Die aktuelle Kolumne
Internationaler Tag der Migranten
„Klimamigration“ als politische Herausforderung: Zeit für eine Bestandsaufnahme der Akteur*innen und Aktivitäten
Schraven, Benjamin / Jamie SlaterDie aktuelle Kolumne (2024)
Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS), Die aktuelle Kolumne vom 16.12.2024
Bonn, 16. 12.2024. Der Klimawandel hat einen erheblichen Einfluss auf Flucht und Migration weltweit. Anlässlich des bevorstehenden Internationalen Tages der Migranten am 18. Dezember werden wieder viele Stimmen aus Politik und Zivilgesellschaft auf den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Migration hinweisen. Auch bei der von vielen als enttäuschend empfundenen Klimakonferenz von Baku war das Thema Migration präsent. Etliche Side-Events widmeten sich dem Komplex Flucht, Migration, Vertreibung und Umsiedlung im Kontext des Klimawandels. Auch bei den eigentlichen Verhandlungen spielte Migration inhaltlich – zumindest am Rande - eine Rolle. Können die Klimaverhandlungen überhaupt etwas bei Flucht und Migration im Zusammenhang mit den Folgen der Erderwärmung bewirken? Sind andere Institutionen und Akteur*innen nicht wichtiger? Müssen die Maßnahmen verschiedener Akteur*innen besser koordiniert werden?
Eine zähe Beziehung: Migration bei den COPs
Seit der Konferenz von Cancún im Jahr 2010 beschäftigen sich die Welt-Klimakonferenzen immer wieder mit dem Themenkomplex Migration, Vertreibung und Umsiedlung (oder kurz: menschliche Mobilität). Obwohl das nun schon eine Zeitspanne von 14 Jahren ist, tun sich die Akteur*innen der internationalen Klimapolitik immer noch etwas schwer mit dem Thema Migration. Auf der COP21 (2015) wurde zwar die Errichtung einer Task Force on Displacement beschlossen, diese befasst sich jedoch bis heute vor allem mit grundsätzlichen Erwägungen zu den Zusammenhängen zwischen Klimawandel und menschlicher Mobilität.
Bei der letztjährigen COP 28 in Dubai schien dann eine neue Dynamik aufzukommen: Man einigte sich auf einen Loss and Damage-Fonds zur Entschädigung der besonders von den Auswirkungen des Klimawandels betroffenen Länder. Loss and Damage beschreibt unterschiedliche klimawandelbedingte Schäden an Infrastrukturen aller Art, an landwirtschaftlichen Nutzflächen oder Viehbeständen sowie nicht wiederherstellbare Verluste, etwa an Menschenleben, der biologischen Vielfalt oder eben durch Vertreibung. In der Beschreibung des Loss and Damage-Fonds ist von der „Förderung einer gerechten, sicheren und würdigen menschlichen Mobilität in Fällen von vorübergehenden und dauerhaften Verlusten und Schäden” die Rede. Vieles bleibt hier allerdings auch nach der COP 29 in Baku vage und unklar.
Jenseits der Klimaverhandlungen
Allerdings wird „Klimamigration“ immer mehr auch außerhalb der internationalen Klimaverhandlungen politisch angegangen. Die Beziehungen zwischen Klimawandel und Mobilität sind genauso vielfältig und hochkomplex wie die politischen Herausforderungen, die sich daraus ergeben. Menschliche Mobilität im Kontext des Klimawandels ist per se nichts Negatives und „Klimaflüchtlingskrisen“ in Europa sind bis auf Weiteres eher unrealistisch. „Klimamobilität“ spielt sich vorwiegend innerhalb betroffener Länder und Regionen ab und kann unter gewissen Umständen sogar eine Anpassungsstrategie an die Folgen des Klimawandels darstellen. Der generelle politische Auftrag besteht darin, das positive Potential von Migration als Anpassungsstrategie zu fördern und Gefahren und Risiken wie Vertreibung etwa durch Prävention so gut es geht zu minimieren. In diesem Sinne ist rund um das Thema „Klimamigration“ in den letzten Jahren eine komplexe politische Landschaft aus verschiedensten Institutionen und Organisationen entstanden. Diese umfasst unterschiedliche Politikbereiche und Aktionsfelder: Die Internationale Organisation für Migration (IOM), das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) oder die Plattform on Disaster Displacement (PDD) etwa entwickeln und koordinieren schon seit geraumer Zeit Projekte und Programme, um klimabezogene Mobilität zu adressieren. Akteure wie die Europäische Union (EU) und einige nationale Regierungen reden hier ein entscheidendes Wort mit – nicht zuletzt, da sie viele Maßnahmen finanzieren. Zivilgesellschaftliche Organisationen mischen ebenso tatkräftig mit.
Ein Mangel an Übersicht
Viele politische Maßnahmen zu „Klimamobilität“ konzentrieren sich auf eine Sensibilisierung der Stakeholder*innen oder eine Verbesserung der Datenlage. Aufgrund der Dynamik und Vielzahl der Akteur*innen und Prozesse vermag wohl niemand genau zu sagen, wo welche thematischen Schwerpunkte angegangen werden, wer mit wem und wo genau zusammenarbeitet und welche Konstellationen besonders effektiv sind. Es mangelt nicht an Vorschlägen für eine effektivere Koordination der unterschiedlichen Akteur*innen – etwa durch die Einrichtung einer Super-Task Force für Klimamobilität unter dem Dach der Vereinten Nationen. Solche Schlussfolgerungen sind aber voreilig: Es bedarf vor allem einer umfangreichen Bestandsaufnahme der Akteur*innen und ihrer Aktivitäten und einer tiefgreifenden Analyse, was wo warum wirkt - und was nicht.
Jamie Slater ist Junior Policy Officer am European Centre for Development Policy Management (ECDPM) und arbeitet im Team für Migration und Mobilität. Er ist spezialisiert auf Arbeitsmigration und Klimawandel und Migration. Jamie hat einen Hintergrund in Forschung und Interessenvertretung und hat für die Platform for International Cooperation on Undocumented Migrants, das Migration Policy Institute Europe und die Universität Leiden gearbeitet.
Benjamin Schraven ist Sozialwissenschaftler und assoziierter Wissenschaftler in der Forschungsabteilung „Umwelt-Governance“ am German Institute of Development and Sustainability (IDOS).