Analysen und Stellungnahmen
Kann die Europäische Union Ungleichheit in Entwicklungsländern bekämpfen?
Furness, Mark / Mario NegreAnalysen und Stellungnahmen (17/2012)
Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)
Engl. Ausg. u.d.T.:
Can the EU confront inequality in developing countries?
(Briefing Paper 14/2012 )
Das globale Einkommen ist äußerst ungleich verteilt: Die wohlhabendsten 20 % der Weltbevölkerung verfügten 2011 über mehr als 80 % des Welteinkommens, verglichen mit weniger als 2 % für die ärmsten 20 %. In vielen Entwicklungsländern hält sich die Ungleichheit hartnäckig, obwohl die absolute Zahl der in Armut lebenden Menschen zurückgeht. Studien der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds (IWF), des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP) und des UN-Kinderhilfswerks (UNICEF) zeigen: Ausgeprägte Ungleichheit erschwert ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum und den dauerhaften Rückgang von Armut.
Trotz jüngster Grundsatzerklärungen, dass Ungleichheit ein erhebliches Entwicklungshindernis darstellt, unternimmt die Europäische Union (EU) nur wenig, um diese zu bekämpfen. In der „Agenda für den Wandel“ der Europäischen Kommission vom Oktober 2011 kündigt die EU an, sich auf „ein breitenwirksames und nachhaltiges Wachstum“ zu konzentrieren, durch das mehr Menschen von Wohlstand und der Schaffung von Arbeitsplätzen profitieren. Allerdings setzt sich die Agenda nicht mit der politisch heiklen Definition von „breitenwirksam“ auseinander. Um dies nachzuholen, veröffentlichte die Kommission im August 2012 eine Mitteilung über „Sozialschutz in der Entwicklungszusammenarbeit der Europäischen Union“. Das Dokument enthält einige begrüßenswerte Vorschläge, wie den, Sozialschutz in den Mittelpunkt des Dialogs mit Entwicklungsländern zu stellen.
Es ist unbestritten, dass Arbeitnehmer mit den Kenntnissen und Fähigkeiten ausgestattet werden müssen, um sich sich in eine wachsende Wirtschaft einzubringen. Selbstverständlich sind eine allgemeine Gesundheitsversorgung und soziale Sicherheit wichtig um Chancengleichheit zu erhöhen. Ebenso wichtig ist es indes, Einkommensungleichheit abzubauen.
Damit stellen sich der europäischen Entwicklungspolitik schwierige Fragen. Erstens: Sollte die EU mehr politische und finanzielle Ressourcen bereitstellen, um die Ungleichheit in Entwicklungsländern zu bekämpfen? Wenn ja, sollten primär Länder mit mittlerem Einkommen oder auch die am wenigsten entwickelten Länder unterstützt werden? Zweitens: Welche Rolle spielt der Staat mit Blick auf die Privatwirtschaft? Würde eine Förderung letzterer helfen, Ungleichheit zu verringern? Drittens: Welche eigenen Erfahrungen mit der Förderung von Inklusivität könnte die EU in die Entwicklungspolitik einbringen? Wie kann die EU diese Lehren Partnern anbieten, ohne als belehrend empfunden zu werden?
Maßnahmen zum Abbau von Einkommensdisparitäten sollten Kernelement jeder Entwicklungsstrategie sein,sowohl für Länder mit wachsendem mittlerem Einkommen als auch für ärmere Länder, in denen Mechanismen zur Umverteilung von Mitteln fehlen. Im aktuellen politischen Klima sind solche progressiven Überlegungen im Großteil Europas unpopulär. Die EU schreckt vor Modellen zurück, die für Europa funktionierten und in Teilen Lateinamerikas zu funktionieren beginnen. Stattdessen repliziert sie das „Wachstum-plus-Sicherungsnetze“-Modell – mit zusätzlicher Betonung der Privatwirtschaft. Obwohl dies eine Verbesserung gegenüber des diskreditierten „Washington Consensus“ ist, basiert es dennoch auf der „Trickle-down“-Philosophie und zielt nicht explizit auf Ungleichheit ab.
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