Die aktuelle Kolumne

Weltgesundheitstag 2025

Deutschlands Führungsrolle in der globalen Gesundheit stärken

Strupat, Christoph / Srinivasa Srigiri
Die aktuelle Kolumne (2025)

Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS), Die aktuelle Kolumne vom 07.04.2025

Bonn, 07. April 2025. Investitionen in Gesundheit gehören zu den effektivsten Hebeln für Regierungen und Entwicklungspartner. Wer Mittel für die globale Gesundheit kürzt, schießt faktisch ein Eigentor – und schafft weltweit Risiken, auch im eigenen Land. Denn in unserer vernetzten Welt kennen Viren keine Grenzen. Jeder Euro, der in Gesundheitssysteme in einkommensschwachen Ländern investiert wird, erzielt nachweislich einen neunfachen Nutzen; in Ländern mit mittlerem Einkommen steigt dieser Wert sogar auf das Zwanzigfache. Darüber hinaus zeigen Studien, dass Investitionen in die globale Gesundheit – insbesondere im Bereich der Mutter- und Kind-Gesundheit – nachhaltige Erfolge erzielen, während Maßnahmen in anderen entwicklungspolitischen Bereichen häufig weniger wirksam sind.

Dennoch steht die globale Gesundheit am Scheideweg: Der Austritt der USA aus der WHO und die Entscheidung Großbritanniens, die Entwicklungshilfe auf 0,3 % des Bruttonationaleinkommens zu senken, haben zentrale Programme gegen HIV/AIDS, Tuberkulose und Malaria zum Erliegen gebracht und bedrohen damit Errungenschaften eines ganzen Jahrzehnts. Prognosen für 2025 warnen vor zusätzlichen 15 Millionen Malariafällen und 107.000 Todesfällen. Parallel stehen einige Länder vor Engpässen bei HIV- und Tuberkulose-Medikamenten. Durch die abrupte Einstellung der Demographic and Health Surveys (DHS) entsteht zudem eine erhebliche Datenlücke bei Themen wie Mütter- und Kindergesundheit, Ernährung und Infektionskrankheiten in 90 Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Für Gesundheitsministerien waren die DHS-Daten eine zentrale Grundlage, um Gesundheits- und Impfprogramme bedarfsgenau zu steuern. Sie flossen auch in die Berechnung von 33 Indikatoren zur Umsetzung der SDGs ein und bildeten einen Pfeiler globaler Gesundheitsforschung sowie ein unverzichtbares öffentliches Gut.

Deutschland hat sich lange als Vorreiter für globale Gesundheit positioniert. Die 2020 verabschiedete Globale Gesundheitsstrategie des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) und die Einstufung globaler Gesundheit als Kernthema durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstreichen dieses Engagement. Gleichwohl wäre es kurzsichtig, angesichts der aktuellen Herausforderungen den Rotstift anzusetzen oder ausschließlich auf multilaterale Kanäle zu setzen und dabei die bilaterale Zusammenarbeit zu vernachlässigen. Beide Kanäle ergänzen sich und sind gleichermaßen unverzichtbar. Stattdessen muss Deutschland seine Führungsrolle wahren und entschlossen gegen kritische Finanzierungslücken vorgehen, wie ein aktueller IDOS-Policy-Brief zeigt. Zudem empfehlen wir drei prioritäre Handlungsfelder:

  1. Multilaterale Mechanismen stärken und bilaterales Engagement bewahren. Bei den Wiederauffüllungskonferenzen 2025 sollte Deutschland robuste, möglichst erhöhte Mittel für Gavi, the Vaccine Alliance und den Global Fund to Fight AIDS, Tuberculosis and Malaria bereitstellen. Angesichts des geplanten US-Rückzugs aus Gavi ist diese Zusage essenziell, da Gavi seit ihrer Gründung Millionen Kinderleben durch Impfungen rettete. Um Gesundheitssysteme in einkommensschwachen Ländern wirksam zu stärken, braucht es jedoch auch bilaterale Unterstützung. Fortschritte bei den Gesundheits-SDGs erfordern stabile bilaterale Gesundheitsfinanzierung. Verlässliche Mittel sind essenziell, um Impfprogramme und lebensrettende Präventionsangebote zu sichern.
  2. Internationale Führungsrolle in der globalen Gesundheit ausweiten. Eine engere Abstimmung zwischen den verschiedenen Bundesministerien (BMG, BMZ, AA und BMBF) ist nötig, um Deutschlands Rolle in der globalen Gesundheit weiter zu stärken. Darüber hinaus erfordert der US-Austritt aus der WHO (die bislang rund 16 % ihres Budgets aus den USA erhielt) ein beherztes Vorgehen. Deutschland sollte als einer der größten WHO-Unterstützer seine Beiträge erhöhen, um das entstehende Defizit abzufedern. Zugleich müssen Vorsorge, Vorbereitung und Reaktion auf Pandemien (PPR) sowie der Kampf gegen antimikrobielle Resistenzen (AMR) im Rahmen des One-Health-Ansatzes Priorität haben. Da Infektionskrankheiten und AMR keine Grenzen kennen, sind globale Gegenmaßnahmen nötig – besonders im Globalen Süden. Deutschland kann hier durch Forschung, Früherkennung und Kooperation bei der Medikamentenentwicklung Impulse setzen.
  3. Demographic and Health Surveys (DHS) erhalten. Die Einstellung des DHS-Programms führte in 25 Ländern zu einem abrupten Stopp von Datenerhebung und -analyse. In 18 Ländern wurden Befragungen unterbrochen, in sieben weiteren standen sie kurz vor dem Abschluss. Deutschland sollte rasch handeln und durch das Schließen von Finanzierungslücken die nahezu abgeschlossenen DHS-Erhebungen retten. So bliebe eine zentrale Datenquelle für nationale Entscheidungsprozesse im Bereich Gesundheit erhalten. Zudem gilt es, eine kostenfreie, offene Plattform für aktuelle und künftige DHS-Daten aufzubauen und eine führende Rolle bei der Vernetzung von Wissenschaft, internationalen Statistikgremien und politischen Entscheidungsträgern zu übernehmen.

Am Weltgesundheitstag 2025 wird abermals deutlich, dass Gesundheit ein universelles öffentliches Gut und Motor nachhaltiger Entwicklung ist – in Ländern mit niedrigem Einkommen ebenso wie in Deutschland. Doch drastische Kürzungen drohen, jahrzehntelange Fortschritte zunichtezumachen. Es gilt daher, Deutschlands Führungsrolle zu festigen, indem multilaterale wie bilaterale Finanzierungen gestärkt, sektorübergreifende Kooperationen ausgebaut und essenzielle Gesundheitsdaten bewahrt werden. Den Finanzierungshahn zuzudrehen, kann schnell geschehen – die entstandenen Schäden rückgängig zu machen, dauert hingegen mitunter Jahrzehnte.

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Energie- und Klimapolitik 

Subramanian, Saravanan

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