Analysen und Stellungnahmen

Der Brexit: Auswirkungen, Risiken und Chancen für die Europäische Entwicklungspolitik

Henökl, Thomas
Analysen und Stellungnahmen (4/2017)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)

Engl. Ausg. u.d.T.:
Brexit: impact, risks and opportunities for European development policy
(Briefing Paper 8/2017)

Vor Mitarbeiter/innen des Entwicklungsministeriums bekräftigte Premierministerin May am 27. März, dass ihr Land sich nicht vor seiner internationalen Verantwortung drücken wolle. Was genau dies für die britische Kooperation mit Entwicklungsländern und die europäische Entwicklungszusammenarbeit (EZ) bedeutet, ist bisher jedoch offen. Auch das von der Britischen Regierung im Februar vorgelegte Brexit-Weißbuch hatte hierzu wenig Klarheit geschaffen. Nachdem am 29. März das britische Austrittsgesuch an den Europäischen Rat übergeben und damit offiziell die Verhandlungen gemäß Artikel 50 TEU eingeleitet wurden, diskutiert dieses Papier mögliche Konsequenzen des Brexit für die britische und europäische Kooperation mit Entwicklungsländern. Zentrale Empfehlung ist, die Entwicklungspolitik soweit möglich von den trade-offs des Verhandlungspokers abzuschirmen und gemeinsame Ziele außer Streit zu stellen.
Konkret steht die EU-EZ vor folgenden Herausforderungen: Einhaltung bestehender rechtlicher Verpflichtungen, Schließung von Budgetlücken und Sicherung der business continuity sowie die längerfristige Neuausrichtung der EU-Entwicklungspolitik nach dem Austritt. Ebenso stellt sich das Problem der Rechtssicherheit internationaler Verträge und gemischter Abkommen, bei denen sowohl die EU als auch die Mitgliedsstaaten Partner sind, etwa Handelsverträge und Mitgliedschaften in internationalen Organisationen. Hinzu kommen Fragen der globalen Entwicklungsfinanzierung und der Vertretung in multilateralen Foren und Verhandlungsprozessen. Vor dem Hintergrund der zum jetzigen Zeitpunkt bekannten Positionen behandelt dieses Papier drei Themenbereiche:

  1. Der Brexit verringert den Einfluss und die Gestaltungsmacht beider Seiten, sowohl Großbritanniens (GB) als auch der EU. Derzeit dominieren Sicherheits-, Migrations- und vor allem Handelsfragen die außenpolitische Brexit-Debatte. Form und Bedingungen einer weiteren Einbindung Großbritanniens in die EU-Kooperation müssen erst definiert werden. Die EU-GB-Zusammenarbeit wird unstrukturierter, unvorhersehbarer und stärker von nationalen Interessen geleitet werden. Aus der Schwächung von Europas Ansehen, EZ-Kapazität und Wirtschaftskraft resultiert eine Reihe von negativen Wechsel¬wirkungen für die internationale Kooperation und multilaterale Prozesse.
  2. Die Entwicklungsagenda spielt in den Brexit-Verhandlungen und in der britischen Politik klar eine untergeordnete Rolle und läuft Gefahr, als Verhandlungsmasse instrumentalisiert zu werden. Das Erstarken der politischen Kräfte, die in Großbritannien mit dem Referendum die Oberhand gewonnen haben und ihr Mandat durch die Neuwahlen am 8. Juni bestätigt sehen dürften, lässt befürchten, dass es zu einer weiteren Verminderung des Stellenwerts der EZ in der britischen Politik kommen könnte.
  3. Der Brexit schlägt auch auf den Handel mit Entwicklungsländern durch und führt zu mehr Unsicherheit und Schwierigkeiten. Die Situation birgt freilich auch Chancen zur Verbesserung der existierenden Handels- und Partnerschaftsabkommen. Der Brexit sollte zum Anlass genommen werden, Reformen zur Steigerung der Kohärenz der EU-Handels- und Entwicklungspolitik sowie anderer Politikbereiche einzuleiten. Eine effektivere Zusammenarbeit auf EU-Ebene könnte den Verlust Großbritanniens zum Teil kompensieren.

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