Die aktuelle Kolumne

Fair genug? Gerechtigkeit ist der Schlüssel zum neuen Klimaabkommen

Bauer, Steffen / Pieter Pauw
Die aktuelle Kolumne (2014)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne, 02.06.2014)

Bonn, 2. Juni 2014. Seit Mittwoch tagt in Bonn eine weitere Runde der internationalen Klimaverhandlungen. Die 196 Vertragsparteien der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) haben die Aufgabe, den Weg zu einem ehrgeizigen internationalen Klimaabkommen zu ebnen, das im Dezember 2015 in Paris verabschiedet werden soll. Auch wenn die Klimaverhandlungen jedes Jahr ein Stück vorankommen, räumen selbst notorische Optimisten ein, dass die jetzt anstehende Verhandlungsrunde eine der letzten Gelegenheiten ist, einen bedeutsamen „Global Deal“ auf den Weg zu bringen. Entscheidend ist: Ein solches Abkommen kann nur funktionieren, wenn es gerecht ist. Dazu muss es den Unterhändlern endlich gelingen, die Spaltung in Industrie- und Entwicklungsländer zu überwinden, die mit dem Kyoto-Protokoll der UNFCCC von 1997 in Stein gemeißelt wurde.

In den letzten Verhandlungsrunden wurde immer deutlicher, dass nur ein von allen Vertragsparteien als gerecht empfundener Vertrag das Potenzial zu einem wirksamen globalen Abkommen hat. Ein typisches Beispiel dafür ist die Unnachgiebigkeit, mit der sich die USA und China gegenüberstehen. Die USA finden es unfair, dass Schwellenländer mit rasant steigenden Emissionen von der Minderungspflicht befreit sind. China sieht in den historischen Emissionen der USA einen ungerechtfertigten Vorteil und in den US-Forderungen nach verbindlichen Emissionsminderungen eine Einschränkung seines Rechts auf Entwicklung.

Kein gerechtes Abkommen heißt überhaupt kein Abkommen

Diese Polarisierung demonstriert, dass jeder – selbst von nur wenigen Parteien – für ungerecht gehaltene Vorschlag scheitern wird. Absolute Gerechtigkeit ist jedoch utopisch und im gegebenen internationalen System undenkbar. Also müssen die Verhandlungspartner eine Vereinbarung treffen, die für alle Vertragsparteien „fair enough“ – „fair genug“ – ist. Das setzt voraus anzuerkennen, dass der globale Charakter des Klimawandels unweigerlich gemeinsame Verantwortung bedeutet. Allerdings ist die Verantwortung für die Ursachen des Klimawandels ungleich verteilt, ebenso wie sein Ausmaß und die Möglichkeiten, ihn zu bewältigen. Daher müssen Verantwortlichkeiten entsprechend differenziert werden.

Das bestehende System gemäß UNFCCC und Kyoto-Protokoll wendet das Prinzip der <link https: www.die-gdi.de en discussion-paper article different-perspectives-on-differentiated-responsibilities-a-state-of-the-art-review-of-the-notion-of-common-but-differentiated-responsibilities-in-international-negotiations external-link-new-window externen link in neuem>„gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung“ an, indem es die Industrieländer (Annex-I-Staaten) von allen anderen Ländern unterscheidet. Nur die Erstgenannten sind verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Das hat sich für die internationale Klimapolitik als Pyrrhussieg erwiesen: Es trug zwar dazu bei, dass überhaupt ein Abkommen erreicht wurde, schuf jedoch ein System, das weder gerecht noch wirksam ist und vor allem keinen Aktualisierungsmechanismus vorsieht.

Der dynamische Anstieg der Emissionen in Schwellenländern macht eine Fokussierung allein auf historische Emissionen unfair. Gleichzeitig haben die meisten Industrieländer ihre ungezügelten Emissionsniveaus bestenfalls stabilisiert, obwohl klar ist, dass diese unverantwortlich hoch sind. Das wiederum untergräbt ihre Glaubwürdigkeit gegenüber den Schwellenländern. Für arme Entwicklungsländer sind die gegenseitigen Schuldzuweisungen der Industrie- und Schwellenländer eher zynisch als gerecht. Insofern ist es ermutigend, dass die Unterhändler quasi aller Länder, zumindest auf individueller Ebene, darin übereinstimmen, dass die dichotome Logik des Kyoto-Protokolls überwunden werden muss. Was also braucht es, damit das am Verhandlungstisch gelingt?

Gerechtigkeit erfordert Flexibilität

Erfahrungen aus der Vergangenheit wie das bemerkenswert erfolgreiche Montrealer Protokoll über ozonschädigende Substanzen, machen die Vorzüge von Flexibilität deutlich. Bei mit der Zeit variierenden Emissionstrends erweisen sich internationale Abkommen mit Raum für Anpassungen als wirksamer als statische Bestimmungen. Die starre Dichotomie des Kyoto-Protokolls ist ein abschreckendes Beispiel und muss aufgegeben werden. Die bloße Einführung weiterer Länderkategorien hieße allerdings, den Fehler von Kyoto zu wiederholen. Vielmehr sollte das Abkommen von 2015 einen Kriterienkatalog mit der Möglichkeit der Differenzierung vorsehen. Das ist erstens absehbar gerechter als ein alleiniger Fokus auf absoluten Emissionen oder dem Niveau des Wirtschaftswachstums und zweitens flexibel, da es einen planbaren und transparenten "Aufstieg" (oder "Abstieg") einzelner Länder zwischen verschiedenen Gruppen ermöglicht, und zwar je nach ihrer Entwicklung gegenüber den relevanten Parametern. Ein Aufstieg würde automatisch zur Übernahme von mehr Verantwortung führen.

Über die mögliche Operationalisierung von Gerechtigkeit im Klimaabkommen von 2015 wird auf politischer Ebene entschieden. Letztendlich liegt Fairness im Auge des Betrachters. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass ein bedeutsames Abkommen zum Schutz des Weltklimas ohne eine solide Grundlage keine Wirkung entfalten kann. Wenn sie nicht gelegt wird, wird niemand Gerechtigkeit erfahren – nicht die schutzbedürftigsten Gruppen ohne Einfluss auf die laufenden Verhandlungen und erst recht nicht zukünftige Generationen. Das wäre dann tatsächlich nicht „fair enough“.

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