Die aktuelle Kolumne

Nach dem Pakt ist vor der Zukunft

Vom Zukunftsgipfel in New York zur Hamburg Sustainability Conference

Hornidge, Anna-Katharina / Axel Berger
Die aktuelle Kolumne (2024)

Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS), Die aktuelle Kolumne vom 30.09.2024

Die Sicherung nachhaltiger Zukünfte stellt in einer Welt geprägt von deutlichen geopolitischen Differenzen, Klima- und Biodiversitäts-, Schulden- und Staatskrisen ein hehres politisches Ziel dar. Der Zukunftsgipfel, der Staats- und Regierungschef*innen vor einer Woche bei den Vereinten Nationen (VN) zusammenbrachte, zielte auf die Stärkung multilateraler Strukturen, ohne die der gemeinsame Umgang mit den globalen Herausforderungen nicht möglich ist. Der in New York verabschiedete Zukunftspakt skizziert Reformvorhaben zur beschleunigten Umsetzung der 2015 beschlossenen globalen Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) insbesondere in den Bereichen Finanzierung, Sicherheit und Frieden, Wissenschaft, Innovationsentwicklung und Digitalisierung. Auch legt der Pakt erstmalig für die VN einen expliziten Fokus auf junge Menschen und künftige Generationen.

Der beschlossene Zukunftspakt ist ein Spiegel der angespannten geopolitischen Weltlage. Trotz langwieriger und konfliktiver Verhandlungen ist es der Staatengemeinschaft gelungen, diesen Pakt – wenn auch auf Kosten des Ambitionsniveaus – zu verabschieden. Nun jedoch gilt es, den Pakt umzusetzen. Statt ‚nach dem Spiel ist vor dem Spiel‘ heißt es also in der Politikgestaltung für nachhaltige Zukünfte: Nach dem Pakt ist vor der Zukunft.

Die Halbzeitbilanz der Agenda 2030 fällt ernüchternd aus: lediglich 17% der SDGS sind ‚on track‘, um bis 2030 erreicht zu werden. In zentralen Transformationsfeldern, wie dem Umbau unserer Wirtschaften oder dem Schutz von Ökosystemen, hinken wir hinterher. Gleichzeitig erinnert das Wahlverhalten auf Ebene der Europäischen Union oder in einigen deutschen Bundesländern daran, dass der Umbau von Wirtschafts- und Sozialsystemen sozialverträglich gestaltet und kommunikativ begleitet werden muss. Es gilt, gesellschaftliche und politische Mehrheiten für den globalen Strukturwandel hin zu Klimastabilisierung und nachhaltigen Zukünften zu mobilisieren.

Die globale Nachhaltigkeitsagenda wird somit (geo-)politischer. Das Programm der G20 unter brasilianischer Präsidentschaft ist klar auf die Umsetzung der Agenda 2030 ausgerichtet, wie auch schon die indische Präsidentschaft im letzten Jahr. In einem hitzigen Wahlkampf veröffentlicht die Biden-Harris-Administration die U.S. Strategy on Global Development und skizziert ihr Zukunftsprogramm mit der Agenda 2030 als Referenzrahmen. In Brüssel ist man sich dagegen nicht mehr ganz so sicher: In Ursula von der Leyens Leitlinien für die Europäische Kommission 2024-2029 fehlt jegliche Erwähnung der Agenda 2030, während sich in den Mission Letters an die Kommissare wenige Wochen später durchaus Bezüge zu den SDGs finden. Geht der ‚Rechtsruck‘ im Wahlverhalten Europas mit einem Zweifeln an der Nachhaltigkeitsagenda einher, während die großen aufstrebenden Mächte die Agenda 2030 nach innen als auch auf internationaler Ebene aktiv nutzen? Der Anschein wird durch eine zunehmende Fokussierung auf industriepolitische, migrations- und sicherheitspolitische Fragen in der europäischen Außenpolitik verstärkt.

Klar ist: Es bedarf der konstruktiven Auseinandersetzung über die Bedeutung der globalen Nachhaltigkeitsagenda. Und es bedarf der konkreten und sozialverträglichen Gestaltung von Energie- und Transportwende, Ernährungs- und Digitalisierungswende. Die Nachhaltigkeitsagenda braucht Erfolge. 

Es ist Ziel der Hamburg Sustainability Conference (HSC), hierzu einen Beitrag zu leisten. Es geht um den Aufbau einer jährlich stattfindenden Plattform, die das Schmieden von einflussreichen Nachhaltigkeitsallianzen mit Niedrig-, Mittel- und Hocheinkommensländern aller Kontinente, ermöglicht. Mit dem notwendigen Entscheidungswillen und finanziellen Budgets in Politik, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft, kann die HSC zu einer Plattform werden, die das Sektor-übergreifende Voneinander-Lernen für konkrete Nachhaltigkeitstransformationen ermöglicht; diese beschleunigt und skaliert. In einer Welt, die zunehmend von sicherheitspolitischer Abgrenzung geprägt ist, setzt die HSC auf die Logik transregionaler Kooperation. Nachhaltige Entwicklung, Sicherheit und Zukunft durch Kooperation sicherstellen – ein Szenario in dem die Logik ‚Sicherheit durch Abwehr‘ erst zum Tragen kommt, wo die Grenzen der Kooperation erreicht sind.

Nach dem Pakt ist vor der Zukunft. In Hamburg bedeutet dies, die Schritte für eine Umsetzung des Zukunftspaktes der VN einzuleiten. Dies gelingt sicher nicht mit einer Konferenz. Die politische Ausdauer vorausgesetzt, kann die HSC aber signifikante Beiträge ermöglichen. Besonders zu beachten ist, (a) transformative klimastabilisierende und sozialverträgliche Innovationen zu entwickeln und in die Breite zu tragen, (b) Allianzen transregional, zwischen Politik, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft, zwischen Kommunen, Ländern und nationalen Regierungen zu schmieden, und (c) mit diesen den Umbau der Wirtschafts- und Sozialsysteme weltweit zu gestalten. Gleichzeitig ist das politische Signal der Konferenz weit über Europa hinaus wichtig: Deutschland bleibt der Agenda 2030 verpflichtet und will als international agierender und verlässlicher Partner und Mittler zwischen Politik, Privatwirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft, die praktische Gestaltung des Umbaus von Ernährungs- und Energiesystemen, von Wirtschafts- und Sozialsystemen vorantreiben.

Weitere IDOS-Expert*innen zu diesem Thema

Götze, Jacqueline

Politikwissenschaft 

Koch, Svea

Sozialwissenschaft 

Mathis, Okka Lou

Politikwissenschaftlerin 

Schwachula, Anna

Soziologie 

Vogel, Johanna

Kulturwirtschaft 

von Haaren, Paula

Entwicklungsökonomie 

Wehrmann, Dorothea

Soziologie