Die aktuelle Kolumne
Verantwortung für die ärmsten Länder
So reagieren die Internationalen Finanzinstitutionen auf die Pandemie
Kathrin BerensmannDie aktuelle Kolumne (2020)
Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Die aktuelle Kolumne vom 30.04.2020
Der Weltbankpräsident David Malpass erwartet infolge der Coronakrise eine tiefere globale Rezession als während der Großen Depression der Dreißigerjahre. Die Krise wird die ärmsten Länder im Vergleich zu den Industrieländern der Welt noch stärker treffen, weil diese Länder kaum über fiskalische Spielräume verfügen. Ihre sozialen Sicherungssysteme sowie die Gesundheitssysteme sind nicht ausreichend. Die besondere Verwundbarkeit der ärmsten Länder ist auch auf eine einseitige Ausrichtung der Wirtschaft zurückzuführen, die sich in den meisten Ländern auf den Export von einigen Rohstoffen und Produkten konzentriert. Hinzu kommt, dass laut Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank bereits vor der Krise etwa die Hälfte der Niedrigeinkommensländer hoch verschuldet waren. Und es werden sich infolge der Coronakrise noch mehr arme Länder hoch verschulden.
Aus diesen Gründen werden die ärmsten Länder der Welt die Coronakrise alleine nicht bewältigen können. Die internationale Gemeinschaft und besonders die internationalen Finanzinstitutionen, wie die Weltbank und der IWF, sollten eine tragende Rolle übernehmen, den Ländern kurz- und mittelfristig Finanzhilfe bereitzustellen. Ohne schnelle Hilfe werden laut dem Weltbankpräsidenten die Fortschritte, die diese Länder während des letzten Jahrzehnts in ihrer Entwicklung gemacht haben, wieder verloren gehen.
Weltbank und IWF haben schnell reagiert und mit einer Reihe von Instrumenten kurzfristig relativ viel Liquidität für die Entwicklungsländer bereitgestellt. Der IWF wird kurzfristig Notkredite in Höhe von circa USD 50 Milliarden für Entwicklungs- und Schwellenländer anbieten. Davon stellt der IWF etwa USD 10 Milliarden zinslos für die ärmsten Länder über die Rapid Credit Facility und rund USD 40 Milliarden für Schwellenländer über das Rapid Financing Instrument bereit. In diesem Zusammenhang hat der IWF für diese beiden Notfinanzierungsfazilitäten das jährlich zur Verfügung stehende Volumen zeitweise verdoppelt. Bis Mitte April hatten bereits 44 Länder Afrikas Finanzhilfe im Rahmen dieser beiden Instrumente angefragt. Damit die Länder schneller die Finanzmittele erhalten, hat der IWF die internen Verfahren zur Auszahlung beschleunigt. Darüber hinaus hat der IWF die Catastrophe Containment and Relief Trust reformiert, um nun mehr armen Ländern kurzfristig und gleichzeitig Schuldendiensterlasse zu gewähren. Zu den Reformen gehört beispielsweise die Auszahlung in Tranchen und für eine maximale Dauer von zwei Jahren.
Die Weltbankgruppe wird in den nächsten 15 Monaten rund USD 160 Milliarden für Entwicklungsländer bereitstellen. Alleine im Rahmen einer Fast-track COVID-19-Fazilität stellt die Weltbank vorgezogene Zahlungen in Höhe von USD 14 Milliarden bereit. Damit kann die Weltbank Finanzmittel schneller an die Länder auszahlen. Davon werden USD 6 Milliarden über die Institution für arme Länder (International Development Association) und über die Institution für mittlere Einkommensländer (International Bank for Reconstruction and Development) lanciert. Die für den Privatsektor zuständige Institution der Weltbankgruppe – die International Finance Corporation – wird private Unternehmen in Höhe von USD 8 Milliarden unterstützen, um damit vor allem auch Massenentlassungen abzuwenden. In der ersten Gruppe wird die Weltbank bereits 25 Länder unterstützen, davon 10 in Sub-Sahara Afrika. Des Weiteren stellt die Multilateral Investment Guarantee Agency schnell Garantien bereit, beispielsweise für Kredite, für die Bekämpfung der Coronakrise in Höhe von USD 6,5 Milliarden.
Damit die Weltbank über genügend Mittel verfügt, sollten die bilateralen Geber an die Fazilität für arme Länder – der International Development Association – vorgezogene Zahlungen leisten. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) plant unter anderem hierfür, im Rahmen ihres „Corona-Sofortprogramms“ einen Mehrbedarf im Haushalt 2020 zu beantragen. Darüber hinaus sollten die Kapitaleigner der multilateralen Entwicklungsbanken eine Kapitalerhöhung diskutieren, damit die internationalen Finanzinstitutionen bei Schocks, wie der Coronakrise, genügend Finanzmittel bereitstellen können.
Obwohl die Weltbank und der IWF schnell auf die Krise reagiert und ein gutes Paket aus kurzfristigen konzessionären Mitteln bereitgestellt haben, reicht das Geld zur Bewältigung der Krise in Entwicklungsländern nicht. Daher werden die hochverschuldeten Entwicklungsländer über die Erlasse ihrer Schuldendienstzahlungen beim IWF und die Moratorien der öffentlichen bilateralen Gläubiger hinaus noch weitere Schuldenerlasse benötigen. Der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller spricht sich in seinem Corona-Sofortprogramm für einen Schuldenerlass für die ärmsten Länder der Welt aus. Dabei sind zwei Dinge wichtig, damit einzelne Gläubiger nicht von Erlassen anderer Gläubiger profitieren. Erstens sollten sich alle öffentlichen und privaten Gläubiger gleichermaßen an Schuldenerlassen beteiligen. Zweitens sollten alle Gläubiger ihre Kreditverträge offenlegen.
Bei der Bewältigung dieser Pandemie trägt die internationale Gemeinschaft eine gemeinsame Verantwortung für die ärmsten Länder der Welt und sollte besonders auch mit kurzfristiger finanzieller Unterstützung dafür Sorge tragen, dass diese Länder die bisher erreichten Entwicklungsfortschritte nicht verlieren.
Dieser Text ist Teil einer Sonderreihe unseres Formats Die aktuelle Kolumne, die die Folgen der Corona-Krise entwicklungspolitisch und sozioökonomisch einordnet. Sie finden die weiteren Texte hier auf unserer Überblicksseite.
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