Die aktuelle Kolumne
Internationaler Frauentag 2025
Gefährlicher Backlash: Feministische Entwicklungspolitik am Scheideweg
Götze, Jacqueline / Maryam Khalid / Tina ZintlDie aktuelle Kolumne (2025)
Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS), Die aktuelle Kolumne vom 06.03.2025
Bonn, 6. März 2025. Deutschland folgte mit der Einführung seiner feministischen Entwicklungs- und Außenpolitik im März 2023 einem globalen Trend. Neue Dynamiken und ein Erstarken frauenfeindlicher Positionen haben die Aufmerksamkeit jedoch auf andere Bereiche gelenkt. Dessen ungeachtet sollten sich politische Entscheidungsträger*innen auf allen Ebenen entschlossen dafür einsetzen, dass Menschen aller Geschlechter Zugang zu gleichen Rechten und Ressourcen und gleicher Repräsentation genießen. Nur dann können alle Mitglieder der Gesellschaft aktuelle wirtschaftliche, politische, ökologische und sicherheitspolitische Herausforderungen bewältigen.
Der 8. März ist für Länder mit feministischer Politik ein guter Anlass zu prüfen, welche Fortschritte hin zu Geschlechtergerechtigkeit sie, auch als Grundlage für eine nachhaltige Entwicklung, erreicht haben. Leider sind nationalistische und ausgrenzende Politik überall auf dem Vormarsch. Die USA haben unter Trump die rechtliche Anerkennung anderer Geschlechtsidentitäten rückgängig gemacht und die Finanzierung von USAID eingestellt und damit den Zugang zu sozialer Infrastruktur in über 120 Ländern eingeschränkt. Diese kurzsichtigen Entscheidungen haben die Geschlechterungleichheit weltweit verschärft. In den sozialen Medien nehmen anti-Gender- und antidemokratische Inhalte sowie geschlechtsspezifische Desinformation zu, was die Polarisierung weiter vorantreibt. Dieser Backlash wirft die dringende Frage auf, wie angesichts der globalen Herausforderungen bisherige Fortschritte bei der Gleichstellung der Geschlechter gesichert und sogar ausgeweitet werden können.
Wie auch zwei IDOS-Projekte verdeutlichen, beeinträchtigen strukturelle Ungleichheiten und die anhaltende geschlechtsspezifische Ausgrenzung den Erfolg entwicklungspolitischen Engagements. Das GIZ-finanzierte Projekt „Feministische Beschäftigungspolitik“ hat gezeigt, dass Frauen in Haushalten mit restriktiven sozialen Normen systematisch benachteiligt werden. Dadurch können sie, auch zum Nachteil der lokalen Wirtschaftssituation, seltener eine bezahlte Arbeit annehmen und in formelle Lohnarbeit aufsteigen. Ergebnisse des von GIZ und IDOS finanzierten Projekts „Lokale feministische Perspektiven als Transformationshebel für mehr Geschlechtergerechtigkeit“ zeigen, dass transnationale Kooperationsnetzwerke und Solidarität gefördert werden müssen, um systemimmanente Hindernisse für die Rechte und Repräsentation von Menschen mit marginalisierten Geschlechtsidentitäten anzugehen. Beide Projekte verdeutlichen, wie wichtig es ist, feministische Dimensionen in der internationalen Zusammenarbeit zu berücksichtigen, insbesondere da Menschen mit marginalisierten Geschlechtsidentitäten überproportional von Polykrisen betroffen sind. Gesellschaftliche Resilienz ist wichtiger denn je und ein Ausschluss von mehr als der Hälfte der Bevölkerung wirkt sich negativ auf die Entwicklungschancen aller aus.
Die Einbindung des globalen Südens könnte noch wichtiger werden, um Allianzen zum weltweiten Schutz der Demokratie und der Rechte aller Geschlechter zu bilden. Partnerländer wie Mexiko haben sich mit ihrer Innen- und Außenpolitik zur Gleichstellung der Geschlechter verpflichtet. Deutschland und seine Partner können multilateral auf den Erfahrungen ihrer feministischen Politik aufbauen. Damit verfügen sie über die nötigen Instrumente, ein „echtes“ Gender-Mainstreaming umzusetzen, etwa durch die Einbeziehung geschlechterspezifischer Aspekte in unterschiedlichen Politikfeldern (z. B. geschlechtergerechte Strategien der sozialen Sicherung und Beschäftigungspolitik).
Dieses Jahr haben Deutschland, die EU und weitere Partner viele Gelegenheiten, diese multilateralen Allianzen zu bilden und sich in globalen Foren für Geschlechterfragen einzusetzen, zum Beispiel anlässlich des 30. Jahrestages der Verabschiedung der Pekinger Erklärung und Aktionsplattform. Vor 25 Jahren wurde zudem die Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“ verabschiedet – ein weiteres Jubiläum, das den Vertreter*innen von Staaten, der Zivilgesellschaft und anderen Akteur*innen einen Anstoß geben kann, mehr Gleichstellung zu fordern. Auch politische Prozesse im Bereich nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz bieten gute Ansatzpunkte, geschlechtsspezifische Perspektiven einzubringen: etwa das nächste Hochrangige Politische Forum für Nachhaltige Entwicklung (HLPF) in New York, bei dem unter anderem das 5. UN-Ziel für nachhaltige Entwicklung zu Geschlechtergleichheit im Mittelpunkt stehen wird, oder die kommende Vertragsparteienkonferenz (COP) des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) in Brasilien.
Geschlechterfragen sind integraler Bestandteil verschiedener Politikbereiche und müssen von populistischen Diskursen abgeschirmt werden, die nur darauf abzielen, vom eigentlichen Problem abzulenken: nämlich eingeschränkten Entwicklungschancen aufgrund von Geschlechterdiskriminierung. So behindert etwa die von antifeministischen Positionen angeheizte Debatte um Gendersternchen einen eingehenden Austausch darüber, wie Geschlechtergleichheit erreicht werden kann. Es liegt in unser aller Interesse, transformative Veränderungen für mehr Geschlechtergerechtigkeit und internationale Zusammenarbeit zu unterstützen. Deutschland und seine Partner sollten ihr transformatives Potenzial nutzen und sich nicht trotz, sondern gerade wegen des aktuellen politischen Klimas aktiv für Gleichstellung einsetzen!
Dr. Jaqueline Götze ist Politikwissenschaftlerin und Assoziierte Wissenschaftlerin der Forschungsabteilung Inter- und Transnationale Zusammenarbeit am German Institute of Development and Sustainability (IDOS).
Maryam Khalid ist Praktikantin am German Institute of Development and Sustainability (IDOS) und absolviert derzeit ihren Master in Development Studies an der Universität Bayreuth.
Dr. Tina Zintl ist Politikwissenschaftlerin in der Forschungsabteilung Transformation der Wirtschafts- und Sozialsysteme am German Institute of Development and Sustainability (IDOS).