Analysen und Stellungnahmen

Was leisten Indizes staatlicher Fragilität?

Ziaja, Sebastian / Javier Fabra Mata
Analysen und Stellungnahmen (5/2010)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)

Engl. Ausg. u.d.T.:
State fragility indices: potentials, messages and limitations
(Briefing Paper 10/2010)

Die Messung staatlicher Fragilität scheint auf den ersten Blick eine rein akademische Übung zu sein. Jedoch ist sie eine grundlegende Voraussetzung, um überhaupt angemessen mit fragilen Staaten umgehen zu können. Politik und Durchführungsorganisationen haben erkannt, dass es nicht möglich ist, Armut effektiv zu reduzieren, ohne fragile Staaten zu „reparieren“. Fragilen Staaten fehlen grundlegende Staatsfunktionen. Vor allem sind sie nicht in der Lage, Sicherheit zu gewährleisten und eine Verwaltung aufrechtzuerhalten. Unter diesen Umständen fehlen Gebern handlungsfähige Regierungen als wichtigste Partner zur Umsetzung entwicklungsorientierter Reformen. Es wird auch vermutet, dass übliche Entwicklungsansätze in fragilen Staaten nicht funktionieren. Für die Entwicklungszusammenarbeit können Fragilitätsindizes zu verschiedenen Zwecken nützlich sein:
• zur Identifizierung von Ländern, die einen anderen Entwicklungsansatz benötigen;
• zur Evaluierung der Entwicklungszusammenarbeit;
• zur Beobachtung globaler Fragilitätstrends;
• und zur Untersuchung von staatlicher Fragilität.
All diese Verwendungen könnten die Hilfe für fragile Staaten effektiver machen. Unser Wissen über staatliche Fragilität beruht heute weitgehend auf Fallstudien. Dahingegen würden quantitative Studien besser generalisierbare Politikempfehlungen zulassen. Solche Studien, die sich auf Ursachen und Folgen von Fragilität beziehen, setzen jedoch sehr genaue Messinstrumente voraus. Was leisten also aktuelle Fragilitätsindizes? Sie versuchen alle, die fragilsten Staaten zu identifizieren und stimmen dabei in vielen Fällen überein, wie etwa bezüglich Somalia, Irak und Afghanistan. Die Nennung dieser Länder überrascht allerdings nicht. Indizes müssten weitere Leistungen erbringen – insbesondere eine hohe Genauigkeit bei der Unterscheidung von weniger eindeutigen Fällen – um einen Mehrwert gegenüber spontanen und weniger systematischen Klassifizierungen zu erbringen. Demgegenüber wird eine Vielzahl weiterer Länder unterschiedlich bewertet. So stimmen die Indizes in der Bewertung
von Ländern wie Kuba und Nordkorea nicht überein – beides autoritäre, aber verhältnismäßig handlungsfähige Staaten. Dies wirft eine Frage über die Natur autoritärer Systeme auf: Müssen repressive aber stabile Regime als fragil eingestuft werden, nur weil angenommen wird, dass sie auf lange Sicht nicht in der Lage sein werden, gesellschaftliche Bedürfnisse ähnlich gut befriedigen zu können wie Demokratien? Wir argumentieren, dass eine solche Klassifizierung unzulässig ist und dass sich „fragil“ nur auf Staaten beziehen sollte, deren Regierungen weitgehend handlungsunfähig sind. Diese Analyse fasst die Botschaft aktueller Fragilitätsindizes zusammen, beschreibt ihre Schwächen und zeigt, wie das Potential der Indizes besser genutzt werden kann. Es wir erläutert, was derzeitige Indizes leisten und wie Praktiker und Forscher dazu beitragen können, bessere Indizes zu erstellen, die für die Bildung von Strategien zur Reduzierung staatlicher Fragilität genutzt werden können.

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