Die aktuelle Kolumne
Die SDGs und Schuldentragfähigkeit: Ein inhaltsloses Versprechen?
Berensmann, Kathrin / Maren BuchholtzDie aktuelle Kolumne (2015)
Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne, 16.03.2015)
Die Verhandlungspartner arbeiten daran, auf der Generalversammlung der Vereinten Nationen Ende September 2015 eine neue <link internal-link internen link im aktuellen>Post-2015-Agenda mit universellen Zielen nachhaltiger Entwicklung, den Sustainable Development Goals (SDGs), zu verabschieden. Eine intergouvernementale Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen hat einen umfassenden Vorschlag von 17 Zielen und 169 Unterzielen für nachhaltige Entwicklung vorgelegt.
Bonn, 16.03.2015. Laut Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) sind aktuell ein Viertel der ärmsten Länder so hoch verschuldet, dass für sie ein erhöhtes Risiko einer Schuldenkrise besteht. Im Verhältnis zur Wirtschaftskraft des Landes gelten ihre Schulden als nicht „tragfähig“. Gemäß dem von der <link https: sustainabledevelopment.un.org owg.html external-link-new-window externen link in neuem>Open Working Group (OWG) der Vereinten Nationen vorgeschlagenen Unterziel 17.4 soll die internationale Gemeinschaft zukünftig, „mit einer koordinierten Politik im Bereich der Schuldenumstrukturierung die Entwicklungsländer dabei unterstützen, langfristig Schuldentragfähigkeit zu erreichen…“. Damit knüpft dieses Unterziel des 17. SDGs (Stärkung der Umsetzungsmittel und Wiederbelebung der globalen Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung) an die von den Vereinten Nationen durchgeführten Initiativen zur Umstrukturierung von Staatsschulden sowie zur verantwortlichen Kreditvergabe und Kreditaufnahme an.
In der Vergangenheit hat sich eine mangelnde Schuldentragfähigkeit als zentrales Entwicklungshemmnis erwiesen. Stark verschuldete Länder haben beispielsweise ihre Sozialausgaben und Investitionen in Infrastruktur wegen der hohen Schuldendienstzahlungen oft drastisch kürzen müssen. Bisherige ad-hoc-Entschuldungsinitiativen für Entwicklungsländer in den letzten zwei Dekaden haben die Verschuldung zwar erheblich gesenkt, aber die Schuldenproblematik nicht grundsätzlich gelöst. Ein aktuelles Beispiel hierfür aus den Reihen der Industrieländer stellt Griechenland dar, wo die Sozialausgaben massiv zugunsten der Schuldendienste gestrichen wurden.
Allerdings benennt die Open Working Group keine Instrumente zur Vermeidung und Bewältigung von Schuldenkrisen. Als Antwort auf den OWG-Vorschlag legte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon im September 2014 einen <link http: www.un.org ga search external-link-new-window externen link in neuem>Synthesebericht vor. Darin wurde er hinsichtlich der Reform der Instrumente des Global-Debt-Governance-Systems etwas spezifischer. Der Generalsekretär hat ein informelles Forum für die Schulden souveräner Staaten vorgeschlagen. Aber hier bleibt auch der Generalsekretär sehr vage. Was heißt informelles Forum? Welche Aufgaben soll dieses Forum übernehmen? Nach dem derzeit bekanntesten Vorschlag von zwei Ökonomen des amerikanischen Think Tanks Centre for International Governance Innovation soll ein informelles „Sovereign Debt Forum“ als Beratungs- und Analyseplattform für Gläubiger und Schuldner dienen.
Aber ist ein informelles Forum zur Behandlung von Schulden souveräner Staaten wirklich ausreichend, um Verschuldungskrisen in Entwicklungs- und Schwellenländern zu verhindern und zu bewältigen? Nein, das hat auch die Griechenlandkrise gezeigt. Die Verschuldungskrise im Land der Akropolis hätte mit einem informellen Forum weder verhindert noch bewältigt werden können. Es fehlen also weitere Instrumente, um langfristig Schuldentragfähigkeit zu erreichen. Insbesondere sollte die Chance, nachhaltige Entwicklungsziele zu formulieren, dazu genutzt werden, die Prinzipien der United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) für die verantwortliche staatliche Kreditvergabe und -aufnahme sowie die Idee eines Insolvenzverfahrens für Staaten zu fördern. Die UNCTAD-Prinzipien beinhalten eine freiwillige Selbstverpflichtung zur verantwortlichen Kreditvergabe an Staaten und Kreditaufnahme durch Staaten. Die Prinzipien sind allerdings rechtlich nicht bindend und es bleibt unklar, inwieweit ihre Umsetzung überprüft wird.
Dagegen könnte ein Staateninsolvenzverfahren international verbindliche Regeln zur Bewältigung von Schuldenkrisen für alle Gläubiger schaffen. Die Notwendigkeit dafür haben die Klagen verschiedener Geier- und Hedgefonds in Sub-Sahara Afrika und Lateinamerika bewiesen. Diese Investoren kaufen die Wertpapiere zu einem sehr niedrigen Preis und klagen ihren höheren Nennwert dann ein. Beispielsweise hat der Rechtsstreit zwischen dem Hedgefonds NML Capital und dem argentinischen Staat im September 2014 die geordnete und gerechte Umstrukturierung der argentinischen Schulden verhindert. Vor diesem Hintergrund verabschiedete die UN-Generalversammlung eine Resolution, auf deren Grundlage bis Ende 2015 ein rechtlicher Rahmen für die Restrukturierung von Staatsschulden ausgearbeitet werden soll.
Die politische Umsetzbarkeit eines solchen Staateninsolvenzverfahrens erscheint derzeit begrenzt. Während insbesondere die G77-Staaten die UN-Resolution befürworteten, stimmten einflussreiche Länder wie die USA, Großbritannien und Deutschland dagegen. Dies könnte ein Grund dafür sein, weshalb der UN-Generalsekretär in seinem Synthesebericht zur Post-2015-Agenda lediglich ein informelles Forum vorschlägt.
Zur Sicherstellung von Schuldentragfähigkeit ist es allerdings notwendig, konkrete Instrumente zur Vermeidung und Bewältigung von Verschuldungskrisen in den SDGs zu etablieren und zu überprüfen. Ansonsten bleibt dieses Unterziel ein inhaltsloses Versprechen.