Die aktuelle Kolumne

Minderungs- und Anpassungsfinanzierung sind grundverschieden – schmeißt sie nicht in einen Topf!

Lindenberg, Nannette / Pieter Pauw
Die aktuelle Kolumne (2013)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 04.11.2013)

Bonn, 04.11.2013. Am nächsten Montag öffnet die 19. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) in Warschau ihre Türen. Da der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen nach wie vor ansteigt, wird immer mehr Gewicht auf die Anpassung an den Klimawandel gelegt. Minderung – also Maßnahmen, welche zu einer Reduktion der Treibhausgasemissionen führen – und Anpassung werden oft als die zwei Seiten einer Medaille angesehen. In Wahrheit unterscheiden sie sich aber deutlich voneinander – besonders wenn es die Finanzierung von Anpassung und Minderung in Entwicklungsländern betrifft. Zu den größten aktuellen Herausforderungen gehört es, dringend benötigte private Investitionen in den Klimaschutz auszuweiten und zu beschleunigen. Doch dazu müssen die Vertragsparteien in Warschau in ihren Debatten und Beschlüssen über eine künftige Klimafinanzierung Anpassung und Minderung auseinanderhalten.

Im Jahr 2009 verpflichteten sich die Industrieländer, Dutzende Milliarden USD für Maßnahmen gegen den Klimawandel in Entwicklungsländern bereitzustellen. Seitdem ist ‚Klimafinanzierung‘ ein zentrales Thema der Weltklimaverhandlungen. In Diskussionen um Finanzierung werden Minderung und Anpassung meistens in einem Atemzug genannt, auch wenn es um den Beitrag der Privatwirtschaft geht. Doch der Gegensatz zwischen ihnen könnte kaum größer sein. Anpassung aus einer Minderungsperspektive zu betrachten und umgekehrt ist verwirrend und erschwert die dringend erforderliche Mobilisierung zusätzlicher privatwirtschaftlicher Finanzierungsbeiträge. Und es kann dazu führen, dass Not leidende Entwicklungsländer vergeblich auf private Anpassungsfinanzierung warten.

Unterschiedliche Motive
Die Motive internationaler Minderungs- bzw. Anpassungsfinanzierung sind völlig unterschiedlich. Das Weltklima ist ein Gemeingut: Also sind Minderung und ihre Finanzierung gemeinsame Aufgaben aller Länder, die Energie verbrauchen und Treibhausgase ausstoßen. Industrieländer tragen eine historische Verantwortung. Doch wenn Länder wie China und Indien, in denen die Emissionen stark ansteigen, nicht an einer Lösung dieses globalen Problems mitarbeiten, ist das Scheitern der Bemühungen vorprogrammiert. Anpassungsfinanzierung hingegen kann als Unterstützung der Armen verstanden werden oder als Kompensation für diejenigen, die der anthropogene Klimawandel ohne ihr Zutun trifft. Demzufolge muss die internationale Finanzierung von Minderungsmaßnahmen auf viele verschiedene Schultern verteilt werden, während die internationale Anpassungsfinanzierung vielfach als Verpflichtung vor allem der Industrieländer gilt.

Unterschiedliche Rationalitäten
Diese Logik wird von den Anreizen gestützt, die hinter einer privaten Finanzierung von Anpassung und Minderung ihre Wirkung entfalten. Die in den letzten Jahren schnell angewachsenen Investitionen in erneuerbare Energien und Energieeffizienz zeigen, dass Minderungsfinanzierung ein Geschäftsmodell sein kann. Zwar investieren Pensionskassen nur rund ein Prozent ihrer Mittel in Minderungsfinanzierung, und tatsächlich existieren allseits bekannte Hürden: hohe Risiken etwa, unzureichende politische Unterstützung und das Fehlen einer Projektpipeline. Dass jedoch ein privates Versorgungswerk wie die Ärzteversorgung Westfalen-Lippe 30 Mio. USD in den Globalen Klimaschutzfond Global Climate Partnership Fund investiert, zeigt, dass auch Klimaschutzprojekte finanziell reizvoll sein können. Diesen innovativen Fonds für Minderungsmaßnahmen in Schwellen- und Entwicklungsländern hat das Bundesumweltministerium ins Leben gerufen. Allerdings ist es noch sehr schwer, <link record:tx_ttnews:tt_news:4603 internal-link>Geschäftsmodelle für Anpassungsfinanzierung zu finden, vor allem in Entwicklungsländern. Einige Unternehmen wie Nestlé und Unilever investieren in kleinbäuerliche Betriebe in Entwicklungsländern, um eine gleichbleibende Belieferung, zum Beispiel mit Kaffeebohnen und Teeblättern, sicherzustellen. Analog dazu tätigen viele andere Investitionen, die als Anpassung gelten könnten. Doch im Normalfall ist Anpassung nur ein Motiv von vielen. Risiken und Erträge von Anpassungsmaßnahmen sind schwer im Vorhinein abzuschätzen und im Nachhinein zu evaluieren.

Geographische Unterschiede
Ein weiterer gravierender Unterschied zwischen Anpassungs- und Minderungsfinanzierung ist der Ort, an dem investiert und die Wirkung spürbar wird – und zwar in doppelter Hinsicht. Erstens fließt der größte Teil der Minderungsfinanzierung in Schwellenländer, in denen Minderung relativ kostengünstig ist und es viele Möglichkeiten dafür gibt. Diese Länder können für solche Investitionen eigene Ressourcen bereitstellen und haben ein eher förderliches Umfeld zu bieten. Investitionen in Anpassung benötigen indessen diejenigen armen Länder am dringendsten, die der Klimawandel am härtesten treffen wird: die am wenigsten entwickelten Länder, kleine Inselentwicklungsländer und Afrika. Ihnen fehlen nicht nur nennenswerte Eigenmittel für eine Anpassung, sondern auch die politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen, um private und institutionelle Investoren anzuziehen. Der zweite Aspekt bezüglich der geographischen Unterschiede hat mit der räumlichen Auswirkung zu tun. Investitionen in Minderung wirken sich weltweit aus und sind daher von globalem Interesse. Investitionen in Anpassung sind dagegen oft nur lokal von Nutzen. Damit stellt sich die Frage, warum die internationale Privatwirtschaft Interesse daran haben sollte, Anpassung in, sagen wir mal, einer Provinz im ländlichen Norden Ghanas zu finanzieren? Wahrscheinlich werden viele Regionen außerhalb der Reichweite internationaler Klimafinanzierung – privater wie öffentlicher – bleiben.

Unterschiedliche Herausforderungen
Alles in allem sind Anpassungs- und Minderungsfinanzierung mit recht unterschiedlichen Herausforderungen verbunden. Im Zentrum der Debatte um Minderung steht die Frage, wie mit öffentlichen Mitteln große Mengen privater Mittel mobilisiert werden können, ob durch die Minimierung von Risiken, die Bereitstellung geeigneter Finanzprodukte oder die Gestaltung der notwendigen politischen Rahmenbedingungen. Kurzum: Die Rede ist von Geschäftsmodellen, die Minderungsfinanzierung steigern und etablieren. Anders sieht es bei Anpassungsfinanzierung aus: Außer Frage steht, dass der Privatsektor bei der Anpassung eine Rolle spielen und in sie investieren wird, doch eher von Fall zu Fall als im Rahmen internationaler Geschäftsmodelle, die auf internationaler Ebene politisch unterstützt werden. Die Identifizierung der Möglichkeiten einer privatwirtschaftlichen Anpassungsfinanzierung hat gerade erst begonnen.

Ein Schritt vorwärts
Mit einem Wort: Wir sollten nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Um Missverständnisse und Stillstand zu vermeiden und die Debatte um die internationale Klimafinanzierung voranzubringen, sollten privatwirtschaftliche Perspektiven hinsichtlich Anpassung und Minderung getrennt diskutiert werden. Nur den Unterschied zwischen beiden anzuerkennen würde die Diskussionen der UN-Klimakonferenz in Warschau schon weiterbringen. Die Institutionen, die dieser Debatte Schwung verleihen könnten, sind im UN-Klimaregime bereits vorhanden.

Über die IDOS-Autorin

Weitere IDOS-Expert*innen zu diesem Thema