Die aktuelle Kolumne
13. Mai war Weltzugvogeltag
Bewusstes Einkaufen trägt zum Schutz der Biodiversität bei
Stamm, AndreasDie aktuelle Kolumne (2023)
Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS), Die aktuelle Kolumne vom 15.05.2023
Bonn, 15. Mai 2023. Wer die Kaffeeregale von US-amerikanischen Supermärkten wie Walmart oder Safeway sichtet, stößt auf Röstkaffee mit einem Label, das ihn als „Bird-Friendly Coffee“ ausweist. Das Label wird vom Smithsonian Migratory Bird Center vergeben. Die Smithsonian Institution ist eine der großen naturwissenschaftlichen Forschungs- und Bildungseinrichtungen der USA. Wieso interessiert sich die Forschung zu Zugvögeln für die Art und Weise, wie Kaffee angebaut wird?
Die Wissenschaft hat in den 1990ern einen dramatischen Rückgang der Zugvogelpopulationen in den USA und Kanada festgestellt: Seit den 1970ern eine Verringerung um etwa 30% und ein absoluter Verlust von rund 3 Milliarden Vögeln. Die weitere Forschung stellte einen direkten Zusammenhang mit massiven ökologischen Veränderungen in den Überwinterungshabitaten fest, speziell in Lateinamerika. Dort sind es vor allem die Höhenlagen, wo Zugvögel ihr Überwinterungsquartier suchen und hier wiederum ist der Kaffee die mit Abstand wichtigste Agrarkultur. Ist also Kaffee dem Erhalt der Biodiversität abträglich?
Keinesfalls! Traditionell wird Kaffee in Schattenkultur angebaut. Kaffee ist dabei nur eine von vielen Pflanzen, die auf der landwirtschaftlich genutzten Fläche stehen. In Kombination mit anderen Nutzpflanzen oder Schattenbäumen bietet er den Landwirt*innen ein meist verträgliches Auskommen und einer Vielzahl von Insekten und Säugetieren einen Lebensraum, auch den Zugvögeln in ihrem Winterquartier.
Was also hat sich verändert? Warum kehren viele Zugvögel aus Lateinamerika nicht nach Nordamerika zurück? Die Smithsonian Institution sieht einen wesentlichen Faktor in dem Übergang beim Kaffeeanbau von Schattenkaffee zu Monokulturen. Kaffeeanbau ohne Schatten erlaubt deutlich höhere Hektarerträge, bietet aber keinen Platz für nicht unmittelbar produktive Pflanzen. In Kolumbien etwa stehen bei einer intensiv bewirtschafteten Farm bis zu 10.000 Kaffeepflanzen auf jedem Hektar, eine pro Quadratmeter. Es ist plausibel, dass in so genutzten Regionen Zugvögel kein auskömmliches Habitat finden.
Die Grundidee des Bird-Friendly Coffee besteht darin, durch ein spezielles Label den Kaffeekonsum hin zu Produkten zu lenken, die unter Beibehaltung des Schattenanbaus erzeugt werden. Damit kann die Position von Erzeuger*innen des Biodiversitäts-freundlichen Kaffees auf den Märkten gesteigert werden. Unter Nachhaltigkeitsaspekten hat dies mehrere positive Effekte:
Schattenkaffee benötigt einen deutlich geringeren Einsatz von externen Agrarchemikalien: So sind viele Schattenbäume Leguminosen, deren Wurzeln Stickstoff aus der Luft binden und dem Boden zuführen. Dies verringert den Bedarf an Stickstoff, der z.B. über Mineraldünger zugeführt werden muss.
Außerdem bringt Schattenkaffee mehr Menschen in produktive Beschäftigung als Kaffee in Monokultur. Beispielsweise müssen Schattenbäume angepflanzt und beschnitten werden. Wenn auf mineralischen Dünger ganz verzichtet wird, müssen große Mengen an organischem Dünger erzeugt und auf den Flächen aufgebracht werden.
Auch wird die Resilienz von lokalen Agrarsystemen erhöht. In den Produktionssystemen wird der Kaffee oft nicht nur von Leguminosen begleitet, sondern auch von Nutzpflanzen, die für die Ernährung der Landwirt*innen und/oder für lokale Märkte von Bedeutung sind, wie Mangos, Papaya oder Avocados.
Schließlich stärkt Kaffeeanbau in traditionellem Schattenanbau die kleinbäuerliche Produktion gegenüber agrarkapitalistischen Unternehmen, die durch eine maximal intensive Produktion und den Einsatz von Maschinen und Agrarchemie die Kosten minimieren wollen.
Die Smithsonian Institution zertifiziert ihren Bird-Friendly Coffee seit Ende der 1990er Jahre. Leider hat dies den Übergang zur Monokultur nicht stoppen können. In einer Studie von 2014 wurde festgestellt, dass seit 1996 die Produktionsmengen an Schattenkaffee zwar gestiegen sind, allerdings sein Anteil an den Flächen für die Kaffeeproduktion weltweit von 43% auf 24% gesunken ist.
Was können Verbraucher*innen in Deutschland tun? Auf dem Markt in Deutschland gibt es keinen „Bird-Friendly Coffee“ zu kaufen. Wir sollten durch unsere Kaufentscheidungen aber ein Zeichen setzen, dass wir nur Kaffee konsumieren wollen, der nicht dem Übergang zu sozial und ökologisch nicht wünschenswerten Monokulturen dient. Wenn ich die Wahl habe, greife ich zunächst zu Kaffee mit dem Fairtrade Label. Dieses wurde ursprünglich entwickelt, um kleinbäuerliche Erzeuger*innen gegenüber den teilweise massiven Schwankungen der Weltmarktpreise abzusichern. Heute profitieren fast 800.000 Kaffee-Kleinlandwirt*innen von diesem System. Die Weiterentwicklung des Fairtrade-Kaffeestandards hat agrarökologische Aspekte zunehmend in den Blick genommen. Aber nur, wenn sich Kleinlandwirt*innen sicher sein können, dass die Verdienste aus dem Kaffeeverkauf ihrer Familie ein gutes Auskommen ermöglichen, können sie die Gelassenheit entwickeln, um sich für Ziele wie die Biodiversität auf ihren Farmen und den Zugvogelschutz aktiv einzusetzen.