Die aktuelle Kolumne

Deutscher Nachhaltigkeitspreis 2020

Kommunale Partnerschaften mit dem Globalen Süden treiben die Agenda 2030 voran

Dick, Eva / Paul Marschall / Christopher Wingens
Die aktuelle Kolumne (2020)

German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Die aktuelle Kolumne vom 07.12.2020

Immer mehr Kommunen tragen direkt zur Verwirklichung der UN-Agenda 2030 bei. Sie agieren als Vorbilder im Klimaschutz, unterstützen fairen Handel, die gesellschaftliche Teilhabe von Migrant*innen und befördern dabei multilaterale Zusammenarbeit und Engagement. Der Preis „Globale Partnerschaften – Kommunale Partnerschaften“, der im Rahmen des Deutschen Nachhaltigkeitstages ausgelobt wird, würdigt herausragende Kooperationen deutscher Städte, Gemeinden und Landkreise mit Kommunen im Globalen Süden. Bei der diesjährigen Preisverleihung am 4. Dezember wurden drei Partnerschaften ausgezeichnet: Die zwei ersten Plätze gingen an die Stadt Landau in Rheinland-Pfalz und den Ruhango Distrikt im ostafrikanischen Ruanda sowie den Landkreis Karlsruhe in Baden-Württemberg mit der Partnerstadt Brusque in Südbrasilien. Den dritten Platz belegte die Partnerschaft zwischen der Stadt Leipzig in Sachsen und der Stadt Addis Abeba in Äthiopien. Diese Partnerschaften zeigen drei wesentliche Trends.

Erstens wird das kommunale Engagement in Deutschland vielfältiger. Nicht nur große, sondern auch kleinere Städte und Kommunen unterhalten inzwischen Partnerschaften im Globalen Süden. Auch die Themen werden vielseitiger. So unterstützt die nunmehr 36-jährige Partnerschaft zwischen Landau und Ruhango die Bildung und Gesundheitsversorgung in dem ruandischen Partnerdistrikt. In den letzten zwei Jahren kam ein mit den Entsorgungsbetrieben Landaus entwickelter Plan zur Verbesserung des Siedlungs- und Wassermanagement hinzu. Die seit 2012 bestehende Klimapartnerschaft zwischen Karlsruhe und Brusque konzentriert sich auf Umwelt- und Wirtschaftskooperation sowie den Austausch zwischen Schulen. Die Vielfalt liegt nicht zuletzt an der in den vergangenen Jahren stark ausgeweiteten Förderung des entwicklungspolitischen Engagements der Kommunen, insbesondere durch die Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW). Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) erhöhte seine für diesen Bereich bereitgestellten Mittel von 5 Millionen Euro im Jahr 2013 auf knapp 31 Millionen Euro im Jahr 2020.

Zweitens profitieren nicht nur die Kommunen im Globalen Süden, sondern auch deutsche Kommunen und ihre Bürger*innen von den Partnerschaften. Dies ist selbst dann der Fall, wenn Lebensstandards sehr unterschiedlich sind. In Landau ist etwa der vom dortigen Freundeskreis Ruhango-Kigoma getragene Second Hand Markt einerseits Haupteinnahmequelle für die Projekte in Ruanda. Andererseits ermöglicht er einkommensschwachen deutschen Haushalten, gebrauchte Waren kostengünstig einzukaufen und sorgt für deren Weiterverwendung durch „Upcycling“. Da beide Kommunen in den letzten Jahren von Überflutungen betroffen waren, konzentriert sich der Verwaltungsaustausch auf Diskussionen, wie die Auswirkungen von Starkregenereignissen abgemildert werden können. In der Partnerschaft zwischen Leipzig und Addis Abeba hat das Projekt „Inklusive Stadt“ die Fortbildung von Vertreter*innen beider Städte über behindertengerechte Stadtentwicklung ermöglicht.

Drittens senden die preisgekrönten Partnerschaften eine wichtige politische Botschaft – durch Ihre Beständigkeit entgegen nationalistischer Alleingänge oder politischer Krisen. So überdauerte die seit 1984 bestehende Partnerschaft zwischen Landau und dem Ruhango-Distrikt auch den Völkermord in Ruanda 1994. Mit der Beteiligung am Bau eines Versöhnungszentrums 2008 wurde zur Aufklärung und zum gesellschaftlichen Frieden beigetragen. Die Partnerschaft zwischen Karlsruhe und Brusque engagiert sich für klima- und umweltfreundliche Entwicklung – „unter dem Radar“ der Politik einer nationalen Regierung, die den Klimawandel leugnet.

Das Beispiel Brusque zeigt allerdings auch, dass der kommunale Handlungsspielraum vor dem Hintergrund nationaler politischer und institutioneller Vorgaben nicht selten begrenzt ist. Dies gilt im Übrigen auch für das entwicklungspolitische Engagement deutscher Städte, Gemeinden und Landkreise. Die Zuständigkeit für die Entwicklungszusammenarbeit liegt hier bei Bund und Ländern. Für die Kommunen gehört sie zu den freiwilligen Handlungsfeldern und ist folglich häufig unterfinanziert.

Trotz zum Teil schwieriger Rahmenbedingungen: Die preisgekrönten Partnerschaften verdeutlichen einmal mehr die wichtige Rolle von Städten und Kommunen für eine nachhaltige globale Entwicklung. Die Kooperationsbeziehungen ermöglichen die Mobilisierung und den Austausch von Wissen, Fachkenntnissen, Technologie und finanziellen Ressourcen (SDG 17.16) – in vielen Fällen mit Lerneffekten in „beide Richtungen“. Die Preisverleihung im Rahmen des Deutschen Nachhaltigkeitstages leistet einen wichtigen Beitrag dazu, das Engagement deutscher Kommunen für die Umsetzung der Agenda 2030 (kurzfristig) sichtbarer zu machen. Um das lokale Potenzial für die globale Transformation zur Nachhaltigkeit auch mittel- und langfristig noch stärker auszuschöpfen, ist eine verstärkte politische, finanzielle und beratende Unterstützung unabdingbar.


Dieser Beitrag wurde im Rahmen einer laufenden SKEW-beauftragten Studie des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) zur kommunalen Entwicklungspolitik in Deutschland verfasst. In enger Kooperation findet zeitgleich die Evaluierung zur Kommunalen Entwicklungspolitik statt, die vom  Deutschen Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit (DEval) durchgeführt wird.

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