"Ankerländer" und „Asian Drivers of Global Change“
Im Rahmen zweier Forschungsprojekte untersucht das DIE die veränderte Rolle neuer regionaler Wirtschaftsmächte sowie deutsche und europäische Handlungsstrategien gegenüber diesen Ländern. Das Projekt "Ankerländer" wird vom BMZ finanziert und zielt auf eine Überprüfung der deutschen EZ-Strategie mit der Gruppe der 15 Ankerländer. "Asian Drivers" ist ein Verbundprojekt mit Think Tanks in China, Indien und Europa und untersucht verschiedene entwicklungsrelevante Ausstrahlungseffekte des Wachstumsprozeses in den beiden genannten Ländern.
Projektleitung:
Tilman Altenburg
Dirk Messner
Projektteam:
Thomas Fues
Julia Leininger
Andreas Stamm
Dr. Klaus Liebig
Pamela Baijal (Projektkoordination)
Zeitrahmen:
2005 - 2008
/
Abgeschlossen
Kooperationspartner:
Institute of Development Studies (IDS)
OECD Development Center, Paris
Institute of World Economics and Politics / Chinese Academy of Social Science, Peking
Research and Information System for the Developing Countries (RIS), Indien
The South African Institute of International Affairs (SAIIA)
School of Environment and Development / University of Manchester
School of Development Studies / University of KwaZulu-Natal, Durban, South Africa
Projektbeschreibung
Es wird intensiv darüber diskutiert, ob und in welcher Form Deutschland weiterhin mit großen, wirtschaftlich erfolgreichen Entwicklungsländern wie China, Indien, Brasilien, Mexiko oder Südafrika Entwicklungszusammenarbeit betreiben sollte. Das DIE hat mit seinem Ankerlandkonzept im Jahr 2004 einen Diskussionsanstoß gegeben, um die Debatte auf eine fundierte Grundlage zu stellen und die Gründe für und wider eine weitere Zusammenarbeit sowie die geeigneten Themen und Formate systematisch herausarbeiten zu können.
Die zentrale These lautet: Ankerländer – die führenden regionalen Wirtschaftsmächte – sind aufgrund ihres wirtschaftlichen Gewichts, ihres politischen Einflusses und ihrer zunehmenden Entschlossenheit zur Mitwirkung an internationalen Prozessen unverzichtbare Partner für die Lösung globaler strukturpolitischer Fragen. Eine weitere Zusammenarbeit mit diesen Ländern liegt daher im vitalen Interesse Deutschlands. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Zusammenarbeit dauerhaft durch die Entwicklungszusammenarbeit geprägt sein sollte. Vielmehr gilt es, die entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit Ankerländern zu einer strategischen Partnerschaft weiterzuentwickeln und die verschiedenen Kooperationsinstrumente – der EZ und anderer Politikfelder – in einen gemeinsamen inhaltlichen Korridor zu stellen und eng aufeinander abzustimmen.
Wie eine solche "neuartige" Zusammenarbeit mit Ankerländern aussehen könnte, untersucht das DIE seit 2005 im Auftrag des BMZ in einer Vielzahl von Länder- und Themenstudien. Darüber hinaus werden ressortübergreifende Workshops organisiert. Die Studien analysieren die Kooperationsportfolien des BMZ und anderer Institutionen in ausgewählten Ankerländern (China, Indien, Mexiko, Brasilien und Südafrika). Daneben werden vertiefende Studien über die Rolle der Ankerländer in der globalen Strukturpolitik und thematische Querschnittsanalysen zu effektiven ressortübergreifenden Kooperationsformen in einzelnen Themenfeldern (z.B. Umwelt, Wissenschaftlich-Technische Zusammenarbeit, Dreieckskooperationen) erstellt.
China und Indien: The Asian Drivers of Global Change
Aufgrund ihrer globalen Bedeutung spielen China und Indien innerhalb der Gruppe der Ankerländer eine herausgehobene Rolle. Daher betreibt der DIE ein spezielles Forschungsprojekt zur Bedeutung von China und Indien für die internationalen Beziehungen. Die Ausgangshypothese dieses Forschungsprojektes besteht darin, dass sich die „Asian Drivers of Global Change“ zu relevanten Global-Governance-Akteuren entwickeln, die die Grundmuster in Weltwirtschaft und -politik und damit auch das Verhältnis zwischen Industrie- und Entwicklungsländern sowie innerhalb Gruppe der Entwicklungsländer nachhaltig verändern.
Die entstehende neue Machtkonstellation ist durch zwei entscheidende Merkmale geprägt:
1. Der Aufstieg Chinas und Indiens in der Weltwirtschaft und als wichtige Global-Governance-Akteure stellt eine tektonische, also in ihren Auswirkungen signifikante und tiefgreifende Verschiebung dar. Der Anteil Chinas an der Weltnachfrage nach wichtigen Basismetallen stieg von 5–7 % Anfang der 1990er Jahre auf 20–25 %, China verfügt über die weltweit zweitgrößten Währungsreserven von über 790 Mrd. US-$, ist bereits die drittgrößte Handelsnation der Welt (Exportvolumen 2004: 593 Mrd. US-$; 1990: etwa 50 Mrd. US-$) und gehört mit den USA und der EU zu den größten CO2- Emittenten. Zugleich artikuliert China in der WTO, den Vereinten Nationen und in der Klimapolitik seine Ansprüche, Global Governance-Prozesse entscheidend mitzuprägen, immer deutlicher. Indien befindet sich auf einem sehr ähnlichen Pfad wie China – mit einer Zeitverzögerung von etwa 10–15 Jahren.
2. Der Aufstieg von Indien und China als relevante weltwirtschaftliche und Global-Governance-Akteure wird dazu führen, die „quasi – unilaterale Weltordnung“ in eine de facto multipolare Machtkonstellation zu verwandeln. Spätestens 2025–2030 werden die USA, China und Indien wesentliche Machtpole in der Global-Governance-Architektur darstellen. Alle europäischen Nationalstaaten sind im Vergleich zu diesen zukünftigen Großmächten kleine Akteure mit begrenzten Machtressourcen. Diese neue multipolare Machtkonstellation und der daraus resultierende Wettbewerb um Macht und Gestaltungsmöglichkeiten wird zur zentralen und prägenden Konfliktlinie in der Global-Governance-Architektur in den kommenden fünf Dekaden – ähnlich wie der Systemkonflikt während des Kalten Krieges oder die Dauerkonflikte zwischen den europäischen Mittelmächten vor dem Ersten Weltkrieg. Die unilateral geprägte Global-Governance-Architektur wird nur einen kurzen historischen Moment andauern – die Zukunft dürfte durch einen „turbulenten Multilateralismus“ geprägt sein.
Um die Konturen des durch China und Indien angestoßenen globalen Wandels angemessen zu verstehen, sollen in dem Forschungsprojekt drei Typen von Fragen bearbeitet werden:
Erstens geht es um Forschungsfragen, die darauf abzielen, die Rolle der beiden Länder als Global-Governance-Akteure adäquat beschreiben und analysieren zu können.
Zweitens stellen sich Fragen, die darauf ausgerichtet sind, zu verstehen, ob und wie die Dynamik Chinas und Indiens in der Global-Governance-Arena den bisherigen Forschungsstand der Global-Governance-Debatte herausfordert.
Drittens wird sich das Projekt mit der Frage beschäftigen, welche Auswirkungen die „Asian Drivers“ auf die zukünftige internationale Entwicklungspolitik haben werden.
Publikationen zum Themengebiet
Schmitz, Hubert / Dirk Messner (2008): Poor and powerful - the rise of China and India and the implications for Europe, Discussion Paper 13/2008