Die aktuelle Kolumne

Global Gateway

Wie Global Gateway die EU Entwicklungspolitik stärken kann - statt diese zu ersetzen

Koch, Svea / Niels Keijzer / Mark Furness
Die aktuelle Kolumne (2023)

Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS), (Die aktuelle Kolumne vom 28.02.2023)

Bonn, 28. Februar 2023. Mehr als ein Jahr nach ihrer Einführung nimmt Europas neue globale Konnektivitätsstrategie allmählich Gestalt an. Im September 2021 kündigte die von Ursula von der Leyen geführte EU-Kommission die Initiative „Global Gateway“ an, die ihren Ehrgeiz widerspiegelt, eine "geopolitische Kommission" in  „einer neuen Ära verstärkter Konkurrenz“ anzuführen. Nach vielen Spekulationen über den konkreten Fokus der Initiative und Fragen zu ihrer stockenden Umsetzung ist nun eine Liste von 70 Leuchtturmprojekten von Global Gateway im Umlauf.  Das potenzielle Ausmaß von Global Gateway und seine explizite geopolitische Ausrichtung lassen vermuten, dass es die Entwicklungspolitik massiv verändern wird, und es ist an der Zeit diesen entwicklungspolitischen Auswirkungen ernsthafte Aufmerksamkeit zu schenken.

Mit Global Gateway will die EU eine „verlässliche Marke weltweit“ schaffen und im Vergleich zu Initiativen anderer Partner, insbesondere der chinesischen „Belt and Road“-Initiative, für mehr Sichtbarkeit und Anerkennung der eigenen Beiträge zur globalen Entwicklung sorgen. Global Gateway sieht daher umfangreiche Investitionen in die Infrastrukturentwicklung in fünf Bereichen vor: Digitalisierung, Klima und Energie, Verkehr, Gesundheit sowie Bildung und Forschung.

Die Generaldirektion (GD) Internationale Partnerschaften der Kommission (GD INTPA) (früher Generaldirektion Internationale Zusammenarbeit und Entwicklung (GD DEVCO)) ist maßgeblich für die Umsetzung von Global Gateway verantwortlich. Die Initiative sieht bis 2027 Investitionen in die globale Infrastruktur in Höhe von 300 Mrd. EUR vor, die auch aus dem Entwicklungshilfebudget der EU kommen werden. Bislang standen jedoch eher die geopolitischen Ambitionen im Vordergrund als die Auswirkungen auf bestehende Entwicklungsziele und -initiativen.

Ist die Entwicklungspolitik der EU in Gefahr?

Es gibt mehrere kritische Punkte, die bislang nicht genügend berücksichtigt wurden. Der erste ist die Gefahr eines Reputationsschadens, wenn die EU ihre ambitionierten Versprechen nicht einhalten kann. Die für Global Gateway anvisierten 300 Mrd. EUR werden nur mithilfe von ausreichend privaten Investitionen zu stemmen sein. Bislang war die EU allerdings nicht sonderlich erfolgreich bei der Mobilisierung von privatem Kapital für Investitionen außerhalb Europas. Zudem ist unklar, inwieweit die Mitgliedstaaten Global Gateway mit öffentlichen Mitteln unterstützen werden und in welchem Umfang sich der Privatsektor an der Initiative beteiligen wird. Seine Beteiligung hängt vom Risiko-Ertrags-Verhältnis ab, das sich mitunter nur schwer mit den etablierten Grundsätzen der Entwicklungszusammenarbeit vereinbaren lässt.

Ein zweiter kritischer Punkt ist das von Kritiker*innen vorgebrachte Argument vom „alten Wein in neuen Schläuchen“, wonach viele Vorzeigeprojekte von Global Gateway ohnehin bereits in Planung seien oder sich sogar in der Umsetzung befänden. Obgleich diese Kritik ihre Berechtigung hat, sollte jetzt vor allem die nächste Phase von Global Gateway in den Blick genommen werden. Die anstehende Überprüfung des EU-Haushalts im Laufe dieses Jahres könnte zusätzliche Mittel für neue Projekte freisetzen. Der „neue Wein“ darf nicht einfach bestehende Kooperationsprogramme durch Investitionen ersetzen. Das gilt sowohl in Bezug auf die Fokusbereiche als auch in Bezug auf die Mittelzuweisungen.

Die Sichtbarkeitskampagne von Global Gateway stellt ein drittes Risiko dar. Dadurch, dass Investitionen in Global Gateway zur europäischen "Marke" für Entwicklung werden, werden andere Investitionen, die nicht mit Infrastruktur zu tun haben, aber die SDGs im weiteren Sinne unterstützen, zwangsläufig weniger sichtbar. Beispiele hierfür sind das Engagement der EU in von Konflikten betroffenen Staaten, Investitionen in soziale Sicherheit und menschliche Entwicklung, die Bekämpfung von Ungleichheit sowie die Unterstützung von Governance und Zivilgesellschaft. Diese Schwerpunktbereiche sind das „menschliche Gesicht“ der EU-Entwicklungspolitik und gleichzeitig ihre größten Stärken. Ein viertes, eng damit verknüpftes Risiko besteht in den potenziellen Zielkonflikten zwischen Global Gateway und entwicklungspolitischen Zielen. So steht eine Unterstützung autoritärer Regime mit großen Infrastrukturprojekten offensichtlich im Widerspruch zum wertebasierten Ansatz der EU-Entwicklungspolitik und ihrer Programme zur Förderung der Demokratie.

Global Gateway ist eine sinnvolle Initiative, die politisch genau zum richtigen Zeitpunkt kommt. Dennoch ist es wichtig, dass die  EU klärt, welchen Beitrag die Initiative zur Entwicklungspolitik leisten soll. Ungeachtet der sonstigen Herausforderungen im globalen Entwicklungsbereich werden Investitionen der EU in den Bau von Straßen, Brücken, Häfen, Kraftwerken, Internetkabeln und anderen sichtbaren Infrastrukturprojekten nicht per se zu einer integrativen Entwicklung führen. Solche Investitionen müssen gut in andere Formen der Zusammenarbeit eingebettet sein, die auf integrative Gesellschaften, anpassungsfähige und rechenschaftspflichtige Institutionen und eine faire Politik abzielen, die eine nachhaltige Entwicklung fördern, statt dieser im Weg zu stehen. Es richtig, dass die EU ihre geopolitischen Ambitionen mit Global Gateway erhöht, mit dem Ausblick  so potenzielle neue Freunde und mehr Einfluss zu gewinnen. Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben sich jedoch verpflichtet, zu den Zielen für eine nachhaltige Entwicklung beizutragen, die diese Infrastrukturinvestitionen untermauern können, und dies sollte auch weiterhin das Hauptaugenmerk Europas sein.

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