Die aktuelle Kolumne
Wird die BRICS-Bank die globale Finanzarchitektur ändern?
Reisen, HelmutDie aktuelle Kolumne (2014)
Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne, 28.07.2014)
Bonn, Berlin, 28.07.2014. Auf dem 6. BRICS-Gipfel wurde die neue BRICS-Bank aus der Taufe gehoben. Kann deren Gründung das <link https: www.die-gdi.de die-aktuelle-kolumne article noch-eine-entwicklungsbank-die-brics-bank>Kräfteverhältnis bei den multilateralen Entwicklungsbanken zugunsten der großen Schwellenländer beeinflussen – weg von einer seit dem Zweiten Weltkrieg bestehenden Dominanz der westlichen Industriestaaten?
Die Unwucht
Die Neuvermessung der Weltwirtschaft, deren Schwerpunkt sich seit Ende des letzten Jahrhunderts besonders rapide in Richtung Ostasien verschoben hat, ist immer noch nicht in den Exekutivräten der multilateralen Entwicklungsbanken abgebildet. Bei der Weltbank verfügen die fünf BRICS über 13vH der Stimmrechte, obwohl sie 46vH der Weltbevölkerung und knapp 20 % des Welteinkommens abbilden. Dagegen verfügen die G7-Länder über gut 41 % der Stimmrechte. Die westlichen Industriestaaten haben ihre Versprechen für mehr Stimme und Repräsentanz der Anderen in der globalen Entwicklungsfinanzarchitektur nicht erfüllt. Damit wurde den großen Schwellenländern auch der Anreiz genommen, mehr Verantwortung für die Weltwirtschaft und für die Herstellung globaler öffentlicher Güter zu übernehmen.
Die Asiatische Entwicklungsbank (ADB), fest in den Händen Japans und den USA mit jeweils knapp 16vH der Stimmrechte, ist ein besonders krasser Fall. ADB-Mitglieder aus den OECD-Staaten halten 64,6vH des Kapitals und 58,5vH aller Stimmrechte. China und Indien – die anderen drei BRICS sind keine ADB-Mitglieder – kommen zusammen nur auf knapp 11vH der Stimmrechte. China, dessen Bruttoinlandsprodukt (BIP) seit 2010 Japan überflügelt, kommt auf 5,5vH der Stimmrechte, Indien auf 5.4vH. Eine direkte Folge der verzerrten Repräsentanz bei der ADB ist der Kapitalmangel und das geminderte Kreditvergabepotenzial. China könnte rasch Abhilfe schaffen, aber da der alternde Geber Japan und die USA Chinas und Indiens Anteil begrenzen, haben sie einen wichtigen Anreiz zur Bildung der BRICS-Bank gegeben.
Finanzierungslücke und -potenzial
Die zukünftige Nachfrage nach vergünstigten Krediten der <link https: www.die-gdi.de die-aktuelle-kolumne article die-renaissance-der-entwicklungsbanken>neuen BRICS-Bank und deren Kreditvergabepotenzial werden über den Verlust an Geschäft und politischem Einfluss zu Lasten der bestehenden Entwicklungsbanken entscheiden. Die Lücke an langfristiger Finanzierung für Infrastruktur ist gewaltig. Der derzeitige jährliche Aufwand für Infrastruktur in Entwicklungs- und Schwellenländern wird von Stephany Griffith-Jones in einem <link http: unctad.org en publicationslibrary osgdp20141_en.pdf>UNCTAD Discussion Paper auf knapp 0,9 Billionen USD geschätzt; dazu tragen die multilateralen Entwicklungsbanken nur 40-60 Milliarden USD bei. Die Schätzungen des jährlichen Finanzierungsbedarfs in Staaten außerhalb der OECD belaufen sich dagegen auf 1,8 bis 2,3 Billionen USD. Die Finanzierungslücke beträgt also mehr als eine Billion USD pro Jahr.
China – anders als die übrigen BRICS-Länder – hat die Reserven, diese Finanzierungslücke zu schließen. Oft wird die Asymmetrie der Finanzkraft der fünf BRICS-Staaten heruntergespielt. Sie ist jedoch zentral für das zukünftige Kreditvergabepotenzial der neuen BRICS-Bank. Diese hat ein Startkapital von 50 Milliarden USD, für das jedes der fünf Gründungsstaaten ein Fünftel aufbringt. Zehn Milliarden USD sind für die Chinesen wenig, für Südafrika entsprechen sie aber 2,5 % des BIP und 9 % der öffentlichen Einnahmen. Allerdings sind nur zwei Milliarden pro Staat sofort einzubringen, der Rest kommt als Einlagegarantie; außerdem können sich andere Staaten bis zu 45vH am Startkapital beteiligen. Man muss aber festhalten, dass die Finanzkraft der neuen BRICS-Bank durch die Vorgabe der gleichberechtigen Stimmanteile der fünf Gründerstaaten deutlich gedeckelt wird. Somit wird auch der geopolitische Einfluss der neuen BRICS-Bank begrenzt. Das mag auch erklären, warum China eine weitere Entwicklungsbank auf den Weg bringen wird, die Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB), die mit einem geplanten Startkapital von 100 Milliarden USD den doppelten Umfang der BRICS-Bank haben dürfte.
Änderung der Machtverhältnisse?
Eine neue Entwicklungsbank muss sorgfältig ihre Reputation aufbauen, um ihre Refinanzierungskosten niedrig zu halten und zahlungskräftige Finanzierungspartner zu finden. Dazu braucht es zahlungsfähige und -willige Kreditnehmer und geringe Zahlungsausfälle. Ein guter Ruf lässt sich durch weise Konzentration auf tragfähige Projektfinanzierung im Bereich der Infrastruktur besonders rasch erreichen; hier liegt der komparative Erfahrungsvorteil der BRICS. Legt man die Werte der lateinamerikanischen CAF zugrunde, dann kann die neue BRCS-Bank einen Kredithebel von 2,4 auf ihr Eigenkapital erzielen. Dieses kann bei gutem Ruf in den kommenden 20 Jahren auf 100 Milliarden anwachsen, die jährlichen Ausleihen auf gut 30 Milliarden. Das entspräche etwa der Hälfte der gegenwärtigen Kredite der etablierten Entwicklungsbanken. Bereits ohne Berücksichtigung der AIIB dürfte der multilaterale Entwicklungskredit der Zukunft zu mindestens einem Drittel nicht mehr von den etablierten Multilateralen stammen. Das wird auch die Global Governance beeinflussen.
Helmut Reisen arbeitet bei <link http: www.shiftingwealth.com>ShiftingWealth Consult.