Die aktuelle Kolumne

Sozialökologische Transformation

Nachhaltige Finanzmarktpolitik im Gegenwind

Hilbrich, Sören
Die aktuelle Kolumne (2025)

Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS), Die aktuelle Kolumne vom 12.02.2025

Bonn, 12. Februar 2025. In den letzten ca. 10 Jahren sind viele Initiativen entstanden, um Finanzmärkte stärker mit Nachhaltigkeitszielen in Einklang zu bringen. Seit einiger Zeit zeigt sich nun eine starke Gegenbewegung. Doch Finanzmärkte spielen eine entscheidende Rolle für den Umbau der Realwirtschaft. Gleichzeitig erhöht die Klimakatastrophe die Risiken für Finanzmarktstabilität. Eine tiefgreifende Transformation des Finanzsektors ist also dringender denn je. Regulierungen mit dem Ziel, Kapital in nachhaltige ökonomische Investitionen zu lenken, sollten daher progressiv weiterentwickelt, statt abgeschwächt oder gar abgeschafft zu werden.

Der Widerstand gegen sogenannte Sustainable Finance-Initiativen zeigt sich zum Beispiel in den von vielen US-Bundesstaaten verabschiedeten Anti-ESG (Environmental, Social, Governance)-Gesetzen. Diese Gesetze sollen es institutionellen Investor*innen erschweren oder sogar verbieten, Nachhaltigkeitskriterien in ihren Investitionsentscheidungen zu berücksichtigen. Zudem verließen viele US-Finanzakteure im vorauseilenden Gehorsam gegenüber der neuen Trump-Regierung die Net Zero Banking Alliance (NZBA) bzw. die Net Zero Asset Managers Initiative (NZAMI), in denen sie sich zuvor auf Klimaziele verpflichtet hatten. Zudem ist es wahrscheinlich, dass die Trump-Regierung Sustainable Finance-Regulierungen zurücknehmen wird. Beispielsweise hatte die US Securities and Exchange Commission (SEC) geplant, Unternehmen zu verpflichten, ihre Treibhausgasemissionen und andere klimabezogene Informationen offenzulegen. Hierzu wird es nun vermutlich nicht kommen.

Doch die Gegenbewegung gegen Sustainable Finance-Maßnahmen geht über die USA hinaus. So wächst auch in der EU unter dem Schlagwort des Bürokratieabbaus die Skepsis. Die deutsche Bundesregierung fordert mittlerweile von der EU-Kommission, bestimmte Berichtspflichten zu Nachhaltigkeitsaspekten zu verschieben oder auszusetzen. Berichtspflichten für Unternehmen und Finanzmarktakteure sind jedoch eine Voraussetzung dafür, dass Investor*innen über die nötigen Informationen verfügen, um Kapitalflüsse in nachhaltigere Aktivitäten umleiten zu können. Um mehr Transparenz herzustellen, haben viele Länder beispielsweise in den letzten Jahren sogenannte Nachhaltigkeitstaxonomien entwickelt. Diese Klassifikationssysteme definieren, welche wirtschaftlichen Aktivitäten als nachhaltig gelten. Wie unsere Forschung zur südafrikanischen Nachhaltigkeitstaxonomie zeigt, besteht die Gefahr, dass die Einführung solcher Taxonomien im Sande verläuft, wenn sie nicht mit einer verpflichtenden Berichterstattung verbunden wird. Außerdem haben sich viele private Akteure mittlerweile auf die neuen Regeln eingestellt und Kapazitäten aufgebaut, um diese umzusetzen. Selbst eine Reihe von Unternehmen wendet sich daher gegen Bestrebungen, Regulierungen wieder zurückzudrehen.

Während des begrenzten Zeitfensters für eine progressive Umweltpolitik in der letzten Legislaturperiode sind in der EU in kurzer Zeit eine ganze Reihe von Regularien entstanden. Es stimmt, dass nicht alle Regeln ihren Zweck erfüllen. Beispielsweise wird die konkrete Ausgestaltung der Green Asset Ratio immer wieder kritisiert. Mit dieser Kennzahl müssen Banken den Anteil ihrer Vermögenswerte angeben, die nach der EU Taxonomie als nachhaltig gelten. Auch sind nicht alle der Kriterien der Taxonomie sinnvoll und hinreichend klar formuliert. Manche Einstufungen, wie zum Beispiel die Klassifizierung der Stromerzeugung aus Gas oder Kernkraft als (unter bestimmten Bedingungen) nachhaltig, spiegeln in problematischer Weise Partikularinteressen wider. Insofern spricht viel für eine Weiterentwicklung dieser Regularien, wie sie die EU-Kommission als Teil eines sogenannten „Omnibus-Pakets“ derzeit plant. Hierbei muss es jedoch darum gehen, die Kohärenz und Benutzerfreundlichkeit der Regulierungen zu erhöhen, statt diese abzuschwächen oder gar wieder abzuschaffen.

Weltweit gibt es heute eine Vielzahl nationaler und regionaler Rahmenwerke, die besser aufeinander abgestimmt werden müssen. Die gegenseitige Anerkennung von Regularien kann hierbei ein Mittel sein, um mehrfache Berichtspflichten für transnational agierende Akteure zu vermeiden und Transaktionskosten zu reduzieren. Zudem ist es wichtig, endlich über Transparenzinitiativen hinauszugehen und Anreize auf den Finanzmärkten zu verändern. Dies könnte beispielsweise über eine unterschiedlich hohe Kapitalertragssteuer für nachhaltige und nicht-nachhaltige Geldanlagen erreicht werden. Kreditrichtlinien, wie Zielvorgaben für nachhaltige Bankkredite, könnten ebenfalls Anreize verändern. Außerdem müssen viele Finanzmarktakteure in Übergangsplänen („transition plans“) darlegen, wie sie Nachhaltigkeitsziele erreichen wollen. Diese Pläne könnten zum Beispiel in der Finanzmarktaufsicht berücksichtigt werden, um klimabedingte Risiken für Finanzmarktakteure einzuschätzen.

Es bleibt also viel zu tun, um den Finanzsektor von einem Hemmschuh zu einem Treiber der Nachhaltigkeitstransformation zu machen. Wer es ernst meint mit der sozialökologischen Transformation, muss sich dem beschriebenen Gegenwind für mehr Nachhaltigkeit auf den Finanzmärkten daher entschieden entgegenstellen. Bürokratieabbau und Wettbewerbspolitik dürfen nicht dazu führen, Nachhaltigkeitsziele aufzugeben.

Über den IDOS-Autor

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