Die aktuelle Kolumne
COP27
Das Versprechen, etwas für Natur und Klima zu tun, ist einfach, glaubwürdiges Handeln schwieriger
Chan, Sander / Idil Boran / Andrew DeneaultDie aktuelle Kolumne (2022)
Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS), (Die aktuelle Kolumne vom 07.11.2022)
Bonn, 07.11.2022. Ägypten bezeichnet das hochrangige Segment der UN-Klimakonferenz 2022 (COP27) in Sharm El Sheikh als „Klima-Umsetzungsgipfel“ und betont damit, dass die nationalen Klimapläne (NDCs) rasch umgesetzt werden müssen. Die derzeitigen Zusagen der Regierungen bleiben jedoch weit hinter dem zurück, was sie ursprünglich versprochen haben. Eine Umsetzung allein dieser Zusagen wäre gleichbedeutend mit der Aufgabe des erklärten Anspruchs, die globale Erwärmung auf 1,5°C zu begrenzen. Sich ausschließlich auf die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen zu konzentrieren, könnte zudem zu Zielkonflikten mit anderen Aspekten der nachhaltigen Entwicklung führen, einschließlich des Schutzes und der Wiederherstellung der Natur.
Die Regierungen und andere Akteure müssen über die bloße Umsetzung der bisherigen Zusagen hinausgehen und ihre Ambitionen erhöhen. Auf der letztjährigen Klimakonferenz in Glasgow (COP26) wurde eine noch nie dagewesene Zahl von Unternehmen, Städten und anderen nichtstaatlichen und subnationalen Akteuren mobilisiert. Sie verpflichteten sich freiwillig zur Klimaneutralität (Race to Zero), zur Mobilisierung von Finanzmitteln (Glasgow Financial Action for Net Zero, GFANZ) und zum Aufbau von Widerstandsfähigkeit in gefährdeten Gemeinschaften (Race to Resilience). Für die Regierungen bietet sich eine enorme Chance, den Ehrgeiz dieser Akteure zur Senkung der Emissionen, zur Mobilisierung von Finanzmitteln und zum Aufbau von Anpassungsfähigkeiten zu nutzen. Und doch haben nur eine Handvoll Regierungen (fünf Prozent) in ihren NDCs auf freiwillige nichtstaatliche und subnationale Maßnahmen verwiesen (UNFCCC 2022).
Es ist verständlich, dass die Regierungen das Potenzial der nichtstaatlichen und subnationalen Akteure nur zögerlich erkannt haben. Große Versprechungen zu machen ist einfach, glaubwürdige Maßnahmen umzusetzen ist eine andere Sache. Und selbst wenn nichtstaatliche und subnationale Akteure ihre Versprechen einhalten würden, bräuchten Regierungen verlässliche Daten und Analysen, um ihren Beitrag einschätzen zu können.
Ein wichtiger Schritt zur Bereitstellung solcher Daten und Analysen ist die Veröffentlichung des Berichts "Global Climate Action 2022: how have international initiatives delivered, and what more is possible" des German Institute of Development and Sustainability (IDOS), der Radboud University, dem NewClimate Institute, der University of Oxford, der Utrecht University und dem DataDriven Envirolab at UNC Chapel Hill. In dem Bericht wird der Beitrag von mehr als 600 Initiativen zur Dekarbonisierung und Klimaresilienz bewertet. Eine wichtige Erkenntnis ist die Tatsache, dass mehr als die Hälfte der großen Klimainitiativen, die seit 2014 auf UN-Klimakonferenzen und -Gipfeln ins Leben gerufen wurden, nicht die notwendigen Verhaltensänderungen oder Verbesserungen bei Umweltindikatoren (einschließlich der Reduzierung von Treibhausgasemissionen) bewirken. Darüber hinaus schneiden Initiativen, die in erster Linie auf den Aufbau von Resilienz und Anpassungsfähigkeit abzielen, schlechter ab als Initiativen zur Eindämmung des Klimawandels. Dies ist ein Problem für nachhaltige Entwicklung im weiteren Sinne. Am Race to Zero haben sich beispielsweise mehr als 8000 Unternehmen, 500 Investoren, 1000 Städte und 1000 Bildungseinrichtungen beteiligt, die sich verpflichtet haben, bis spätestens 2050 “Netto Null- Kohlenstoffemissionen zu erreichen. Die Verwendung von Kohlenstoffkompensationen, z. B. durch groß angelegte Baumpflanzungen, könnte jedoch andere Aspekte der nachhaltigen Entwicklung beeinträchtigen. Eine ausschließliche Konzentration auf die Emissionsreduzierung ist daher keine Option: Netto-Null-Verpflichtungen müssen mit dem Schutz und der Wiederherstellung natürlicher Ökosysteme in Einklang gebracht werden.
Da in diesem Jahr sowohl die UN-Klimakonferenz als auch die UN-Biodiversitätskonferenz stattfinden, bietet die COP27 eine wichtige Gelegenheit, Natur- und Klimaschutzmaßnahmen zu integrieren. So wird IDOS zusammen mit dem Dahdaleh Institute for Global Health Research an der York University, der Zoological Society of London, der Sociedade de Pesquisa em Vida Selvagem e Educação Ambiental (SPVS) und der Boticário Group Foundation ein offizielles Side-Event auf der COP27 ausrichten, um zu diskutieren, wie naturbasierte Klimamaßnahmen in Städten gleichzeitig die Natur und die Gesundheit des Planeten schützen und wiederherstellen und gleichzeitig zur Erreichung der Klimaziele beitragen können. Solche Überlegungen zwischen Forscher*innen, politischen Entscheidungstragenden und Praktiker*innen sind der Schlüssel, um einseitige Klimaschutzmaßnahmen zu verhindern und Kompromisse mit der Natur und der Gesundheit des Planeten zu vermeiden.
Sander Chan ist assoziierter Wissenschaftler am German Institute of Development and Sustainability (IDOS), Assistenzprofessor am Department of Geography, Planning and Environment, Nijmegen School of Management an der Radboud University und Principal Researcher in der Synergies of Planetary Health Research Initiative & Lab, Dahdaleh Institute for Global Health Research.
Idil Boran ist assoziierte Wissenschaftlerin am German Institute of Development and Sustainability (IDOS) und Professorin für Applied Environmental Governance and Public Policy an der Faculty of Liberal and Professional Studies, York University. An der York University leitet Boran die Synergies of Planetary Health Research Initiative & Lab am Dahdaleh Institute for Global Health Research und fungiert als stellvertretende Direktorin von CIFAL York.
Andrew Denault ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am German Institute of Development and Sustainability (IDOS).