Policy Brief
Die deutsche Energiewende: Synergien, Zielkonflikte und politische Triebkräfte
Faus Onbargi, Alexia / Ines DombrowskyPolicy Brief (23/2023)
Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS)
DOI: https://doi.org/10.23661/ipb23.2023
Engl. Ausg. u.d.T.:
Germany's Energiewende: synergies, trade-offs and political drivers
(Policy Brief 18/2023)
Infolge des russischen Einmarschs in die Ukraine und des anschließenden Kriegs ist es bei der deutschen Energiewende zu einer politischen Neuausrichtung gekommen. Mit dem im Frühjahr 2022 gestarteten Osterpaket wurde eine Reihe ehrgeiziger Ziele im Bereich erneuerbarer Energien gesetzt und Gesetze verabschiedet, um zugleich Klimamaßnahmen und Energiesicherhheit zu ermöglichen. Deren Umsetzung soll Hand in Hand mit bestehenden Gesetzen, wie dem Kohleausstiegsgesetz und dem Bundesklimaschutzgesetz, erfolgen. Die Abstimmung politischer Maßnahmen und Ziele zur Minderung der Treibhausgas-Emissionen und zur Gewährleistung zuverlässiger und bezahlbarer Energie fordert eine konzertierte Politikkohärenz, nämlich die Maximierung von Synergien und Minimierung von Zielkonflikten in der Verfolgung einer Vielzahl von Zielen. Die Minimierung von Zielkonflikten gewinnt umso mehr an Bedeutung, wenn die Energiewende für alle gerecht sein und als Vehikel eines breiteren „gerechten Wandels“ (just transition) dienen soll, und ist auch für die Erreichung der Ziele der Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung (wozu auch „Niemanden zurücklassen“ zählt) und des Übereinkommens von Paris von Bedeutung.
In diesem Policy Brief werden, mit besonderem Fokus auf Nordrhein-Westfalen als einem der wichtigsten deutschen Kohlebergbauregionen, zunächst einige der wesentlichsten politischen Maßnahmen – und (In-)Kohärenzen – mit Blick auf die Energiewende beleuchtet. Im Anschluss werden – durch die Brille von Ideen, Interessen und Institutionen – wichtige politische Triebkräfte der (In-)Kohärenz von Politiken in zwei politischen Prozessen der Energiewende, die für den Elektrizitätssektor von besonderer Bedeutung sind – dem Kohleausstieg und dem Ausbau der Onshore-Windkraft –, untersucht. Wenngleich Solarkraft und grüner Wasserstoff für eine erfolgreiche Energiewende ebenfalls eine Schlüsselrolle spielen, werden sie hier nicht behandelt. Unsere Erkenntnisse basieren auf der Analyse relevanter Politikdokumente sowie 28 halbstrukturierter Interviews. Auf dem Weg zu einem „gerechten Wandel“ werden zur Förderung der Kohärenz der deutschen Energiewende und als Beitrag zur laufenden Weiterentwicklung der NRW-Nachhaltigkeitsstrategie die folgenden Empfehlungen ausgesprochen. Diese könnten auch für den neu ernannten NRW-Nachhaltigkeitsbeirat von Interesse sein:
• Abbau ideologischer, institutioneller und interessenbasierter Hürden ambitionierter Klimapolitik durch Politikkohärenz. In NRW sind die Einhaltung der jüngsten Versprechen eines Kohleausstiegs bis 2030 und einer Aufhebung der 1000-Meter-„Regel“ (d. h. 1km zwischen Wohngebäuden und Windturbinen) zentral. Diese Selbstverpflichtungen sollten in die weiterentwickelte NRW-Nachhaltigkeitsstrategie einfließen und Einzug in die Gesetzgebung halten.
• Förderung größerer politischer Gleichberechtigung bei allen Entscheidungsprozessen rund um die Energiewende auf allen Regierungsebenen (Bund, Länder und Kommunen) hin zu einer stärkeren Energiedemokratie im Rahmen von Beratungs- und Beteiligungsmechanismen. Die Verminderung politischer Ungleichheiten (z. B. durch die Gründung von Genossenschaften) ist für eine erhöhte öffentliche Akzeptanz von Vorhaben zu erneuerbaren Energien, einem der Ziele der aktuellen NRW-Nachhaltigkeitsstrategie, von wesentlicher Bedeutung.
• Integration von Vorstellungen der sozialen und Klimagerechtigkeit in die Energiewende-Politik, um sicherzustellen, dass die deutsche Energiewende für alle Menschen, und nicht nur für deutsche Bergleute, gerecht ist. Dabei sollten Vorstellungen von Verfahrens-, Verteilungs- und Anerkennungsgerechtigkeit berücksichtigt und in der weiterentwickelten NRW-Nachhaltigkeitsstrategie betont werden.
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