Die aktuelle Kolumne
Die Bundestagswahl 2025
Internationale Entwicklungszusammenarbeit: auch ein nationales Interesse
Furness, MarkDie aktuelle Kolumne (2025)
Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS), Die aktuelle Kolumne vom 27.01.2025
Bonn, 27. Januar 2025. Die Bundestagswahl rückt näher, und die Debatte um die Entwicklungshilfe spitzt sich zu. In den letzten Jahren wurden die Diskussionen häufig durch Fehlinformationen angeheizt, etwa wenn es um ein von Deutschland mitfinanziertes Radwegenetz in Peru oder eine Metrolinie in Indien ging, die durch Kredite der Förderbank KfW ermöglicht wurden. Derartige Fake News stammen häufig von Akteur*innen der extremen Rechten des deutschen politischen Spektrums, die die internationale Entwicklungszusammenarbeit gerne als sinnloses Werk woker Gutmenschen darstellen, die meinen, die Welt retten zu müssen.
Dies ist keine einfache Debatte für Menschen, die in der Entwicklungszusammenarbeit tätig sind, denn die meisten von ihnen sind von den Prinzipien der globalen Solidarität und Nachhaltigkeit motiviert, statt von eigenen Interessen oder denen ihres Landes. Außerdem ist der Vorrang der Interessen der Partnerländer ein Grundprinzip der Entwicklungszusammenarbeit. Nichtsdestotrotz gilt es – vor allem in Wahlkampfzeiten – deutsche Wähler*innen ernst zu nehmen, die nicht verstehen, warum öffentliche Gelder in Projekte in Afrika fließen, statt in die deutsche Infrastruktur (oder sogar für bayerische Bäuer*innen).
Entwicklungszusammenarbeit ist komplex und nicht jedes Engagement ist erfolgreich. Deshalb liegt ein großer Fokus der Forschung am IDOS darauf herauszufinden, was funktioniert und was sich ändern muss, sowohl in den Partnerländern als auch in den Geberländern und -organisationen. Es gibt allerdings mehrere gute Gründe, warum eine aus dem öffentlichen Haushalt finanzierte internationale Entwicklungszusammenarbeit sowohl den nationalen Interessen Deutschlands dient als auch die globale Solidarität und Nachhaltigkeit fördert.
Zunächst einmal schafft die internationale Zusammenarbeit Zugang zu politischen Entscheidungsträger*innen in anderen Ländern. Das ist auch Russland und China bekannt, die ihr Engagement in den letzten Jahrzehnten im „Globalen Süden“ verstärkt haben. China und Russland wissen auch, dass man nicht nur reden, sondern auch etwas auf den Tisch legen muss. So hat China massive Investitionen in Infrastruktur und Industrie angeboten, während Russland autoritäre Machthaber direkt unterstützt hat. Wenn Deutschland den Entwicklungsbereich China und Russland überlässt, hätte das Auswirkungen auf seine Sicherheit. Russland gewinnt vor allem durch seine Interventionen in autoritären Ländern an Stärke. Mit seinem Engagement kann Deutschland zudem große Herausforderungen besser bewältigen, die eine Zusammenarbeit erfordern, wie etwa Flüchtlingskrisen. Die aktuelle Situation in Syrien ist ein gutes Beispiel dafür. Deutschland hat ein großes Interesse an dem friedlichen Übergang in Syrien, schließlich leben viele Syrer*innen hier.
Ein zweiter Grund ist, dass die Zusammenarbeit öffentliche Güter hervorbringt, die allen zugutekommen. Die Welt wird immer vernetzter, und bei der internationalen Zusammenarbeit geht es zunehmend um den Aufbau von Konnektivität, sowohl virtuell als auch konkret über Handelskorridore. Öffentliche Güter erfordern öffentliche Investitionen, die wirtschaftliche Beziehungen, Wissen und öffentliche Gesundheit fördern. Ein Großteil dieser Investitionen erfolgt über rückzahlbare Entwicklungskredite, die Deutschland wenig kosten. Auch der private Sektor profitiert von der Bereitstellung öffentlicher Güter. Der deutsche Technologiekonzern Siemens ist stark an Konnektivitätsprojekten beteiligt, zum Beispiel in Indien und Ägypten. Solche Initiativen sorgen für Steuereinnahmen und Arbeitsplätze in Deutschland. Investitionen in grüne Technologien, wie Wasserstoffprojekte in Nordafrika, zielen darauf ab, öffentliche Güter für eine nachhaltige Zukunft auf lokaler und internationaler Ebene bereitzustellen. Diese Initiativen sind noch in der Anfangsphase, haben aber das Potenzial, den deutschen Energie- und Transportsektor entscheidend voranzubringen.
Drittens trägt das Engagement dazu bei, Lebensstandards in den Partnerländern zu verbessern, was Deutschland sowohl indirekt als auch direkt zugutekommt. Entwicklungsprogramme, die auf Regierungsführung, Kapazitäten, Produktion und Nachhaltigkeit im Zielland ausgerichtet sind, können Menschen persönliche und wirtschaftliche Sicherheit und Perspektiven für ihre Familien in ihren Heimatländern bieten. Dies wiederum schafft Chancen für deutsche Investor*innen und Exporteure. Menschen, die einen sicheren Weg nach Europa suchen, können sich im Rahmen von Ausbildungsprogrammen wie den EU-Talentpartnerschaften Fähigkeiten aneignen und damit dem Arbeitskräftemangel in Europa entgegenwirken. Bessere Lebensstandards in den Herkunftsländern wiederum machen die Rückkehr zu einer attraktiveren Option.
Entwicklungszusammenarbeit macht zuweilen den Eindruck einer „eierlegenden Wollmilchsau“. Sie ist mit teils unrealistischen Erwartungen hinsichtlich der Lösung globaler und lokaler Herausforderungen verbunden, und das oft in Kontexten, in denen sich mächtige Akteure gegen Veränderungen sträuben. Entwicklungsgelder werden für alles verwendet, von Kläranlagen über Mikrokredite, die Ausbildung von Polizeikräften bis hin zu Klimaschutzmaßnahmen. Denn all diese Bemühungen zielen darauf ab, Lebensbedingungen zu verbessern und Chancen zu schaffen. Die internationale Zusammenarbeit ist für die fortwährende Entwicklung Deutschlands – als sicheres, demokratisches, und einflussreiches Land – ebenso wichtig wie für die Länder, in denen Deutschland Entwicklungsprojekte finanziert.