Die aktuelle Kolumne
Das neue UN-Klimafinanzierungsziel
Das Vertrauensverhältnis Europas zum Globalen Süden steht auf dem Spiel
Koch, Svea / Mariya AleksandrovaDie aktuelle Kolumne (2024)
Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS), Die aktuelle Kolumne vom 13.11.2024
Bonn, 13. November 2024. Die diesjährige Klimakonferenz in Baku wird medial wahrscheinlich von den politischen Umbrüchen in Deutschland und den USA überschattet werden. Für Milliarden Menschen, die im Globalen Süden vom Klimawandel betroffen sind, geht es jedoch um zentrale Entscheidungen zur künftigen Klimafinanzierung. Im Fokus stehen die Verhandlungen über das neue Klimafinanzierungsziel, das New Collective Quantified Goal (NCQG).
Trotz zweijähriger Vorbereitung haben die Verhandler*innen bei essentiellen Fragen nur geringe Fortschritte erzielt. Hierzu zählt auch die Frage, wer wie viel zahlen soll. Die Befürchtungen, dass eine Entscheidung über das NCQG auf die COP30 in Brasilien im nächsten Jahr vertagt wird, werden durch die Wiederwahl Donald Trumps und die damit einhergehende Nichtkooperation der USA beim Thema Klima noch weiter geschürt. In Anbetracht der aktuellen politischen Lage bieten die Verhandlungen zum NCQG der EU eine beachtliche Chance, dem Globalen Süden gegenüber ihre Verlässlichkeit zu demonstrieren, das Vertrauen wieder aufzubauen und – über die traditionellen westlichen Partnerschaften hinaus – zur Bewältigung globaler Herausforderungen in der Größenordnung des Klimawandels Allianzen zu schmieden.
Die nationalen Klimastrategien und -pläne vieler Entwicklungsländer sind von externer finanzieller Unterstützung abhängig. Wird dieser Bedarf nicht gedeckt, fehlt es den Entwicklungsländern an den zur Emissionsreduzierung, zur Anpassung an den Klimawandel und zur Verhinderung einer gefährlichen globalen Temperaturerhöhung sowie von Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und Dürren notwendigen Ressourcen. Zweifelsfrei läuft ein potenzieller Austritt der USA – als historisch größtem Emittenten – aus dem Pariser Abkommen (oder gar aus der Klimarahmenkonvention) Gefahr, die Ambitionen anderer Länder zu minimieren. Die Unterstützung eines ambitionierten NCQG durch die EU kann einen solchen Domino-Effekt verhindern. Kumulativ beläuft sich der Finanzbedarf der Entwicklungsländer zur Erreichung ihrer nationalen Klimaziele bis 2030 auf bis zu 6,8 Billionen US-Dollar. Was die Realisierung von Ausgaben und Investitionen in dieser Größenordnung anbelangt kommt dem NCQG – einerseits gegenüber Regierungen, aber auch der Privatwirtschaft, Finanzinstitutionen und nichtstaatlichen Akteur*innen – eine wichtige Signal- und Hebelwirkung zu. Eine drei- bis fünffache Steigerung der vergünstigten Finanzierung bis zum Jahr 2030 wird zur Deckung der dringendsten Bedarfe als zentral angesehen und der EU kommt bei der Sicherstellung einer internationalen öffentlichen Finanzierung in dieser Größenordnung eine wichtige Rolle zu.
Die Anerkennung der historischen Verantwortung der Industrieländer (Verursacherprinzip) ist für die Klimagerechtigkeit, das Recht auf Entwicklung sowie einen Gerechten Übergang von entscheidender Bedeutung. Jetzt muss die EU, als größte Beitragszahlerin der Klimafinanzierung, politischen Willen und Flexibilität zeigen. Die Unterstützung eines ambitionierten NCQG ist in der sich schnell verändernden geopolitischen Landschaft strategisch von zentraler Bedeutung. Bisher hat die EU sich auf die erforderliche Erweiterung der Basis der Beitragszahler der Klimafinanzierung konzentriert und sich damit weitgehend auf die Seite der USA und anderer Industrieländer gestellt. Dabei hat sie es versäumt, festzulegen, welche finanzielle Verpflichtung die EU selbst einzugehen bereit ist. Vor zwei Jahren spielte die EU bei der Einrichtung des Fonds für Klimaverluste und -schäden eine zentrale Rolle. Im letzten Jahr stand sie an der Seite der Koalition ambitionierter Länder und drängte auf einen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen. Durch ihre Zurückhaltung beim Klimafinanzierungsziel läuft die EU nun Gefahr, ihre globale Klima-Führungsrolle zu verspielen.
Die Verhandlungen rund um die Klimarahmenkonvention zählen zu den wichtigsten und am stärksten politisierten internationalen Verhandlungen. Zudem spielen sie eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht, die Kommunikationskanäle zwischen ansonsten rivalisierenden Ländern offenzuhalten. Die Klimafinanzierung wird weithin als Element wahrgenommen, das über Erfolg oder Scheitern entscheidet und nicht nur über das Potenzial verfügt, Klimaverhandlungen platzen zu lassen, sondern auch das Vertrauen und den Fortschritt bei anderen klimabezogenen Angelegenheiten und multilateralen Prozessen erheblich zu untergraben. Selten zuvor war das Vertrauen zwischen dem Westen und dem Globalen Süden so gering ausgeprägt. Statt in der Diskussion um die Basis der Beitragszahler steckenzubleiben, sollte sich die EU selbst stärker positionieren, damit die NCQG-Architektur auch eindeutige Vereinbarungen zur Teilung der Lasten beinhaltet. Die Aufnahme eines Mechanismus zur Lastenteilung würde sogar EU-Interessen dienen, da diese sich auf die zugewiesenen Beiträge konzentrieren könnte, statt die Versäumnisse anderer Länder bei der Erreichung eines gemeinsamen Ziels auszugleichen.
Auch die Länder Europas stehen innenpolitisch und durch strenge Haushaltsbeschränkungen unter Druck, auch hier stellen populistische rechte Parteien internationales Engagement und Ausgaben in Frage. Zur Begründung der Entwicklungs- und Klimaausgaben ist es politisch unbedingt erforderlich, die innerstaatliche Debatte durch eine globale Perspektive zu bereichern, die die internationalen Verpflichtungen der EU und die aus deren Nichterfüllung resultierenden Folgen würdigt.
Diese Kolumne ist auch auf Klimareporter.de erschienen