Analysen und Stellungnahmen
Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit der Vereinten Nationen: steigende Beiträge, aber weniger Multilateralismus
Mahn, Timo CasjenAnalysen und Stellungnahmen (8/2012)
Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)
Engl. Ausg. u.d.T.:
The financing of development cooperation at the United Nations: why more means less
(Briefing Paper 8/2012)
Die Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit der Vereinten Nationen (VN-EZ) ist einem grundsätzlichen Wandel unterworfen, in dessen Folge der multilaterale Charakter der VN-EZ sukzessive verloren zu gehen droht. Zwei Trends sind für die letzten 15 Jahre kennzeichnend:
Zum einen haben die Geber ihre Beiträge an das VN-EZSystem mehr als verdoppelt. Zum anderen hat sich deren Qualität grundsätzlich verändert. Während der Anteil der sogenannten Kernfinanzierung, aus der sich das multilaterale Mandat der 37 operativ tätigen VN-Agenturen speist, seit Jahren abfällt, steigen die starren, aufgrund geographischer und thematischer Zweckbindung (earmarking) eher bilateralen Funktionslogiken gehorchenden Beiträge exponentiell. Das Gleichgewicht zwischen den beiden Finanzierungsarten erscheint damit gestört, was erhebliches systemisches Sprengpotential birgt.
Globale Entwicklungsherausforderungen wie der Klimawandel erfordern in einer vernetzten Welt konzertierte Aktionen im Staatenverbund. Die VN-EZ bietet hierfür den geeigneten multilateralen Rahmen, da sie dank universeller Mitgliedschaft mit besonderer Legitimität ausgestattet ist, und deshalb auch die Normsetzung umfasst. Allerdings gerät die VN-EZ durch die Finanzierungspraxis unter Druck:
- Durch Zweckbindung instrumentalisieren die Geber die VN für die Abwicklung bilateraler Wunschprojekte, und können sich so nach außen mit der bekannten VN-„Marke“ schmücken, ohne sich gleichzeitig mittels Kernbeiträgen an den Kosten des multilateralen Mandats direkt zu beteiligen.
- Dass viele VN-Agenturen im Wettbewerb um Zuwendungen zulasten der Attraktivität von Kernbeiträgen den Gebern finanzielle Anreize für einen Ausbau ihrer „bilateralen“ Portfolios bieten, verschärft die Problematik zusätzlich.
Eine vollständige „Bilateralisierung“ erscheint so als drohendes, aber durchaus vorstellbares Zukunftsszenario, sollten die bisherigen Entwicklungstrends in einer Abwärtsspirale schwindender Kernbeiträge münden.
Vor diesem Hintergrund scheint eine Trendwende dringend notwendig. Auf der Ebene individueller Geber bestehen allerdings kaum Anreize für grundlegende Änderungen. Eine kollektive Verpflichtung der Geber auf einen Kodex förderlichen Geberverhaltens (good donorship) könnte dieses Trittbrettfahrer-Problem lösen. Dessen drei zentrale Inhalte sollten sein:
- Einigung auf eine „kritische Masse“ an Kernfinanzierungsbeiträgen unter Berücksichtigung der jeweiligen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit,
- Systemweite Verpflichtung auf kostendeckende Verwaltungskosten bei Zweckbindung sowie Standards für die Kostenklassifizierung und die Finanzberichterstattung an das Sekretariat zwecks Überwachung,
- Finanzzusagen für 3–5 Jahre anstelle des jährlichen Stop and Go bei der Unterstützung langfristiger Entwicklungsprozesse.
Einen solchen Kodex zu verhandeln, sollte eine der ersten Aufgaben der neu gegründeten globalen Entwicklungspartnerschaft sein, in deren Lenkungsausschuss neben den traditionellen Gebern auch die aufstrebenden Mächte und die VN-Agenturen vertreten sind.
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