Sofortiger Waffenstillstand in Gaza

Das Recht des Kindes auf Entwicklung verteidigen

Faus Onbargi, Alexia
Die aktuelle Kolumne (2024)

Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS), Die aktuelle Kolumne vom 26.06.2024

26. Juni 2024. Am 4. Juni soll der Internationale Tag der unschuldigen Kinder, die Opfer von Aggression sind daran erinnern, dass Kinder am stärksten von Kriegen und Konflikten betroffen sind. Beim Angriff der Hamas am 7. Oktober wurden mehr als 30 israelische Kinder getötet und weitere Kinder als Geiseln genommen. In Gaza haben bisher über 13.500 Kinder ihr Leben verloren.

Nach aktuellen Schätzungen von UNICEF leiden 90% der Kinder in Gaza unter schwerer Ernährungsarmut. Krankenhäuser, die verletzte Kinder behandeln, und Schulen, in denen Kinder mit ihren Familien Schutz suchen, sind wiederholt zur Zielscheibe von Bombenangriffen geworden. Die Bestätigung der UNO, dass sowohl die Hamas als auch die israelische Armee die Rechte des Kindes in bewaffneten Konflikten verletzen – und dass das Ausmaß dieser Verletzungen an keinem Ort der Welt so groß ist wie in Palästina und Israel – sollte Deutschland, die USA und andere Verfechter der Menschenrechte und der nachhaltigen Entwicklung zum sofortigen Handeln veranlassen.

Die israelische Regierung hat ihre Gaza-Offensive damit begründet, dass sich Hamas-Kämpfer in der Zivilbevölkerung verstecken. Diese Behauptung hat sich in zahlreichen Fällen bestätigt, was entsetzlich und verachtenswert ist. Gleichzeitig ist in den Grundsätzen des humanitären Völkerrechts eindeutig festgelegt, dass die Zivilbevölkerung nicht angegriffen werden darf und dass der Einsatz von Waffen verboten ist, die überflüssige Verletzungen und unnötige Leiden bewirken. Wie viele andere Länder hat auch Israel die UN-Kinderrechtskonvention unterzeichnet und ratifiziert, die das Recht von Kindern auf Leben und die Verantwortung der Vertragsstaaten betont, in größtmöglichem Umfang das Überleben und die Entwicklung des Kindes zu gewährleisten.

Dieser Verantwortung ist die israelische Regierung nicht gerecht geworden angesichts der humanitären Katastrophe in Gaza, die nicht nur das gegenwärtige Leben Tausender Palästinenser*innen zerstört hat, sondern auch das künftiger Generationen massiv gefährdet. Die israelischen Kinder, die die Gräueltaten der Hamas miterlebt haben, und diejenigen, die als Geiseln verschleppt wurden, werden intensive psychologische Betreuung benötigen. In Gaza erlebt eine ganze Generation palästinensischer Kinder ebenfalls Trauma und Trauer und läuft zudem Gefahr, mit Unterernährung, Infektionskrankheiten und ohne Zugang zu einer angemessenen Gesundheits-, Sanitär-  und Wasserversorgung aufzuwachsen.

Die kontinuierlichen Bombardierungen verschmutzen außerdem das Trinkwasser dieser Kinder, ihre Atemluft und die Böden, auf denen sie in Zukunft ihre Lebensmittel anbauen könnten. Besonders gefährdet in Gaza sind schutzbedürftige Kinder, die beispielsweise wegen körperlicher oder geistiger Behinderungen eine ständige oder kostspielige medizinische Betreuung benötigen. Konflikte führen außerdem zu Bildungsrückschritten und erhöhen die Wahrscheinlichkeit von Kinderzwangsarbeit, Kinderarmut sowie von Kinderehen und sexueller Gewalt, von denen vor allem Mädchen betroffen sind.

Vor kurzem bezeichnete das US-Außenministerium Verstöße Israels gegen das Völkerrecht als „wahrscheinlich“. Der deutsche Vizekanzler Robert Habeck stellte fest, dass „das Leid der palästinensischen Bevölkerung, die Angriffe im Gazastreifen (…) mit dem Völkerrecht nicht vereinbar“ seien. Es ist nicht ersichtlich, wie eine nachhaltige Entwicklung, unter ständigem Beschuss möglich sein soll in Gaza, wo die menschliche Entwicklung schon jetzt um zwei Jahrzehnte zurückgeworfen wurde. Und auch für Israel ist eine gehemmte Entwicklung in Gaza ein Problem. Aus den Trümmern dieses Krieges droht eine ganze Generation von Palästinenser*innen mit extremistischen Ansichten heranzuwachsen, die für dieselben Ideologien empfänglich ist, die auch den Nährboden für Terrorgruppen wie Hamas bieten. Dies ist ein Risiko für die langfristige Sicherheit Israels und gefährdet das Recht künftiger Generationen von Israelis auf ein Leben frei von Gewalt.

Bisher bestand das Vorgehen Deutschlands, der USA und weiterer Staaten darin, die israelische Regierung politisch wie militärisch zu unterstützen und gleichzeitig Millionen von Euro in humanitäre Unterstützung und Hilfe für die palästinensischen Gebiete zu investieren (der deutsche Beitrag belief sich auf insgesamt 294 Millionen Euro). Allerdings reichen diese Hilfsleistungen nicht aus, um das Recht des Kindes auf Entwicklung langfristig zu sichern. Als Verfechter der nachhaltigen Entwicklung und der Menschenrechte müssen diese Länder noch viel mehr tun und einen sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand fordern.

Die Verteidigung des Rechts des Kindes auf Entwicklung sollte als solches oberste Priorität haben. Deutschland, die USA und andere haben auf internationaler Ebene an Legitimität und Glaubwürdigkeit verloren, weil sie die israelische Regierung trotz ihrer Verstöße gegen das Völkerrecht nachdrücklich unterstützt haben. Nun sollten sie nicht auch noch ihren Ruf als weltweite Förderer der nachhaltigen Entwicklung und der Menschenrechte aufs Spiel stellen. Dafür müssen sie als Erstes das Recht des Kindes auf Entwicklung – das ein Leben in Frieden und frei von Konflikten voraussetzt – in Israel wie in Palästina in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen stellen.

Über die Autorin

Faus Onbargi, Alexia

Energie- und Klimapolitik

Faus Onbargi

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