Die aktuelle Kolumne
Die Bundestagswahl 2025
Hitzefrei? Klimapolitik lässt sich nicht auf die lange Bank schieben
Brandi, Clara / Steffen Bauer / Mariya AleksandrovaDie aktuelle Kolumne (2025)
Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS), Die aktuelle Kolumne vom 19.02.2025
Bonn, 19. Februar 2025. Der Bundestagswahlkampf wird von der Migrationspolitik und wirtschaftlichen Fragen dominiert. War Klimapolitik vor der letzten Bundestagswahl 2021 noch ein zentrales Wahlkampfthema, so wird dieses aktuell weitgehend ausgeblendet. Das verheißt nichts Gutes für Deutschlands zukünftige Rolle in der globalen Klimapolitik. Die Klimapolitik und die damit einhergehenden internationalen Verpflichtungen Deutschlands beiseite zu schieben, wäre jedoch ein schwerer Fehler, ungeachtet unterschiedlicher parteipolitischer Präferenzen in egal welcher neuen Koalitionsregierung.
Klimapolitik ist kein Thema, das sich auf die lange Bank schieben lässt. Sie wird wohl oder übel ein Bestandteil auch des nächsten Regierungsprogramms sein. Die Frage ist eher wie als ob. In welcher Form, mit welchem Anspruch? Die bevorstehenden Koalitionsverhandlungen werden unweigerlich von innenpolitischen Prioritäten, dem Gerangel um Ministerien und den Bundeshaushalt dominiert werden. Die klimapolitischen Erfordernisse dabei zu ignorieren, käme einer selbstzerstörerischen Nabelschau gleich. Warum?
Zunächst einmal würde die ausschließliche Fokussierung auf nationale Interessen – wie etwa Energiesicherheit oder den Erhalt von Arbeitsplätzen im Industriesektor – die Perspektiven der Außenwelt und somit die Potenziale der globalen Partner Deutschlands und Europas übersehen. Für die geht es bei der Klimafinanzierung nicht um Almosen. Es geht um gemeinsame wirtschaftliche Chancen und um die Glaubwürdigkeit Deutschlands als verlässlicher internationaler Partner. Ein nach innen gerichteter Ansatz, der die internationale Klimakooperation als entbehrliche Übung in internationaler Solidarität abtut, ist daher nicht nur ethisch problematisch, sondern auch strategisch kurzsichtig. Er würde die multilaterale Zusammenarbeit erschüttern, die Ziele des Pariser Klimaabkommens untergraben und riskieren, dass vormalige internationale Partner und Verbündete sich Europas geopolitischen Konkurrenten zuwenden.
Naheliegender ist deshalb ein verlässliches Engagement Deutschlands für die internationale Klimafinanzierung. Die Mobilisierung angemessener finanzieller Mittel zur Erfüllung internationaler Verpflichtungen ist dabei nicht nur moralische Verpflichtung, sondern eine Investition in Deutschlands zukünftigen Wohlstand und Sicherheit. Wenn Deutschland nicht in die klimafreundliche Modernisierung und Klimaresilienz im Ausland investiert, riskiert es, auf den Märkten, die das globale Wachstum in den kommenden Jahrzehnten vorantreiben werden, ins Abseits zu geraten. Viele Schwellenländer bauen erneuerbare Energien und grüne Infrastrukturen rasant aus und sind offen für die Einfuhr entsprechender Technologien. Diese Märkte sind die Zukunft von Handel, Investitionen und Innovation. Länder, die jetzt in internationale Klimafinanzierung und entsprechende Kooperationspartnerschaften investieren, können sie mitgestalten und von deren Wachstum profitieren.
Umgekehrt sehen viele Partnerländer den klimafreundlichen Strukturwandel als Chance für Innovation, Wachstum und nachhaltige Entwicklung ihrer Wirtschaft sowie zur Stärkung ihrer Widerstandsfähigkeit gegenüber den zunehmend spürbaren Folgen des Klimawandels. Deutschland muss anerkennen, dass Klimafinanzierung bereits heute die geopolitische Landschaft prägt. Initiativen wie Chinas „Neue Seidenstraße“ und das Global Gateway der EU setzen weltweit auf die Finanzierung nachhaltiger Infrastrukturen und Energiesysteme. Dabei geht es nicht um Wohltätigkeit, sondern um konkurrierende Strategien, den jeweiligen geopolitischen Einfluss auszuweiten und den Zugang zu zukünftigen Märkten und kritischen Ressourcen zu sichern. Würde Deutschland sein einschlägiges Engagement zurückfahren, würde es innerhalb der EU an Mitspracherecht einbüßen und Abstriche an seiner globalen Wettbewerbsfähigkeit zumindest in Kauf nehmen. Ureigene nationale Interessen stünden auf dem Spiel.
Darüber hinaus erhöht die Aufgabe internationaler Klimaverpflichtungen die Risiken, die sich aus klimabedingten Katastrophen, Verlusten und Schäden ergeben, was wiederum weltweit Instabilität und Krisen verschärfen würde. Neben den daraus resultierenden humanitären Herausforderungen hätten Deutschland und Europa unweigerlich mit den Folgen zu kämpfen: unsichere Lieferketten, steigende Kosten für wirtschaftliche Transaktionen und krisenbedingte Interventionen, sowie eine Zunahme von Menschen, die durch eskalierende Konflikte, wirtschaftliche Aussichtslosigkeit und schwierige Umweltbedingungen aus ihrer Heimat vertrieben werden. All dies würde nur den Kräften in die Hände spielen, für die Disruption und Chaos zu gezielten Geschäftsmodellen geworden sind. Es würde die Chancen auf nachhaltigen Wohlstand und Frieden in Deutschland gefährden, was dem nationalen Interesse offensichtlich zuwiderlaufen würde.
Im Gegensatz dazu wird die neue Regierung gut beraten sein, die Debatte über die deutsche Klimapolitik neu zu starten und grundlegend umzugestalten. Sie sollte die internationale Klimafinanzierung als strategisches Instrument begreifen und nutzen, um eine internationale Führungsrolle zu übernehmen und damit die wirtschaftliche und geopolitische Zukunftsfähigkeit Deutschlands zu sichern. Nach der Bundestagswahl steht Deutschland vor der Wahl, sich entweder aus seiner globalen Verantwortung zu stehlen oder sich den Herausforderungen einer klimapolitischen Führungsrolle zu stellen - zu seinem eigenen Nutzen und zum Wohl einer gerechteren, stabileren und wohlhabenderen Welt.