Die aktuelle Kolumne

Zukunftsaufgaben für die UNCCD

Von Wüstenbekämpfung zu umfassendem Boden- und Dürremanagement

Brüntrup, Michael
Die aktuelle Kolumne (2022)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Die aktuelle Kolumne vom 16.05.2022

Bonn, 16.05.2022. Vom 9. bis 20. Mai findet in der Côte d‘Ivoire die fünfzehnte Konferenz der Vertragsparteien der Konvention der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Desertifikation (UNCCD) statt. Diese Konvention mit Sekretariat in Bonn ist viel weniger bekannt als ihre beiden großen Schwestern, die Klimarahmenkonvention (UNFCCC) und die Konvention über Biologische Vielfalt (CBD). Dies liegt nicht zuletzt daran, dass der Fokus der Konvention ursprünglich auf den Trockengebieten der von Wüstenbildung schwer betroffenen Ländern, insbesondere in Afrika, lag. Manche Länder des globalen Nordens, darunter Deutschland, deklarierten sich als „nicht betroffen“ und sahen die UNCCD vornehmlich unter entwicklungspolitischer Perspektive. Trotz mehrerer Reformen war zudem die Wirkmacht der UNCCD lange sehr bescheiden.

In jüngster Zeit ist jedoch Bewegung gekommen in die UNCCD. Ein wichtiger Schritt war die Entscheidung der UN, die UNCCD zur „Hüterin“ (custodian) des UN-Nachhaltigkeitsziels (SDG) 15.3. zu machen: „Bis 2030 die Wüstenbildung bekämpfen, die geschädigten Flächen und Böden einschließlich der von Wüstenbildung, Dürre und Überschwemmungen betroffenen Flächen sanieren und eine bodendegradationsneutrale Welt anstreben“. Durch „Adoption“ dieses Unterziels von SDG 15 „Leben an Land“ war die UNCCD nicht mehr auf Wüstenbildung und Trockengebiete beschränkt und erhielt erstmals eine wirklich globale Rolle. Obwohl somit die Fokussierung auf (afrikanische) Entwicklungsländer aufgeweicht wurde, hat dieser mission drift auch ihnen genutzt, zumindest was die globale politische Aufmerksamkeit betrifft –  eine entscheidende Währung für Unterstützung.

Der nächste große Schritt für die UNCCD ist die bessere Bearbeitung von Dürren. Für die Bekämpfung von Dürren bzw. ihrer Auswirkungen, das Dürremanagement, ist Ursachenbekämpfung wie nachhaltigere Boden- und Landschaftsnutzung oder die Bekämpfung des Klimawandels notwendig, aber nicht ausreichend. Dürren sind ein Naturphänomen, sie können nur bedingt eliminiert werden. Es sind daher auf jeden Fall weitere Maßnahmen nötig. Sie umfassen Vorsorge, Vorwarnsysteme und Reaktion. Ziel muss es sein, durch proaktive Maßnahmen wie integrierte Wasserbewirtschaftung, Anbau- und Einkommensdiversifizierung oder offenen Agrarhandel die Widerstandsfähigkeit der öko-sozialen Systeme zu stärken, die Notwendigkeit von reaktiven Maßnahmen wie Katastrophenhilfe zu reduzieren und das gesamte System zu optimieren. Durch die Analyse früherer Dürren und von strukturellen Verletzlichkeiten können besondere Schwachstellen erkannt und gezielt angegangen werden. Schäden werden sich dennoch gerade bei schweren Dürren nicht vermeiden lassen, viele proaktive Maßnahmen kommen dann an ihre Grenzen. Umgekehrt werden manche getroffenen Maßnahmen beim Ausbleiben von Dürren als unnütz und kostspielig erscheinen. Das Austarieren von Kosten und Nutzen und die Beurteilung des Erfolgs von Dürrebekämpfungsstrategien ist daher sehr schwierig. Dies ist ein Dilemma aller Vorsorge-Ansätze. Zusätzlich zur Vorsorge können reaktive Maßnahmen wie Nahrungsimporte und Lagerung, Aktivierung von sozialen Sicherungssystemen oder Viehbestandsmanagement durch frühzeitige Warnungen rechtzeitig veranlasst und Kosten verringert werden. Katastrophenhilfe muss integriert werden in nachhaltigen Wiederaufbau (building back better), im Falle von Dürren gehören dazu bspw. die (Wieder-)Verbreitung von angepassten Sorten und der Aufbau lokaler Wasserinfrastruktur.

Für die UNCCD ist diese Gemengelage eine echte Herausforderung. Oft können die geeignetsten Maßnahmen nur auf lokaler Ebene erkannt, entschieden und umgesetzt werden, dazu gehören die meisten Natur-basierten Lösungen (nature-based solutions). Andere, wie handels- oder sozialpolitische Maßnahmen, können auf nationaler Ebene initiiert werden, müssen aber an lokale und zeitnah an die aktuellen Dürrebedingungen angepasst werden. Es kann kaum allgemeingültige Rezepte für Dürrestrategien geben. Die UNCCD muss sich daher darauf konzentrieren, internationale Aufmerksamkeit, integriertes Denken und Planen, allgemeine Leitlinien und lokales Lernen zu fördern. Dazu gehören:

Dürremanagement muss im Zusammenspiel mit anderen Risiken analysiert und angegangen, aber als eigenständige Aufgabe angesehen werden (nicht nur als Teil der Klimaagenda). Dürremanagement kann nur durch Koordination zwischen verschiedenen Sektoren, Ebenen und Akteuren verfolgt werden, es kann keine allein zuständige Dürre-Organisation geben. Natur-basierte Lösungen sind gerade im UNCCD-Kontext besonders naheliegend (Land!) und zu fördern. Und in der Tat brauchen gerade ärmere Entwicklungsländer, was sie schon lange fordern: mehr finanzielle Unterstützung. Dies muss innerhalb der UNCCD und seines Global Mechanism (eine Fazilität für Anschubfinanzierung) geschehen, aber auch im Rahmen der relevanten Sektorstrategien einzelner Länder und der Entwicklungszusammenarbeit. Finanzierung sollte an eine bessere Governance und an Ergebniskontrollen geknüpft werden, die im Fall der Dürrebekämpfung eher nicht auf beobachteten Wirkungen, sondern auf die nachhaltige Umsetzung von Präventionsmaßnahmen und Strukturaufbau schauen müssen.

Kommt es zu solchen Erfolgen, ist allen geholfen, auch dem Globalen Norden – durch weniger Bedarf an Katastrophenhilfe, stabilere Ökosysteme und Gesellschaften, weniger Krisen und Migration. Und lernen können und müssen wir zu Dürren und Bodendegradation ohnehin noch viel. Es wäre also auch Zeit, dass Deutschland seinen selbstgewählten UNCCD-Status als „nicht betroffenes Land“ aufgibt.

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