Die aktuelle Kolumne
Süd-Süd-Kooperation: Globaler Akteur mit unklarer Identität
Fues, ThomasDie aktuelle Kolumne (2016)
Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne, 11.04.2016)
Im März veranstaltete Indien in New Delhi die zweite globale Konferenz für Süd-Süd-Kooperation (SSC). Verglichen mit der Konferenz im April 2013 zeigte Delhi 2, wie schnell sich SSC als wichtige Modalität internationaler Entwicklungszusammenarbeit weiterentwickelt hat. <link internal-link internen link im aktuellen>Aufstrebende Mächte im Süden wie Brasilien, China, Indonesien, Indien, Mexiko und Südafrika sind jetzt bereit, sich aktiv in kollektive Bemühungen für die <link internal-link internen link im aktuellen>internationalen Nachhaltigkeitsziele, die <link internal-link internen link im aktuellen>Addis-Agenda zur Entwicklungsfinanzierung und für den <link internal-link internen link im aktuellen>Pariser Klimavertrag einzubringen.
Dennoch herrscht Unsicherheit über die Natur und Ausrichtung von SCC, da Diskussionen und praktisches Handeln im Süden noch keine gemeinsame Basis gefunden haben. Konzepte und Definitionen sind weiterhin vage und umstritten. Methoden der Berichterstattung und Wirkungsanalyse stehen noch ganz am Anfang. Um das Potenzial der Süd-Süd-Kooperation voll zu entfalten, müssen die Regierungen im Süden Mechanismen institutionalisieren, die Transparenz, Rechenschaftspflicht und Wissen schaffen. Diese Herausforderungen in den Griff zu bekommen ist von zentraler Bedeutung für die ganze Welt. Wenn sich SSC zu einer echten Quelle internationaler Solidarität entwickelt, könnten die Geber des Südens die Nord-Süd-Kooperation ergänzen und traditionelle Geber dazu bringen, sich stärker für eine globale nachhaltige Entwicklung einzusetzen.
Verschwommene Konturen
In den letzten Jahren hat SSC deutlich an Umfang und wirtschaftlichem wie politischem Gewicht gewonnen. Dennoch haben Entscheidungs- und Wissensträger im Süden noch kein einheitliches Verständnis entwickelt, was SSC eigentlich bedeutet. So fokussieren sich einige Verantwortliche in Lateinamerika und China auf die Bereitstellung staatlicher Gelder für Entwicklungsländer – ähnlich der klassischen „Entwicklungshilfe“. Andere – wie die indische Regierung – beharren auf einer umfassenderen Auslegung von SSC. Sie würden gern Technologietransfer, Handelserleichterungen, Friedensmissionen und private Investitionen und Darlehen einbeziehen. Aus ähnlichen Gründen haben Geber im Norden unlängst ihr Konzept zur Unterstützung von Entwicklungsländern um eine Kategorie erweitert: die „Öffentliche Gesamtleistung zur Förderung Nachhaltiger Entwicklung“ (Total Official Support for Sustainable Development – TOSSD), die auch private Geschäfte umfasst.
Lateinamerika sticht mit seinem einheitlichen Ansatz aus der Gruppe der SSC-Geber heraus. Das Iberoamerikanische Generalsekretariat veröffentlicht jährliche Berichte von SSC-Aktivitäten, die lateinamerikanische Regierungen auf Basis einheitlicher Definitionen und Berichtsmodalitäten abgeben. Jedoch beinhaltet SSC bei diesem Ansatz nur die technische Zusammenarbeit von Regierungen. Der Vorschlag Lateinamerikas, seinen Rahmen als Ausgangspunkt für einen globalen SSC-Bericht zu nutzen, wird von asiatischen Regierungen abgelehnt. Sie sind der Ansicht, die Vielfältigkeit von SSC-Ansätzen mache ein gemeinsames Monitoring derzeit unmöglich.
Bislang ist es dem Süden nicht gelungen, eine funktionierende Plattform für den Meinungs- und Erfahrungsaustausch einzurichten. Die lose Allianz von ca. 20 SSC-Gebern, die auf der Konferenz in New Delhi 2013 zusammenkamen, hat aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen von SSC keine greifbaren Ergebnisse erzielt. Die Vereinten Nationen schenken SSC zwar große Beachtung, konnten aber nicht bei der Überwindung dieser Differenzen helfen. Das UN-Forum für Entwicklungszusammenarbeit stellt in seiner Arbeit die SSC konsequent in den Vordergrund, jedoch ohne im Süden großes Interesse zu wecken.
Kann NeST die Heimat sein?
Mit dem kürzlich etablierten Network of Southern Think Tanks (NeST) ist ein starker Motor für eine Annäherung verschiedener SSC-Konzepte und -Methoden entstanden. Die Bildung dieses Netzwerks wurde auf einem Workshop des UN-Entwicklungsprogramms in Peking im März 2014 vorgeschlagen. Es gewann weiter an Profil am Rand des Treffens der Globalen Partnerschaft für wirksame Entwicklungskooperation in Mexiko später im Jahr und betrat die internationale Bühne auf der SSC-Konferenz 2016 in New Delhi. Die Hauptakteure von NeST sind Denkfabriken in Indien, China, Brasilien und Südafrika. Sie haben einen methodischen Rahmen für die SSC-Berichterstattung und Wirkungsmessung erarbeitet, der derzeit in Fallstudien in China und Brasilien erprobt wird.
Aktuell kann die Süd-Süd-Kooperation ihr Potenzial als kollektive Kraft nicht voll entfalten, da lateinamerikanische und asiatische Geber nicht an einem Strang ziehen. Nur mit einem einheitlichen Verständnis von Konzepten, Zielen und Definitionen im Süden kann SSC uneingeschränkt zu den Zielen nachhaltiger Entwicklung, der Addis-Agenda und dem Pariser Klimavertrag beitragen. Der globale Wandel hin zu umfassender Nachhaltigkeit ist alternativlos. Deshalb brauchen die Regierungen des Südens, wie der Norden auch, einen neuen Ansatz für den Ausgleich nationaler Interessen und internationaler Solidarität. Insofern ist der Süden gut beraten, nationale Denkfabriken zu fördern, die gemeinsames Wissen schaffen und die Politik beraten können.