Die aktuelle Kolumne
Ein „Türöffner für Masseneinwanderung“?
Was der Globale Migrationspakt wirklich bedeutet
Schraven, Benjamin / Eva DickDie aktuelle Kolumne (2018)
Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 23.07.2018)
Bonn, 23.07.2018. Vor gut einer Woche haben sich die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen (VN) auf einen „Globalen Pakt für sichere, reguläre und geordnete Migration“ geeinigt. Das wirkt in Zeiten der Abschottungspolitik von Seehofer, Salvini, Trump und Co. beinahe wie ein kleines Wunder. Befürworter des Abkommens wie UN-Generalsekretär António Guterres reden in diesem Zusammenhang schon von einer wahrhaft historischen Vereinbarung. AfD und rechtspopulistische Medien wollen dagegen im globalen Migrationspakt ein Instrument identifiziert haben, das der <link https: www.epochtimes.de politik welt globaler-migrationspakt-bis-zu-300-millionen-afrikanern-soll-einwanderung-nach-europa-erlaubt-werden-a2494308.html>(hundert-)millionenfachen Einwanderung aus Afrika nach Europa Tür und Tor öffnet. Die USA haben ihre Beteiligung an den Verhandlungen bereits <link https: www.zeit.de politik ausland vereinte-nationen-nikki-haley-fluechtlinge-usa>im Vorfeld aufgekündigt und auch Ungarn hat nun angekündigt, aus dem Pakt auszusteigen. Was also verbirgt sich genau hinter diesem globalen Abkommen, und was können wir uns davon erhoffen?
Ausgangspunkt des Migrationspaktes – wie auch des Globalen Flüchtlingspaktes, der derzeit noch verhandelt wird – war ein Gipfeltreffen zu Flucht und Migration unter dem Dach der VN im September 2016, zu dem noch Barack Obama eingeladen hatte. Im Gegensatz zur Flüchtlingspolitik, wo es konkrete globale Schutzvereinbarungen und das für ihre Einhaltung zuständige UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR gibt, existiert kein vergleichbares Regelwerk für Migration und auch keine Welt- oder UN-Migrationsorganisation. Entgegen eines weit verbreitenden Missverständnisses kommt der Internationalen Organisation für Migration (IOM) <link die-aktuelle-kolumne article trump-und-die-internationale-migration-ist-die-iom-noch-zu-retten>diese Rolle eben nicht zu. Sie ist vielmehr Dienstleisterin ihrer Mitgliedsstaaten für Migrationsmanagement, -beratung und Rückführung. Ein (verbindliches) Abkommen zum Schutz von Migrantinnen und Migranten vor Menschenrechtsverletzungen oder Ausbeutung gibt es bis dato ebenfalls nicht.
Der globale Migrationspakt, der im Kern aus 23 Zielen besteht, versucht, diese Lücke in gewisser Weise zu schließen. Der Vertragstext legt einen starken Fokus auf den Schutz, die Rechte und bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen von Migrantinnen und Migranten und ihren Familien. Der Kampf gegen Arbeitsausbeutung, Menschenhandel und Diskriminierung sowie auch die Ausweitung der Möglichkeiten zur regulären Migration stellen wichtige Elemente des Paktes dar. Hier konnten sich insbesondere zivilgesellschaftliche Organisationen beim Verhandlungsprozess durchsetzen. Des Weiteren fordert der Pakt eine bessere Datenlage zu internationalen Migrationsprozessen, spricht sich für die Bekämpfung ökonomischer, umweltbezogener und politischer Fluchtursachen aus und betont das Ziel eines „ganzheitlichen, sicheren und koordinierten Grenzschutzes“.
Wichtig ist aber vor allem die Botschaft, die dieses Abkommen ausstrahlt: Der Globale Migrationspakt ist sicherlich kein Türöffner für ungebremste Masseneinwanderung nach Europa oder dergleichen. Er ist vielmehr ein nüchternes Bekenntnis zu dem, was Migration eigentlich ist. Nämlich eine globale Realität, die sich nicht einfach durch Grenzschließungen oder ein paar Milliarden Euro mehr an Entwicklungshilfe unterbinden lässt. Zudem zeigt der Pakt auf, was Migration eigentlich sein kann, nämlich eine, wie es im Text des Paktes heißt, „Quelle globalen Wohlstands, Innovation und nachhaltiger Entwicklung“. Die <link die-aktuelle-kolumne article ist-migration-die-bessere-entwicklungshilfe>seit Jahren steigenden Rücküberweisungen sind nur ein Bespiel hierfür.
Der Migrationspakt ist allerdings nicht verbindlich und zunächst nur eine Absichtserklärung. Eine zentrale Voraussetzung für mehr „sichere, reguläre und geordnete Migration“ – wie es die UN-Nachhaltigsziele vorsehen – ist daher der Wille zu einer besseren politischen Gestaltung von Migration und die Ziele des Paktes zu verwirklichen. Die gute Nachricht ist, dass viele Länder bei der Umsetzung sicherlich voranschreiten werden. So dürften Herkunfts-, Transit- und Zuwanderungsländer des globalen Südens wie Mexiko, Marokko oder Bangladesch ein starkes Interesse an einer besseren migrationspolitischen Zusammenarbeit haben. Denn in Europa sollten wir bei allen schrillen Diskussionen um Transitzentren oder (verweigerter) Flüchtlingsaufnahme nicht vergessen: Ein Großteil der internationalen Migrationsbewegungen findet innerhalb der Regionen des globalen Südens statt. Die Migration von Afrika in Richtung Europa etwa stellt nur einen kleinen Teil der gesamten afrikanischen Migrationsprozesse dar. Zwei Drittel der afrikanischen Migranten leben hingehen in anderen afrikanischen Ländern.
Damit die Umsetzung des Paktes – auch gegen mächtige Gegenstimmen – gelingen kann, sind noch weitere Dinge zwingend notwendig. So ist eine Aufwertung der IOM oder die Schaffung einer VN-Migrationssekretariats mit einer politisch-programmatischen (und nicht nur koordinierenden) Funktion, dringend erforderlich. Denn die internationale Migrationspolitik muss mit der Entwicklungs-, Klima- oder Umweltpolitik, die Migrationsbewegungen ebenso beeinflussen kann, viel stärker verzahnt werden. Auch Regionalorganisationen, die eine wichtige Rolle bei der <link analysen-und-stellungnahmen article regionale-migrationsgovernance-impulse-fuer-eine-nachhaltige-internationale-migrationsarchitektur>Regelung regionaler Migrationssysteme erfüllen, müssen in der globalen Migrationsarchitektur gestärkt werden. Dies gilt zu guter Letzt auch für Städte und Kommunen. Denn insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern sind sie zentrale Orte und Akteure für die Aufnahme- und Integration von Migrantinnen und Migranten.