Die aktuelle Kolumne
Die Bundestagswahl 2025
Wen schert die Entwicklungspolitik? Die Wähler*innen!
Leininger, Julia / Martin-Shields, CharlesDie aktuelle Kolumne (2025)
Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS), Die aktuelle Kolumne vom 18.02.2025
Bonn, 19. Februar 2025. Die Regierung Trump hat beschlossen, USAID vollständig abzuwickeln, und schlägt auch die meisten übrigen entwicklungspolitischen Verpflichtungen der USA in den Wind. Das stellt uns vor die Frage: Ist es das, was die Wähler*innen wollen und ist Entwicklungspolitik ihr Geld wert? Das ist auch eine Frage, die über die USA hinaus an Bedeutung gewinnt. So debattieren bereits auch mögliche Koalitionspartner vor den Bundestagswahlen am 23. Februar die Rolle von Entwicklungszusammenarbeit. Viele deutsche Beobachter*innen, die den Umbruch in den USA kommentieren, übersehen dabei einen wichtigen Faktor: Die Wähler*innen, die Politik legitimieren, sprechen sich mehrheitlich für Entwicklungszusammenarbeit aus.
Dies zeigen Umfragen, die seit 2019 in den USA durchgeführt wurden. So ergab eine Pew-Befragung zur allgemeinen Entwicklungszusammenarbeit 2019, dass 68 % der Wähler*innen die Ausgaben für Entwicklungshilfe auf dem aktuellen Niveau beibehalten oder erhöhen würden. Einer Umfrage von Better World Campaign aus dem Jahr 2022 zufolge heißen es 62 % der Amerikaner*innen gut, dass ihr Land die Vereinten Nationen unterstützt. Der Zuspruch variiert zwar je nach parteipolitischem Lager, doch im Großen und Ganzen bewerten die Wähler*innen anhaltende Investitionen in die Entwicklungszusammenarbeit und internationale Organisationen positiv.
In Deutschland zeigt eine Umfrage, die das Deutsche Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit 2024 durchführte, ein ähnliches, wenn auch nuancierteres Bild: 19 % der Befragten sind stabile Unterstützer*innen der Entwicklungszusammenarbeit, 18 % entschiedene Gegner*innen. Zwischen diesen beiden Polen sprechen sich 63 % „moderat“ für die Entwicklungszusammenarbeit aus. Diese moderat positive Momentaufnahme darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zahl derer, die gleichbleibende oder höhere Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit befürworten, seit 2022 von 68 % auf 47 % gefallen ist. Verstärkt wurde die Skepsis gegenüber einer Mittelerhöhung durch die umfassende, teilweise faktisch falsche Kritik, mit der das Thema 2024 vor allem seitens rechtsgerichteter Gruppen und Parteien öffentlich debattiert wurde.
Die Tatsache, dass es an stabiler Unterstützung mangelt, fördert die Entstehung negativer politischer Narrative über Entwicklungspolitik. Für die meisten Amerikaner*innen sind die Folgen der USAID-Zerschlagung in ihrem Alltag wenig transparent. Vor diesem Hintergrund profitiert Elon Musk mit seinem rechtswidrigen Vorgehen davon, dass sich die positive öffentliche Meinung vieler Wähler*innen auf das diffuse Gefühl stützt, Entwicklungszusammenarbeit sei „irgendwie richtig“. Ändern lässt sich dies, indem man Entwicklungspolitik für Wähler*innen greifbar macht. Beispielsweise finanzierte und betrieb USAID die Pandemie-Frühwarnsysteme, die 2014 die ersten Ebola-Fälle erkannten. Ohne diese Systeme werden sich Pandemien künftig schneller ausbreiten – auch in die USA. Die USA verspielen ihr Ansehen als internationaler Player, der zum globalen Gemeinwohl beiträgt. Damit bricht den USA auch eine wesentliche Säule ihrer „Soft Power“ weg, was sicherlich nicht in ihrem nationalen Interesse ist. Vor allem China steht bereit, die Entwicklungs- und Investitionslücken zu schließen, die die USAID-Abschaffung hinterlassen würde und bereits hinterlässt. Die Alltagsferne von Entwicklungszusammenarbeit sowie Desinformationskampagnen erschweren es, die Öffentlichkeit gegen Musks Zerschlagungspläne zu mobilisieren.
Effektive politische Kommunikation über den Zweck, die strategischen Ziele, aber auch die Schwächen von Entwicklungspolitik ist für Wähler*innen wichtig. Sie müssen Antworten auf Fragen wie diese erhalten: Was hat Entwicklungspolitik mit mir zu tun? Wie viel Solidarität kann und muss sich Deutschland leisten? Was sind die Aufgaben von Entwicklungspolitik, auch in einer nationalen Sicherheitsstrategie? Politische Entscheidungsträger können die immer noch hohen, wenn auch instabilen Zustimmungswerte in Deutschland nutzen um konstruktiv Antworten auf diese Fragen zu vermitteln.
Bei der Kommunikation der Entwicklungszusammenarbeit kommt es auf die Art und Weise mindestens ebenso sehr an wie auf den Inhalt. Debatten über Entwicklungspolitik sind oft polarisierend und spaltend. Umso wichtiger ist das Framing. Desinformation und die ständige Wiederholung derselben negativen Erzählungen verstetigen Missverständnisse. Ein recht aktuelles Beispiel aus Deutschland ist die Debatte über den Ausbau von Transportinfrastruktur in einem Andenland, bei der die Verwendung von Geldern mutwillig falsch dargestellt wurde. Um gegen solche böswillig verzerrten Narrative vorzugehen, sind neue, zukunftsorientierte Narrative vonnöten. Dazu sollte auch begründete und reflektierte Kritik gehören.
Schlussendlich sind Fakten zwar die Voraussetzung für den Kampf gegen Desinformation, aber sie müssen auch in ein wertebasiertes Deutungsmuster eingebettet sein. Ein gutes Beispiel für diesen Ansatz ist der Kommentar „The Heartless Upheaval of American Foreign Aid“ (Der erbarmungslose Umbruch der amerikanischen Auslandshilfe) von Tom Carothers. In polarisierten Debatten unterstützen Menschen die „Wahrheit“, die am ehesten ihren eigenen Werten und Überzeugungen entspricht. Erfolgreiches politisches Framing muss die Menschen daher auch emotional überzeugen. Momentan beruht der Zuspruch der Wähler*innen zur Entwicklungspolitik auf abstrakten Vorstellungen, die sich durch spalterische Desinformation leicht unterminieren lassen. Doch wenn Wähler*innen bewusst wird, dass eine entwicklungspolitische Investition auch eine Investition in ihre eigene Gemeinschaft ist, wird der Zuspruch anhalten.