Analysen und Stellungnahmen
Förderung der Zivilgesellschaft in Entwicklungsländern - am Beispiel der europäischen Entwicklungszusammenarbeit
Windfuhr, MichaelAnalysen und Stellungnahmen (6/1999)
Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)
Die Förderung der Zivilgesellschaft ist zu einem festen Bestandteil der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) geworden. Die meisten Geber haben Teile ihrer EZ-Mittel für diese Aufgabe reserviert, die vor allem von Nichtregierungsorganisationen (NRO) aus den Geberländern durchgeführt wird. Eine Vorreiterrolle bei der Förderung der Zivilgesellschaft in Entwicklungsländern spielt schon seit langem die Europäische Kommission. Je stärker die Förderung von Demokratie, Menschenrechten und verantwortlicher Regierungsführung zu zentralen Kriterien der EZ werden, desto mehr steht die EZ vor der Aufgabe, Chancen und Risiken der Förderung zivilgesellschaftlicher Gruppen präziser zu benennen und sich über eine sinnvolle Arbeitsteilung zu verständigen.
- Die Vielfalt der Funktionen und die Bedeutung der Zivilgesellschaft für die Schaffung entwicklungsförderlicher Rahmenbedingungen wird immer noch unterschätzt. Die Förderung zivilgesellschaftlicher Gruppen ist unerläßlich, sollen die Ziele der Entwicklungszusammenarbeit umgesetzt werden. Zivilgesellschaftliche Organisationen entstehen oft entlang gesellschaftlicher Konfliktlinien. Indem sie verkrustete Strukturen aufbrechen, Anliegen bislang benachteiligter Bevölkerungsgruppen artikulieren und dadurch politische Partizipation fördern, tragen zivilgesellschaftliche Organisationen zur Lösung gesellschaftlicher Konflikte sowie zur gesellschaftlichen Kontrolle staatlichen Handelns bei.
- Bei allem Enthusiasmus für die Förderung der Zivilgesellschaft in Entwicklungsländern dürfen mögliche Risiken nicht übersehen werden. In Ländern, deren Zivilgesellschaft erst schwach entwickelt ist, beeinflußt jeder externe Eingriff die Entwicklungsrichtung und Zusammensetzung der Zivilgesellschaft. Je schwächer sie ausgebildet ist, um so größer ist das Risiko, daß neue Konflikte dadurch entstehen, daß selektiv Bevölkerungsgruppen gefördert und bestimmte gesellschaftliche Interessen bevorzugt werden.
- Externe Förderung zivilgesellschaftlicher Entwicklung muß auch deswegen sensibel erfolgen, weil nicht jede zivilgesellschaftliche Aktivität automatisch entwicklungsförderlich ist. Auch etablierte gesellschaftliche Interessengruppen können sich zivilgesellschaftlich organisieren und dadurch sozialen Wandel blockieren. Außerdem versuchen Regierungen in Entwicklungsländern oft, Entwicklungsprozesse innerhalb der Zivilgesellschaft in ihrem Sinne zu beeinflussen und zu kontrollieren. Die Entwicklungszusammenarbeit darf sich nicht durch inszenierte zivilgesellschaftliche Organisationsformen täuschen lassen.
- Zur Entwicklung einer vielfältigen Zivilgesellschaft trägt die Vielfalt der fördernden Partner aus den Industrieländern bei. Die parallele Förderung durch NRO, durch Kirchen und Gewerkschaften, durch Menschenrechts- und Umweltgruppen kann dazu beitragen, daß eine plurale Zivilgesellschaft entsteht. Auch diese Akteure müssen aber mögliche verzerrende oder Abhängigkeit fördernde Auswirkungen ihrer Aktivitäten auf die Zivilgesellschaft im Blick haben.
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