Die aktuelle Kolumne

Strikte Umwelt- und Umsiedlungsstandards für Staudammprojekte: nur für die OECD Länder?

Scheumann, Waltina
Die aktuelle Kolumne (2010)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 22.11.2010)

Bonn, 22.11.2010. Der vor zehn Jahren veröffentlichte Bericht der Weltstaudammkommission „Staudämme und Entwicklung – ein neuer Rahmen zur Entscheidungsfindung“ versprach ein Ende der lang geführten Debatte über das Für und Wider von Staudämmen. Die Zeiten schienen vorbei, in denen Staudämme von den einen in den Himmel gehoben wurden als die neuen Tempel (Nehru) und die modernen Pyramiden (Nasser), während sie für die Gegner für alles standen, was an der Modernisierung – kapitalistisch oder staatssozialistisch – nur irgendwie falsch laufen konnte.

Kein Ende der Debatte
Aber auch heute noch erhitzen sich die Gemüter. Obwohl das technische Design des Speicherkraftwerks Belo Monte in Brasilien mehrfach geändert wurde und weniger Umsiedlungen notwendig macht und obwohl die Umweltbehörde strenge Umweltauflagen für dessen Bau verordnete, kündigen Umweltschützer und in der Region ansässige Kleinbauern und Indianerstämme gewaltsamen Widerstand an. Ein anderer bekannter Fall ist der Ilisu Staudamm im Südosten der Türkei, aus dem sich zwei internationale Finanzierungskonsortien zurückzogen, da die türkische Regierung nicht alle Umwelt- und Umsiedlungsauflagen umsetzte. Und neuerdings sind es vor allem Staudammprojekte, an denen chinesische Banken und Firmen beteiligt sind, die wegen laxer Umweltstandards ins Kreuzfeuer der Kritik geraten.

Infrastruktur für Entwicklung
Brasilien, China, Indien und die Türkei favorisieren die Wasserkraft in ihrem Energiemix und ihren Anpassungsstrategien an den Klimawandel. Es sind aber vor allem die Länder des afrikanischen Kontinents, die von der Wasserkraft profitieren können. Sie nutzen nur etwa sieben Prozent ihres technischen Potenzials (in Südamerika sind es 33 %, in Nordamerika 69 % und in Europa 75 %). Da ein Fünftel der afrikanischen Haushalten nicht elektrifiziert ist und mehr als 30 Länder des Kontinents unter chronisch auftretenden Stromausfällen leiden, sind sich die African Ministerial Conference on Hydropower, die Ministerial Conference on Water for Agriculture and Energy in Africa und die Africa Hydropower-2020-Initiative der Afrikanischen Union einig, dass der Wasserkraft eine Schlüsselstellung bei der Entwicklung des Kontinents zukommt, auch wegen der weltweit begrenzten Vorkommen und der Verteuerung fossiler Energieträger.

China unter den Top Ten
Im internationalen Baugeschäft, auch bei Staudammbauten, haben chinesische Baukonzerne mittlerweile die Führung übernommen. Die wenigen weltweit tätigen deutschen Baufirmen liegen im Vergleich zu den 54 zumeist staatlichen chinesischen Bauunternehmen, die einen Gesamtumsatz von ca. 50,6 Milliarden US Dollar verzeichnen, weit zurück. Während die chinesischen Auslandsbaufirmen in erster Linie in Afrika und Asien (mit Marktanteilen von ca. 50 % bzw. 30 %) aktiv sind, konzentrieren sich die deutschen Baufirmen auf das Tochter- und Beteiligungsgeschäft in den stabilen Märkten der OECD-Länder. Unter den Top Ten der international tätigen Baufirmen sind mittlerweile fünf chinesische Unternehmen. China ist zum größten Finanzier von Staudammprojekten in Afrika avanciert und holt in Asien auf.

Unfairer Wettbewerb?
Vertretern der deutschen Bauindustrie führen dies auf Wettbewerbsverzerrungen zurück, die u. a. dadurch entstünden, dass deutsche Firmen den OECD-Umweltstandards verpflichtet seien, chinesische Unternehmen dagegen nicht. Jedes deutsche Unternehmen, das um Hermes-Deckungen nachsucht, muss den OECD-Standards genügen, sprich: eine Umweltprüfung ist bereits Teil des Antrags bei Euler Hermes. Dies ist bei der China EXIM Bank und Sinosure nicht der Fall. Als Basis für die Umweltprüfung dienen der China EXIM Bank und Sinosure die im Vergleich zu den OECD-Umweltstandards weit niedrigeren des jeweiligen Gastlandes.

Untersuchungen in Ghana und Kambodscha zeigen, dass die OECD-Umweltstandards nicht der wichtigste Grund für ungleiche Wettbewerbsbedingungen sind: chinesische Firmen kalkulieren mit niedrigen Lohnkosten und Gewinnmargen; chinesische Bauunternehmen profitieren vom festen Wechselkurs; die Kredite werden mit Rohstoffen zurückgezahlt – Kakao für den Bui Staudamm in Ghana. In Kambodscha hat Sinohydro allerdings mit dem Bau eines Staudamms begonnen, obwohl noch keine Umweltstudie vorliegt. Die Kontrolle der kambodschanischen Regierung über das Unternehmen ist gering und Umweltprüfverfahren sind ausdrücklich schwach gehalten, um Investitionsgenehmigungen vor allem im Energiebereich schnell abzuwickeln. Dies kommt chinesischen Unternehmen entgegen, die sich nicht an internationalen Standards orientieren. Die Konkurrenz aus den OECD-Staaten wird so von vornherein aus dem internationalen Wettbewerb ausgeschlossen.

Was kann die Bundesregierung tun?
Die Weltbank, die Asian Development Bank (ADB) und bilaterale Geber, darunter Deutschland, haben einen Kurswechsel eingeleitet: sie finanzieren wieder Staudämme, aber nur wenn strikte Umwelt- und Umsiedlungsstandards eingehalten werden. Sie sind teilweise den Empfehlungen der Weltstaudammkommission gefolgt und haben ihre Standards überarbeitet.

Staudammprojekte, die internationale Standards einhalten, verteuern zweifelsohne Projekte – und deshalb muss China im Interesse eines fairen Wettbewerbs mit ins Boot geholt werden. Bei bilateralen Abkommen, die zwischen einem Nachfragerland und international tätigen Unternehmen abgeschlossen werden, die ihr Risiko über Exportkreditbürgschaften absichern wollen, greifen die OECD-Standards und ggf. die Äquator-Prinzipien, einem Kodex freiwilliger Umweltstandards internationaler Banken. Den ersteren sind ChinaEXIM und Sinosure nicht verpflichtet, da China kein OECD-Mitglied ist. Gespräche zwischen der OECD und China versprechen wenig Erfolg, solange China bei der OECD nur mit einem Beobachterstatus bedacht wird. China sieht sich als Global Player, der um seine Reputation bemüht ist. Und das gilt auch für die erwähnten Firmen und Banken. Deshalb wird sich China über kurz oder lang aus eigenem Interesse an internationale Standards anpassen müssen.

Um das zu beschleunigen, sollte der Dialog mit China von der Bundesregierung auf hoher politischer Ebene intensiviert werden. Und das nicht in erster Linie im Interesse der deutschen Bauindustrie, sondern weil Staudammprojekte ohne die Einhaltung von Umwelt- und Umsiedlungsstandards genau die negativen Auswirkungen haben werden, die von ihren Gegnern zu Recht angeprangert werden.

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