Deutschlands Nationale Sicherheitsstrategie aus entwicklungspolitischer Perspektive: Zielkonflikte thematisieren, Synergien stärken

Lorch, Jasmin
Policy Brief (18/2024)

Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS)

DOI: https://doi.org/10.23661/ipb18.2024

Die Nationale Sicherheitsstrategie (SiSt) formuliert ein integriertes Sicherheitsverständnis. Seine drei Dimensionen sind Wehrhaftigkeit, Resilienz und Nachhaltigkeit. Bei letzterer bezieht sich die SiSt vor allem auf die Klimakrise. Jedoch beinhaltet die SiSt zahlreiche Zielkonflikte. Besonders brisant sind diese für die Entwicklungspolitik, welche die SiSt als „nachhaltige Sicherheitspolitik“ definiert. Sie erhält so zwar hohe Relevanz, gleichzeitig aber besteht das Risiko einer „Versicherheitlichung“ – dass also die entwicklungspolitische Logik einer sicherheitspolitischen untergeordnet wird. In diesem Policy Brief geht es um drei Bündel entwicklungspolitisch relevanter Zielkonflikte: zwischen Demokratieschutz und langfristigem Frieden einerseits und kurzfristigen Stabilisierungs- und Sicherheitsinteressen andererseits (1); zwischen anspruchsvollen Zielen für Wohlstand und wirtschaftliche Resilienz in Deutschland einerseits und der Förderung von menschlicher Sicherheit und Resilienz im Globalen Süden als Voraussetzung für ein global sicheres Umfeld andererseits (2); und zwischen Klimaschutz, gerechten Entwicklungschancen für den Globalen Süden und deutlich höheren Wohlfahrtsstandards für Deutschland (3). Um diese Zielkonflikte zu adressieren und Synergien zu stärken, werden hier folgende Empfehlungen formuliert:

Zielkonflikte transparent machen – Inputs aus unterschiedlichen Perspektiven nutzen. Es wäre wün-schenswert, dass die Bundesregierung die Zielkonflikte in der SiSt transparenter macht und breit diskutiert. Dies gilt auch für die Entwicklungspolitik. Die Erfolgsbedingungen für die entwicklungspolitischen Zielsetzungen sind so komplex, dass Inputs aus unterschiedlichen Perspektiven nötig sind, um sie zu erreichen.

Primat der Prävention präzisieren – zivile Prävention priorisieren. Das Primat der Prävention sollte ge-stärkt und konsequent umgesetzt werden. Dabei gilt es, zivile Krisenprävention zu priorisieren. Entwicklungspolitische Maßnahmen, die Armut reduzieren und die Klimakrise eindämmen sollen, sollten explizit als zivile Prävention verstanden und konzipiert werden, um ihre Versicherheitlichung zu vermeiden.

Do no Harm to Democracy. Dem Prinzip Do no Harm to Democracy folgend, wäre es wichtig, dass die Bun-desregierung dafür sorgt, demokratische Kräfte nicht durch ihre sicherheits-, handels- und entwicklungspolitischen Kooperationen zu schwächen.

Resilienz des Globalen Südens konsequent mitdenken – langfristige Sicherheitsrisiken reduzieren. Ein integriertes, langfristiges Verständnis von Sicherheit er-fordert, menschliche Sicherheit und Resilienz konsequent global zu denken. Hierzu zählt, die politische Ökonomie und den Regimetyp der energie- und rohstoffliefernden Partnerländer besser zu berücksichtigen. Eine Verschärfung von Autokratisierungstenden-zen, Fragilität und Gewaltkonflikten sollte durch eine kohärente Verzahnung von Handels-, Außen- und Entwicklungspolitik vermieden werden.

Nachhaltigkeit politisch denken. Die Abkehr von fossilen Brennstoffen kann – unterstützt von nachhaltigen Rohstofflieferketten im Bereich der erneuerbaren Energien – den Zielkonflikt zwischen deutscher Energiesicherheit und der Resilienz der Länder des Südens langfristig mindern und helfen, Autokratisierungsrisiken und Ressourcenkonflikte weltweit zu verringern. Jedoch gilt es, die politischen Kontexte der Energiewende in den Partnerländern stärker zu berücksichtigen, zentralen Gerechtigkeitsforderungen aus dem Globalen Süden (Equity) besser Rechnung zu tragen und militarisierte Antworten auf den Klimawandel zu vermeiden.

Kohärenz besser verwirklichen. Das Kohärenzgebot der SiSt bedarf einer besseren Verankerung im Umsetzungsprozess der Strategie.

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