Die aktuelle Kolumne
Weltmeisterschaft 2010: warum die Südafrikaner den Pokal kriegen sollten
von Drachenfels, ChristianDie aktuelle Kolumne (2010)
Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 21.06.2010)
Bonn, 21.06.2010. Zugegeben, die Chancen der südafrikanischen Nationalmannschaft auf den Gewinn des Fußball-Weltmeistertitels waren von Beginn an gering. Dennoch werden auch die Südafrikaner nach dem Finale jubeln können.
Schon jetzt lässt sich sagen, dass sie es geschafft haben das Mega-Event zum Erfolg werden zu lassen: Bilder der modernen Stadien sowie der dynamischen Städte Kapstadt, Durban und Johannesburg gehen um die Welt. Zudem vermittelt die fußballbegeisterte Bevölkerung Euphorie und Lebensfreude. All dies lässt das Land in einem positiven Licht erstrahlen – ein Effekt, der beabsichtigt war.
Nie zuvor wurden so viele Erwartungen – jenseits der rein sportlichen – in eine Weltmeisterschaft gesetzt. Eine Art „Entwicklungs-Doppelpack“ wurde in Aussicht gestellt: Zum einen sollte sich Südafrika weiter entwickeln, indem es von den Investitionen und den Touristen profitiert, die von der Weltmeisterschaft angelockt wurden. Zum anderen sollte sich die Wahrnehmung der restlichen Welt verändern. Ein neues Bild von Afrika sollte entstehen, jenseits von Armut, Hunger, Seuchen und Gewalt. In der Tat scheint es in diesen Tagen zu diesem viel beschworenen Imagewandel zu kommen. Verfolgt man die Berichte der Wirtschaftspresse über die Entstehung afrikanischer Großunternehmen und das Marktpotential vieler Länder, so wird Afrika inzwischen auch als ein Kontinent der Möglichkeiten gesehen. Doch trotz der Bilder, die momentan um die Welt gehen, Bilder eines in vielen Lebensbereichen modernen und dynamischen Südafrikas, darf keinesfalls vergessen werden, dass es in vielen Ländern Afrikas noch immer bitterste Armut, Hunger, eine miserable Gesundheitsversorgung und die gewaltsame Austragung von Konflikten gibt.
Südafrika selbst hat sich seit dem Ende der Apartheid stets zum Kontinent bekannt, sich stark in der Afrikanischen Union engagiert und sich in Erklärungen immer wieder auf eine Stufe mit den anderen afrikanischen Ländern gestellt. Tatsächlich spielt Südafrika jedoch in einer anderen Liga. Die sozio-ökonomische Entwicklung ist wesentlich weiter fortgeschritten als auf dem übrigen Kontinent. Dies ist allein daraus ersichtlich, dass es in keinem anderen afrikanischen Land möglich wäre, eine derartige Großveranstaltung auszurichten. Gerade deshalb gebührt Südafrika Respekt: Es hat im Rahmen der Weltmeisterschaft die Rolle des Botschafters für den gesamten Kontinent angenommen und diese beeindruckend ausgefüllt, beispielsweise als Erzbischof Desmond Tutu alle Gäste der Weltmeisterschaft zu Afrikanern erklärte, da Afrika schließlich die Wiege der Menschheit sei.
Jenseits dieser Botschafterrolle Südafrikas bleibt die Frage nach den Auswirkungen der Weltmeisterschaft auf das Gastgeberland selbst. Ökonomisch gesehen sind Fußball-Weltmeisterschaften für die ausrichtenden Länder oft riskant. So sind, wie in anderen Ländern früher auch, die Ausgaben seit der Vergabe 2004 stetig gestiegen. Nach letzten Schätzungen sind es nun rund 4 Milliarden Euro, die die südafrikanische Regierung für Neubauten und Modernisierung der Stadien und Verkehrsinfrastruktur investiert hat.
Vor dem Hintergrund, dass in Südafrika die Arbeitslosigkeit 25 % beträgt, geschätzte 5,7 Millionen Menschen HIV-infiziert sind, rund 20 % der Bevölkerung keinen Stromanschluss und 30 % keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen haben, ist eine kritische Diskussion der Vor- und Nachteile der Weltmeisterschaft angebracht. Es gibt ernstzunehmende Kritikpunkte: Die Korruptionsskandale bei einigen Stadionbauten und die auf Druck der FIFA erfolgte Verbannung von Kleinunternehmern aus Gebieten rund um Stadien und Fanzonen. Ländliche Gebiete profitieren zudem kaum von den Investitionen rund um die Weltmeisterschaft, und in Südafrikas Städten braucht es komplexe Maßnahmen zur Modernisierung jenseits der Zentren. Maßnahmen, die unter hohem Zeitdruck und teilweise ohne ausreichende Konsultationen der Bevölkerung ergriffen wurden, erwiesen sich nicht immer als optimal.
Gute Entwicklungen sind jedoch ebenso unübersehbar. Trotz aller Bedenken und Kritik an Politik und Verwaltung hat Südafrika seine Leistungsfähigkeit demonstriert und gleichzeitig ein positives Signal an ausländische Investoren gesendet. Außerdem stärken die zusätzlichen Besucher die Tourismusbranche in der eigentlich schwachen Wintersaison. Durch ihre Berichte kann die Attraktivität des Reiseziels Südafrika erheblich zunehmen. Selbst den Korruptionsfällen und anderen Negativmeldungen kann etwas Positives abgewonnen werden: Die südafrikanische Zivilgesellschaft und die Medien decken die Skandale auf, kritisieren präzise und scharf und nehmen damit Politik, Verwaltung und Wirtschaft in die Verantwortung.
Besonders spannend werden jedoch die nächsten Jahre, in denen sich zeigen wird, ob die Hoffnungen, welche die arme Bevölkerung an die Ausrichtung der Weltmeisterschaft geknüpft hat, erfüllt werden. Das Land wird noch viel Zeit brauchen um die extremen Einkommensunterschiede zu verringern und den Lebensstandard im ganzen Land zu heben. Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, erfordert es einen aktiven Zusammenhalt in der Gesellschaft, Geduld und konstruktives Vorgehen aller Akteure. Es bleibt zu hoffen, dass in den kommenden Jahren all dies in Südafrika vorhanden sein wird. Für den Moment aber gebührt den Südafrikanern ein Pokal, allein für die Tatsache, dass die Weltmeisterschaft entgegen aller Befürchtungen läuft und der Ball rollt.