B. West Bengal).

Diese neue und tiefgreifende Änderung der indischen Politik sowie die unterschiedlichen Formulierungen und Umsetzungen wirtschaftlicher Strategien der ausgewählten indischen Bundesstaaten geben uns eine einzigartige Möglichkeit, den Prozess der Formulierung der Politik, dessen Umsetzung und die Auswirkungen auf downstream-Akteure und staatliche Wirtschaftsebenen experimentell zu untersuchen. Die Länderarbeitsgruppe wird bei der Politikformulierung (policy formulation) untersuchen 1) wie und warum einige Staaten die APMC Act anders als andere Staaten formulieren und 2) wo die Spannungsfelder in der Wertschöpfungskette liegen, die die politischen Entscheidungen beeinflussen. Die Forschung wird auch 3) den Entscheidungsprozess über die politische Neuformulierung von der Zentralregierung bis zum Ministerium für Landwirtschaft (auf bundesstaatlicher Ebene) verfolgen und 4) bestimmen, inwieweit die Beteiligten das Ergebnis solcher Entscheidungen beeinflusst haben.

Bei der Umsetzung auf Politikebene (policy implementation) liegen die Schwerpunkte der LAG in der Untersuchung
1)entwicklungspolitischer Wirkungen der alten APMC durch Investitionsentscheidungen, Wertschöpfung und Transaktion Arrangements und, wenn die Daten es hergeben,
2) im Vergleich der Veränderungen der Investitionsentscheidungen in den Bundesstaaten bei der Umsetzung der neuen APMC und MBR Act.
Auf der Ebene der politischen Auswirkungen (policy impact level) sollen die sozio-ökonomischen Auswirkungen der Liberalisierung auf Bundesstaaten (einschließlich Investitionsentscheidungen, Gewinne usw.) durch Meinungsbildung von Interessengruppen (Politik, Großhändler, Lieferanten, Händler und Landwirte) untersucht werden. Wenn die Daten es hergeben, wird dies mit Meinungen von denen, die die neue Richtlinie ratifiziert haben, verglichen.