Die aktuelle Kolumne

Mehr Einsatz in Afrika

Julia Leininger
Die aktuelle Kolumne (2014)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 11.02.2014)

Bonn, 11.02.2014. Ist deutsche Außenpolitik keine Friedenspolitik mehr? Verteidigungsministerin von der Leyen besucht die Truppen in Mali, Außenminister Steinmeier will mehr militärisches Engagement in Afrika und Bundespräsident Gauck mahnt mehr Verantwortung für den Nachbarkontinent an. Freilich, mehr Einsatz in Afrika ist wichtig. Auch militärisches Engagement in Afrika ist richtig. Aber nur dann, wenn es der Verhinderung von Kriegsverbrechen oder dem Friedenserhalt dient. Es wäre falsch, das Militärische an vorderste Stelle zu setzen. Mehr Verantwortung für Afrika verlangt zuvörderst nach abgestimmtem zivilem Engagement.

Militärischer Einsatz als letztes Mittel – auch und gerade in Afrika
Der Regierungswechsel in Deutschland hat nun die Möglichkeiten für eine neue außenpolitische Debatte eröffnet. Aber warum gerade Afrika? Konflikte in Afrika sind leichter zu lösen als am Hindukusch – so klingt es in politischen Äußerungen deutscher Spitzenpolitiker der vergangenen Tage an. Das ist ein Trugschluss! Die Beteiligung an militärischen Interventionen ist gerade in afrikanischen Kontexten vorsichtig abzuwägen. Das gilt auch für offenbar ungefährliche Einsätze wie die Ausbildung malischer Soldaten durch die Bundeswehr. Solch eine Ausbildung trägt nur zu Stabilität und Frieden bei, wenn sie mit politischen und sozialen Prozessen verzahnt wird. Sonst droht eine Bekämpfung der Symptome ohne die Behebung struktureller Konfliktursachen. Damit würde sich der seit den 1960er Jahren virulente Konflikt endlos fortsetzen. Beispielsweise müssen Verhandlungen mit bewaffneten Tuareg-Gruppen an überzeugende Vorschläge für Dezentralisierungsreformen geknüpft werden. 

Es bleiben militärische Aufgaben. Während sich ein Teil des malischen Militärs in Ausbildung befindet, muss die Bevölkerung im Norden des Landes vor kriminellen Machenschaften von Schmugglerbanden und - teils vermeintlich – islamistischen Terroristen geschützt werden. Das ist mittelfristig eine eindeutige Aufgabe für die afrikanische Eingreiftruppe der Afrikanischen Union. Sie gilt es, bei ihrem Aufbau weiter zu unterstützen.

Verantwortung für Freiheit und Demokratie
Elend und Krieg: Das vorherrschende Bild von Afrika drängt den militärischen Einsatz als außenpolitisches Mittel fast auf. Das Problem: Die monotone Geschichte von Gewalt und Hunger ist nicht einmal die halbe Wahrheit unseres Nachbarkontinents. Auch in afrikanischen Gesellschaften nehmen gewaltsame Konflikte ab. In Ländern wie Ghana oder Südafrika wächst eine Mittelschicht heran. Zunehmend treiben arbeitsplatzintensive Industrien wie in Äthiopien das wirtschaftliche Wachstum an. Solche friedlichen Staaten haben eine zentrale Bedeutung für Sicherheit und Entwicklung in Afrika. Sie bilden Stabilitätsanker, die inklusives Wirtschaftswachstum und soziale Entwicklung ermöglichen. Hier kann Deutschland – nicht zuletzt die deutsche Privatwirtschaft – einen relevanten Beitrag zu Frieden und Entwicklung leisten. Durch eine sensible und faire Öffnung von Märkten können die Menschen in Europa und Afrika profitieren.
Die positive Bilanz eines Teils afrikanischer Staaten darf jedoch nicht über anhaltende Probleme und prekäre Lebensbedingungen hinwegtäuschen. Wenn Deutschland mehr Verantwortung bei der Lösung afrikanischer Probleme übernehmen will, muss es sich stärker als bislang für Demokratie und Menschenrechte einsetzen. Die überwiegend beschränkten politischen Freiheiten verstärken nicht nur Ohnmachtsgefühle der Bevölkerung. Sie verschärfen auch soziale Probleme. Afrikas Bevölkerungen wachsen mit durchschnittlich 2,6 % pro Jahr schneller als die aller anderen Kontinente. Nahrungsmittelsicherheit wird zukünftig zu einem noch größeren Problem. Trotz guter geographischer und klimatischer Bedingungen importieren viele Staaten Grundnahrungsmittel aus Asien und Europa. Die extrem jungen Gesellschaften – 41 Prozent sind jünger als 15 Jahre – können der nachwachsenden Generation häufig keine Zukunftsperspektive bieten. 

Ansätze für eine verantwortliche Afrikapolitik
Vier Aspekte sind für eine erfolgreiche deutsche Außenpolitik in Afrika besonders relevant. Erstens muss sie der Komplexität afrikanischer Krisen Rechnung tragen. Wenn politische auf soziale Probleme treffen und sich zu gewaltsamen Konflikten entwickeln, bedarf es eines integralen Ansatzes. Der erfordert die pro-aktive Zusammenarbeit verschiedener Ministerien wie Äußeres, Entwicklung, Verteidigung, Bildung und Landwirtschaft. Zweitens darf die außenpolitische Neuorientierung die Maxime „afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme“ nicht aus dem Blick verlieren. So muss Deutschland zu seinen Zusagen stehen und die afrikanische Sicherheitsarchitektur der Afrikanischen Union weiter unterstützen. Drittens kann Deutschland seinen Einfluss aufgrund der wirtschaftlichen Stärke auf europäischer Ebene und der Weltbühne nutzen, um andere Staaten von einer zukunftsorientierten Afrikapolitik zu überzeugen. Viertens heißt mehr Verantwortung bei der Lösung afrikanischer Probleme auch mehr werteorientierte Politik. Der Schutz von Menschenrechten und die Förderung von Demokratie retten langfristig mehr Leben als militärische Einsätze.

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