Das neue Klimafinanzierungsziel der Vereinten Nationen

Nicht nur mehr, sondern auch qualitativ bessere Klimafinanzierung!

Aleksandrova, Mariya / Svea Koch
Die aktuelle Kolumne (2024)

Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS), Die aktuelle Kolumne vom 27.05.2024

Bonn, 27. Mai 2024. Dieses Jahr spielt für die globalen Bemühungen zur Klimafinanzierung eine zentrale Rolle. Während die energiebezogenen CO2-Emissionen 2023 ihr Rekordhoch erreichten, haben aktuell die Verhandlungen über ein neues Ziel der multilateralen Klimafinanzierung [fachsprachlich: New Collective Quantified Goal (NCQG)] im Rahmen der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) begonnen. Den Ausgangspunkt bildet hier das bei der Klimakonferenz in Kopenhagen im Jahr 2009 vereinbarte internationale jährliche Klimafinanzierungsziel in Höhe von 100 Mrd. US-Dollar. Für den Moment herrscht zwischen Entwicklungs- und Industrieländern noch Uneinigkeit über kritische Fragen wie die neue Größenordnung, die Quellen, Instrumente sowie Definitionen der Klimafinanzierung – erschwerte Bedingungen für die Verhandlungen anlässlich der 29. UN-Klimakonferenz in Baku (COP29) im November.

Jüngste Schätzungen besagen, dass sich der Klimafinanzierungsbedarf der Entwicklungsländer bis 2030 auf etwa 6 Billionen US-Dollar belaufen dürfte und die Industrieländer den Betrag ihrer bilateralen konzessionären Finanzunterstützung bis dahin verdreifachen müssten. Das deutlich niedrigere Jahresziel von 100 Milliarden wurde wahrscheinlich erst 2022 erstmalig erreicht. Da jedoch im Rahmen des UN-Klimaregimes keine abgestimmte Definition der Klimafinanzierung vorliegt, gelten die durch die Geber an das UN-System gemeldeten Beträge weithin als unzuverlässig und die Meldungen als tendenziell überhöht. Hinzu kommt, dass gemäß UNFCCC die Klimafinanzierung „neu und zusätzlich“ zur bestehenden Entwicklungsfinanzierung sein soll. Die Realität sieht jedoch anders aus: Der Großteil der bilateralen öffentlichen Klimafinanzierung stammt aus den Budgets für Entwicklung (Official Development Assistance, ODA) und geht zu deren Lasten.

Während den Entwicklungsländern daran gelegen ist, die NCQG Verhandlungen mit einer gemeinsamen Definition der Klimafinanzierung und einer transparenteren sowie verlässlicheren Berichterstattung zu verbinden, treiben die Industrieländer eine Debatte zur Erweiterung der Geberbasis der Klimafinanzierung voran. Schätzungen zu einem gerechten Anteil an der Klimafinanzierung, der die sich verändernden Verantwortlichkeiten und Fähigkeiten widerspiegelt, legen nahe, dass auch Schwellenländer ihren Teil beitragen sollten. Bisher lehnen sie dies ab.

Zur Stärkung des Vertrauens und zur Annäherung der Positionen müssen die Industrieländer die mit der Umsetzung des 100-Milliarden-Ziels verbundenen Schwächen und Lehren anerkennen. Hierzu gehören zentrale strukturelle Fragen hinsichtlich der Rechenschaftslegung, der Vorhersagbarkeit, dem Zugang, der Wirksamkeit, der gerechten Allokation und nicht zuletzt Definitionsfragen. Insgesamt haben diese Schwächen die Qualität der Klimafinanzierung und die effektive Umsetzung finanzierter Projekte stark ausgehöhlt. Zwei Aspekte sind aus unserer Sicht zentral, um einen bedeutsamen Fortschritt über den Status Quo hinaus zu erzielen.

Erstens sollten die Industrieländer sicherstellen, dass die Klimafinanzierung im Rahmen des NCQG mit Blick auf die Wirkung der finanzierten Projekte zu einer Qualitätsverbesserung führt. Zu diesem Zweck ist die Transparenz bei der Berichterstattung zur Bewertung von Fortschritten und zur Ausrichtung auf die Umsetzung des Übereinkommens von Paris und der jeweiligen nationalen Klimastrategien von zentraler Bedeutung. Aktuell sind für manche Finanzierungskanäle, zum Beispiel Klimafonds, Indikatoren für die voraussichtliche Wirkung von Klimaprojekten vorhanden, nicht jedoch für die durch ODA geleistete Klimafinanzierung.

Zweitens sollte das Ziel darauf fokussieren, wie die Klimafinanzierung gerechter und wirksamer kanalisiert werden kann. Die Schuldenlast der Entwicklungsländer spielt hier eine zentrale Rolle, da in der bilateralen und multilateralen öffentlichen Klimafinanzierung bisher Kredite vorherrschend sind. Darüber hinaus haben Herausforderungen im Zusammenhang mit der Anspruchsberechtigung, den Kapitalkosten sowie hohe institutionelle Anforderungen zu erheblichen Hindernissen beim Zugang zu Klimafinanzierung geführt, insbesondere für die ärmeren und am stärksten betroffenen Länder. Zudem wurden bis heute mehr Finanzmittel für Minderungs- denn für Anpassungsmaßnahmen bereitgestellt. Ein Vorstoß in Bezug auf potenzielle neue Beitragszahlende könnte diese Trends verstärken, sofern keine Vorkehrungen getroffen werden, um ein tragfähiges Schuldenniveau, einen besseren Zugang zur Klimafinanzierung und eine Zuweisung der Mittel in Übereinstimmung mit nationalen Prioritäten zu gewährleisten.

Die Klimafinanzierung stellt einen Schlüsselfaktor nachhaltiger Entwicklung dar. In einem Zeitalter multipler globaler Krisen, politischer Auseinandersetzungen um Finanzmittel zu deren Bewältigung und Herausforderungen bei der Finanzierung des UN-Systems könnte der Fokus auf eine qualitativ verbesserte Klimafinanzierung den Ausschlag dafür geben, die Verhandlungsparteien für ein ehrgeiziges neues Klimafinanzierungsziel näher zusammenrücken zu lassen.

Über die Autor*innen

Koch, Svea

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Koch

Aleksandrova, Mariya

Climate risk governance

Aleksandrova

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