Die aktuelle Kolumne
Jetzt anpassen – und zwar fair!
Globale Kommission fordert Sofortmaßnahmen zur Klimaanpassung
Bauer, Steffen / Mariya AleksandrovaDie aktuelle Kolumne (2019)
Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), (Die aktuelle Kolumne vom 11.09.2019)
Bonn, 11.09.2019. Es brennt! Selbst wenn es der internationalen Gemeinschaft gelingen sollte, den globalen Temperaturanstieg auf durchschnittlich 1,5°C zu begrenzen, wird die Welt bereits heute mit immer gravierenderen Folgen des Klimawandels konfrontiert. Extreme Wetterereignisse, wie der Hurrikan Dorian, werden sich häufen. Ebenso verheerend, wenn auch weniger beachtet, sind schleichende Veränderungen wie der Anstieg des Meeresspiegels, anhaltende Dürren oder Versalzung von Ackerland, die die Lebensgrundlagen von Millionen Menschen weltweit beeinträchtigen werden. Die jüngsten Sonderberichte des Weltklimarats (IPCC) zu einer <link https: www.ipcc.ch sr15>globalen Erwärmung um 1,5°C und zum <link https: www.ipcc.ch report srccl>Zusammenhang von Klimawandel und Landsystemen haben dies in aller Deutlichkeit gezeigt.
Der zunehmende Druck von Wissenschaftlern, Nichtregierungsorganisationen und vor allem junger Menschen, gegen den Klimawandel vorzugehen, gibt Anlass zu neuerlichem Optimismus. Dennoch bleiben Staats- und Wirtschaftswelt im Hinblick auf ausreichend ehrgeizige Minderungs- und Anpassungsmaßnahmen hinter den Erfordernissen zurück. Während die Notwendigkeit, die Kohlenstoffemissionen drastisch zu reduzieren, inzwischen weithin akzeptiert ist, scheinen Regierungen und Wirtschaftsführer die Dringlichkeit und Tragweite der Anpassungsherausforderung noch nicht begriffen zu haben.
Ein in dieser Woche von der <link https: gca.org global-commission-on-adaptation report>Global Commission on Adaptation herausgegebener Bericht verdeutlicht diesen Punkt mit bemerkenswerter Klarheit. Die 2018 gebildete Kommission hat unter dem gemeinsamen Vorsitz des ehemaligen UN-Generalsekretärs Ban Ki-Moon, Bill Gates und der designierten IWF-Chefin Kristalina Georgieva ein starkes Narrativ entwickelt, um notwendige Anpassungsmaßnahmen zu beschleunigen. Es stützt sich auf die Autorität von 34 hochrangigen Mitgliedern, zu denen auch der <link http: www.bmz.de de presse aktuellemeldungen september index.html>deutsche Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Gerd Müller, zählt.
Der Aufruf der Kommission, jetzt in Anpassung zu investieren, wird durch einen dreifachen Appell unterstrichen. Klimabedingte Ungleichheiten müssen dringend angegangen werden (menschlicher Imperativ); die Natur muss geschützt und zur Stärkung von Klimaresilienz genutzt werden (Umweltimperativ); beides erfordert massive Investitionen in Anpassung, sowohl aus öffentlichen als auch aus privaten Quellen (wirtschaftlicher Imperativ). Beherzige man diese Imperative, werde eine „dreifache Dividende“ generiert, in der vermiedene Verluste, wirtschaftlicher Gewinn und Sozial- und Umweltnutzen zusammenfallen. Die Kommission schätzt, dass weltweite Investitionen von 1,8 Billionen Dollar in Frühwarnsysteme, klimabeständige Infrastruktur, erweiterte Trockenlandwirtschaft, Mangrovenschutz und verbessertes Wasserressourcenmanagement bis 2030 insgesamt Nettogewinne von 7,1 Billionen Dollar einbringen könnten.
Die Kommission plädiert daher für „Revolutionen“ beim Verständnis von Klimarisiken, bei der Planung und Umsetzung von Anpassungslösungen sowie bei öffentlichen und privaten Finanzierungsmechanismen zum Aufbau von Resilienz. Zu diesem Zweck setzt sie konkrete Ziele in besonders relevanten Handlungsfeldern – „Action Tracks“ –, darunter Ernährungssicherheit, natürliche Umwelt, Wasser, Städte, Infrastruktur und Katastrophenrisikomanagement. Dabei werden vor allem lokal gesteuerte Maßnahmen, naturnahe Lösungen sowie der Finanz- und Investitionsbereich als Ansatzpunkte für eine effektive Anpassung herausgestellt. Der Bericht betont zudem nachdrücklich, dass Investitionen in Anpassung und Resilienz fair sein müssen. In der Tat sollten Anpassungsmaßnahmen die Tatsache widerspiegeln, dass diejenigen, die am wenigsten zur anthropogenen Erwärmung beigetragen haben, in der Regel am stärksten von ihren Auswirkungen betroffen sind. Kurz gesagt, Anpassungsmaßnahmen in reichen Ländern dürfen nicht zu Lasten der armen Länder gehen.
Das alles weist in die richtige Richtung. Gleichzeitig wirft der Bericht Fragen nach seiner Positionierung in der internationalen Klima-Governance auf. Anpassung ist längst zu <link https: unfccc.int>einem integralen Bestandteil der globalen Klimapolitik geworden. Tatsächlich wurden sowohl Anpassung als auch durch den Klimawandel verursachte Verluste und Schäden als Kernpunkte in eigenen Artikeln des Pariser Klimaabkommens verankert. Sicherlich will die Global Commission on Adaptation weder das Rad neu erfinden noch institutionelle Redundanzen und Kompetenzgerangel verursachen. Der Bericht lässt jedoch die Frage nach dem Zusammenwirken der Kommission und ihrer empfohlenen Aktionsbereiche einerseits und der institutionellen Architektur der multilateralen Klimapolitik andererseits weitgehend offen.
Ebenso schweigt er zu den Grenzen von Anpassung und den Risiken von Fehlanpassung. Auch diese zu thematisieren würde helfen, eine umfassende Debatte über eine zielführende Anpassungspolitik voranzutreiben und entsprechende Handlungsprioritäten auf faire und transparente Weise festzulegen. Es würde auch dazu beitragen, der Tatsache ins Auge zu sehen, dass, obwohl es in der Tat unerlässlich ist, sehr viel mehr Finanzmittel für Anpassung zu mobilisieren, mehr Geld allein die mit den Klimarisiken verbundenen Herausforderungen nicht lösen wird. Wir können uns nicht einfach aus der Klimakrise herauskaufen, wir müssen uns anpassen – jetzt!