Gender und Klimapolitik

Warum die Gleichstellung der Geschlechter für den Klimaschutz entscheidend ist

Sen, Amrita / Aparajita Banerjee
Die aktuelle Kolumne (2024)

Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS), Die aktuelle Kolumne vom 03.06.2024

Bonn, 03. Juni 2024. Frauen, insbesondere in ländlichen Gebieten des globalen Südens, leiden unverhältnismäßig stärker unter den Auswirkungen des Klimawandels als Männer. Dies wird verschärft durch bestehende soziale Normen. 2024 ist ein entscheidendes Jahr für die Geschlechterfrage bei den UN-Klimaverhandlungen. Ab Juni werden die Vertragsparteien eine letzte Überprüfung des zehn Jahre alten Lima-Arbeitsprogramms vornehmen, das auf der COP 25 durch die Aufnahme des Gender-Aktionsplans (GAP) erweitert wurde. In diesem Rahmen werden die weltweiten Fortschritte beim GAP überprüft und über das weitere Vorgehen entschieden.

Derzeit nennt der Aktionsplan fünf prioritäre Bereiche für die Verbesserung geschlechtergerechter Klimamaßnahmen: Kapazitätsaufbau, Wissensmanagement und Kommunikation; Gleichgewicht zwischen den Geschlechtern, Partizipation und weibliche Führung; Kohärenz; geschlechtergerechte Umsetzung und Mittel zur Umsetzung, sowie Überwachung und Berichterstattung. Die Bemühungen des GAP zeigen spürbare Fortschritte. In 75 % der nationalen Klimabeiträge und 97 % der nationalen Anpassungspläne des Pariser Klimaabkommens wird die Geschlechterfrage erwähnt. Dennoch ist der Weg hin zu geschlechtergerechten Klimaschutzmaßnahmen noch weit. Die fünf im GAP festgelegten Schwerpunktbereiche sind schwierig umzusetzen, da in vielen Ländern noch soziopolitisch verankerte Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern bestehen. Die gesellschaftliche Gleichstellung der Geschlechter ist daher eine Voraussetzung für geschlechtergerechte Klimamaßnahmen.

Die Herausforderungen bei der Umsetzung der geschlechtsspezifischen Bestimmungen im 2006 verabschiedeten indischen Gesetz für registrierte Stammesgemeinschaften und andere traditionelle Waldbewohner*innen, kurz FRA, zeigen, warum die Bekämpfung der Geschlechterungleichheit von zentraler Bedeutung ist. FRA ist ein wegweisendes Gesetz in Indien, um den vom Wald abhängigen Gemeinschaften Landbesitzrechte und Befugnisse zur Waldbewirtschaftung zu gewähren. Es ist die erste gesetzliche Bestimmung zum Schutz der vielfältigen Gewohnheitsrechte dieser Menschen, die ihnen seit der Unabhängigkeit Indiens durch eine Reihe von Gesetzen zur Waldbewirtschaftung verweigert wurden. Zu den geschlechtergerechten Bestimmungen gehören gemeinsame Landtitel, die Anerkennung von Landansprüchen von Frauen in Einpersonenhaushalten und die Vorschrift, dass ein Drittel der Mitglieder in dezentralen Institutionen, wie Waldrechtsausschüssen, weiblich sein muss. Ein solches emanzipatorisches Mandat, das darauf abzielt, „historische Ungerechtigkeiten zu beseitigen“, ist jedoch auch nach fast zwei Jahrzehnten noch weit davon entfernt, geschlechtsspezifisch wirksam zu sein.

Der Hauptgrund dafür ist die Schwierigkeit, die soziokulturellen Zusammenhänge zu durchdringen. In Indien sind viele Frauen, oft mit indigenem Hintergrund, vom Wald abhängig - in erster Linie, um Brennholz und andere forstwirtschaftliche Erzeugnisse aus dem Wald zu beschaffen. Diesen Frauen fehlt häufig das Wissen über die geschlechtsspezifischen Bestimmungen des FRA. Die Beteiligung wird auch dadurch erschwert, dass indigene Frauen aufgrund von Rassen- und Kastenungleichheiten traditionell zu den untersten Rängen der Gesellschaft gehören. Zivilgesellschaftliche Organisationen schaffen es oft nicht, diese Bestimmungen für Frauen umzusetzen. Gender Empowerment ist ein langfristiger und kontinuierlicher Prozess, der auch soziokulturelle Normen, die geschlechtsspezifische soziale Erwartungen prägen, in Frage stellt.

Um gesellschaftlich verankerte ungleiche Geschlechternormen aufzuheben, bedarf es präziser Mechanismen und struktureller Verfahren in den Rechtsvorschriften zur Verwirklichung der Gleichstellung der Geschlechter. Auch wenn das FRA eine gewisse Form der geschlechtsspezifischen Beteiligung garantiert, erschweren traditionelle Geschlechtervorstellungen den Frauen die Beeinflussung politischer Entscheidungen. Manchmal wird die Teilnahme an Konsultationen zu einer Herausforderung, da Frauen auf dem Land oft mehrere Aufgaben erfüllen müssen. Sie sind als Pflegerinnen, Brennholzsammlerinnen und in der Wasserbeschaffung tätig und beteiligen sich an den unzähligen häuslichen Aufgaben des ländlichen Lebens ohne viele moderne Annehmlichkeiten. So bleibt ihnen nur wenig Zeit, sich an Prozessen zu beteiligen, die keine greifbaren Ergebnisse gewährleisten.

Die Lehren aus dem begrenzten Erfolg des FRA, als geschlechtsspezifische Politik signifikante Auswirkungen zu erzielen, können in eine geschlechtsspezifische Klimapolitik einfließen. Es ist von entscheidender Bedeutung, die strukturellen Hindernisse zu identifizieren und zu beseitigen, die die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern aufrechterhalten und sogar verstärken. Solche radikalen Veränderungen brauchen jedoch Zeit. Gleichzeitig müssen die Möglichkeiten von marginalisierten Menschen, Einfluss zu nehmen, verbessert und ausgeweitet werden. Eine geschlechtergerechte Klimapolitik braucht viele Veränderungen in den Bereichen Bildung, finanzielle Unabhängigkeit und den Möglichkeiten zum Erlernen von Soft Skills. Diese werden bei hochtechnokratischen politischen Lösungen oft ignoriert. Wenn jedoch die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern nicht angegangen wird, würden selbst gesetzliche Bestimmungen, die im Geiste der Transformation sind, nicht dazu führen, dass geschlechtergerechte Klimamaßnahmen wirklich umgesetzt werden.


Amrita Sen, Assistenzprofessorin, Indisches Institut für Technologie, Kharagpur (Indien)

Aparajita Banerjee, Senior Researcher, IDOS, Bonn (Deutschland)

Über die Autorin

Banerjee, Aparajita

Environmental and Resource Sociology, Public Policy

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