Die aktuelle Kolumne

Die Bundestagswahl 2025

Demokratische Parteien aufgepasst - die EU definiert ihre globale Rolle neu

Koch, Svea / Niels Keijzer / Christine Hackenesch
Die aktuelle Kolumne (2025)

Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS), Die aktuelle Kolumne vom 03.02.2025

Bonn, 03. Februar 2025. Mit den umstrittenen Abstimmungen über die Migrationspolitik sind der Ton und Fokus der letzten Phase im Wahlkampf vorgegeben. Dabei ist fast untergegangen, dass Ursula von der Leyen parallel in Brüssel ihren neuen „Kompass für Wettbewerbsfähigkeit“ vorgestellt hat, der Europa konkurrenzfähig machen und den Wohlstand der EU in Zukunft sichern soll. Die dort neu eingeschlagene Richtung lässt sich mit den Schlagwörtern Clean Industrial Deal und neue Außenwirtschaftspolitik zusammenfassen.

Letztere zielt darauf ab, die schwächelnde europäische Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen und Lieferketten zu diversifizieren, um Ressourcen für die Dekarbonisierung der europäischen Wirtschaft zu sichern. Die genaue Ausgestaltung und Ausrichtung der EU-Außenwirtschaftspolitik stehen noch nicht fest. Daher müssen die demokratischen Parteien in Deutschland schon jetzt überlegen, welche gemeinsamen Positionen die neue Bundesregierung in Brüssel vorbringen will. Die Zukunft der EU-Außenwirtschaftsbeziehungen – und damit ein zentraler Teil der globalen Rolle der EU – ist zu wichtig, um im Wahlkampfgetöse unterzugehen.

Akteure in Brüssel sind bereits einen Schritt weiter. Josef Síkela, der neue EU-Kommissar für internationale Partnerschaften und zuständig für die EU-Entwicklungspolitik, hat die EU-Wirtschaftsinteressen und Diversifizierung der Lieferketten zum Fokus seines Mandats gemacht. Diese Ausrichtung der EU-Entwicklungspolitik mag für manche überraschend klingen, ist aber die logische Konsequenz der politischen Veränderungen der letzten Jahre. Im Zuge wiederholter globaler Krisen stellt europäische Entwicklungspolitik als integraler Bestandteil der EU-Außenpolitik europäische Interessen zusehends in den Vordergrund. Die neue Bundesregierung sollte diesen Trend nicht weiter verstärken, sondern dazu beitragen, dass Europa sich als verlässlicher Partner für globale nachhaltige Entwicklung positioniert, der mit den Partnern gemeinsame Interessen identifiziert.

Damit dies gelingt, muss die Bundesregierung in Brüssel endlich einheitliche und klare entwicklungspolitische Positionen vertreten. Für andere Mitgliedstaaten sind Deutschlands Positionen mitunter schwer zu erkennen, nicht zuletzt, weil eine Vielzahl deutscher Akteur*innen sich in Brüssel engagiert und dabei ganz unterschiedliche Positionen vertritt. Obwohl Deutschland operative Strategien mitgestaltet und an der Umsetzung von Entwicklungsprogrammen maßgeblich beteiligt ist, gelingt es oft nicht, Kernthemen zu identifizieren, die die Bundesregierung in Brüssel voranbringen will.

Als Vertreterin eines exportorientierten und auf globale Entwicklung ausgerichteten Landes sollte sich die neue Bundesregierung proaktiv zur neuen EU-Außenwirtschaftspolitik positionieren. Die EU-Außenwirtschaftspolitik wird sich maßgeblich an den neuen EU-Handelsgesetzen orientieren, wie zum Beispiel der umstrittenen CO2-Steuer oder der Reduzierung der Abholzung. Auch die Global Gateway-Initiative für einen Ausbau der Infrastrukturinvestitionen wird sicherlich ein Schwerpunkt sein. In Deutschland wird Global Gateway parteiübergreifend unterstützt, nicht zuletzt, weil die Initiative Investitionsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen verspricht und dem chinesischen Einfluss in Entwicklungsländern entgegenwirken soll.

Inwiefern Global Gateway greifbare Ergebnisse für die EU selbst sowie für ihre Partner bringt, wird die EU erst noch zeigen müssen. Obgleich der Schwerpunkt offiziell auf Nachhaltigkeit und demokratischen Werten liegt, drehen sich die politischen Diskussionen bisher hauptsächlich um die versprochenen wirtschaftlichen Vorteile. Zivilgesellschaftliche Organisationen haben die allgemeine Ausrichtung der Initiative aus moralischen und rechtlichen Gründen angeprangert, da es um die Verwendung von EU-Mitteln für die Entwicklungszusammenarbeit geht. Jüngste Untersuchungen zeigen zudem, dass die Handelsvorteile, die sich für die EU aus Global Gateway ergeben, vernachlässigbar sind, wenn die Projekte das Wirtschaftswachstum in den Partnerländern nicht zu steigern vermögen. Die EU und Deutschland sollten sich daher weniger auf den Wettbewerb mit China konzentrieren, sondern vielmehr dafür sorgen, dass Global Gateway Ergebnisse liefert, die mit den nationalen Entwicklungszielen der Partnerländer übereinstimmen und soziale und ökologische Ziele fördern. Die Förderung einer globalen nachhaltigen Entwicklung liegt im wirtschaftlichen Interesse der EU und sollte im Mittelpunkt ihrer Außenwirtschaftspolitik stehen.

Vor dem Hintergrund der UN-Konferenz für Entwicklungsfinanzierung, die im Juli in Sevilla stattfindet, und der anstehenden Debatten über die Zukunft der Agenda 2030 schaut die Welt offensichtlich nicht nur wegen der Höhe seiner potenziellen Investitionen auf Europa. Vielmehr wird die globale Rolle der EU danach beurteilt werden, ob ihre Vorschläge durch die Bereitstellung globaler öffentlicher Güter gemeinsame Interessen fördern können. Das gilt umso mehr, da die USA unter Trump in diesen Fragen voraussichtlich nicht länger kooperieren. Unabhängig vom Wahlausgang wird sich die nächste Bundesregierung schnell auf eine Position zur globalen Rolle der EU einigen müssen. Sie wird angesichts ihrer langfristigen Ausrichtung auf nachhaltige Entwicklung über ihre eigenen bilateralen Entwicklungsprioritäten hinausblicken und die EU-Außenwirtschaftspolitik proaktiv mitgestalten müssen.

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