Die aktuelle Kolumne

Klimaverhandlungen am Weltumwelttag wieder aufgenommen

Beides gemeinsam anpacken!

Iacobuţă, Gabriela / Steffen Bauer
Die aktuelle Kolumne (2023)

Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS), Die aktuelle Kolumne vom 05.06.2023

Bonn, 5. Juni 2023. Seit 50 Jahren wird am 5. Juni unter der Federführung des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) der Weltumwelttag begangen, um die existenzielle und unersetzliche Rolle der Umwelt für die menschliche Entwicklung zu feiern. Schon der erste Weltumwelttag fand 1973 unter dem Motto „Nur eine Erde“ statt. Dessen ungeachtet hat sich ihr Schutz seither als eine der größten Herausforderungen für die Vereinten Nationen und ihre Mitgliedsstaaten erwiesen.

Während sich das Umweltvölkerrecht dynamisch entwickelt hat und es mittlerweile eine Vielzahl multilateraler Umweltabkommen gibt, um die internationalen Zusammenarbeit zu verschiedensten Umweltproblemen zu regeln, ist der ökologische Fußabdruck der Menschheit weiter gewachsen. Er übersteigt die Tragfähigkeit der „einen Erde“ bei weitem und ist heute fast doppelt so groß wie ihre Biokapazität. Entsprechend hat sich der Zustand der globalen Umwelt weiter verschlechtert. Unzählige Pflanzen- und Tierarten sind bereits ausgestorben und viele weitere sind vom Aussterben bedroht. Parallel dazu ist die globale Durchschnittstemperatur um 1,2 °C gestiegen, was weltweit verheerende Folgen hat. Die sozioökonomische Entwicklung konterkariert vielerorts Fortschritte in der Umweltpolitik und deren Umsetzung. Aus allen einschlägigen wissenschaftlichen Bestandsaufnehmen lässt sich unterdessen eindeutig ablesen, dass sich sozioökonomische Entwicklungsziele nur dann innerhalb der planetaren Grenzen erreichen lassen, wenn dies im Rahmen rascher und transformativer Veränderungsprozesse geschieht.

Globale Umweltabkommen haben in vielen Fällen tatsächlich positive Veränderungen bewirkt, insgesamt bleiben sie jedoch weit hinter dem zurück, was erforderlich wäre. Um ihre jeweilige komparative Stärke sowie ihre kohärente und wirksame Umsetzung zu fördern, müssen sie besser miteinander verzahnt werden. Drei Punkte gilt es dabei besonders zu beachten: Erstens gehen viele Umweltprobleme auf die gleichen sozioökonomischen Treiber zurück. Zweitens unterläuft nicht nur die sozioökonomische Entwicklung die Umweltpolitik, sondern können auch widerläufige Umweltschutzmaßnahmen zu Umweltschäden führen. So können beispielsweise großflächige Monokulturen zur Herstellung von Biokraftstoffen oder die Aufforstung mit nicht-einheimischen Arten zur Bindung von Treibhausgasemissionen zu einem Verlust an biologischer Vielfalt führen. Umgekehrt können langfristige Maßnahmen zur Wiederherstellung von Ökosystemen das Potenzial für eine schnellere Kohlenstoffbindung einschränken. Drittens kann die Vernachlässigung einzelner Umweltveränderungen Dominoeffekte in anderen Bereichen auslösen. In dieser Hinsicht ist die globale Aufheizung der Atmosphäre die größte vom Menschen verursachte Umweltbedrohung: Ihre überall spürbaren Auswirkungen haben weitreichende Folgen für alles Leben an Land und im Wasser.

Die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) wurde 1992 auf dem “Erdgipfel“ von Rio verabschiedet, um diesem „gefährlichen Klimawandel“ Rechnung zu tragen. Seither haben zahlreiche halbjährliche Verhandlungsrunden stattgefunden; seit 2015 dienen sie insbesondere der Umsetzung des Pariser Abkommens. Aktuell tagen die sogenannten Nebenorgane (Subsidiary Bodies oder kurz „SBs“) für zwei Wochen auf der Bonner Klimakonferenz. Sie bereiten Entscheidungen vor, die auf der jährlichen UN-Klimakonferenz (besser bekannt als COP) politisch beschlossen werden sollen.

Im Mittelpunkt der diesjährigen SBs steht eine umfassende Bestandsaufnahme, der „Global Stocktake“, wodurch die Fortschritte bei der Umsetzung des Pariser Abkommens ermittelt werden sollen. Darüber hinaus werden die weitergefassten Auswirkungen der Klimaschutzmaßnahmen sowie die bereits durch den Klimawandel entstandenen Verluste und Schäden untersucht. Die Ergebnisse werden kaum überraschen: Die Klimaschutzmaßnahmen sind nach wie vor höchst unzureichend, sowohl was die Minderung der Treibhausgasemissionen als auch die Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels betrifft. Dies gefährdet alle nachhaltigen Entwicklungsziele (die SDGs) und unsere Umwelt, so wie wir sie kennen. Vermehrte Waldbrände, der Verlust der Artenvielfalt an Land, in Gewässern und Meeren infolge des Temperaturanstiegs, Wasserknappheit und Landdegradation infolge von Dürren, versauerte Ozeane, versalzte Küstengebiete, schmelzende Gletscher und auftauende Permafrostböden und sogar veränderte Meeresströmungen prägen die neue Realität.

Immerhin wird den Auswirkungen von Schutzmaßnahmen jetzt im Rahmen der globalen Bestandsaufnahme mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Dennoch konzentrieren sich die Debatten bisher weitgehend auf die soziale Dimension mit dem Ziel, einen gerechten Übergang („just transition“) zu ermöglichen, während die Auswirkungen auf die Umwelt nur begrenzt Berücksichtigung finden. Dies wäre jedoch von großer Bedeutung, um die enge Verbindung zwischen klimapolitischen Maßnahmen und anderen Umweltbelangen zu verdeutlichen und sicherzustellen, dass Synergien maximiert und Zielkonflikte vermieden oder zumindest begrenzt werden können. Hierfür wäre eine stärkere und systematischere Verzahnung mit der Vielzahl einschlägiger multilateraler Umweltabkommen (MEAs) entscheidend. Eine bessere Verknüpfung der Vorgaben der UNFCCC und des Übereinkommens über die biologische Vielfalt ist angesichts der Bedeutung „naturbasierter Lösungen“ in beiden Politikfeldern ein naheliegender Ansatzpunkt. Doch dabei darf es nicht bleiben. Es müssen auch Synergien und Zielkonflikte zwischen weiteren Konventionen und multilateralen Umweltabkommen identifiziert und angegangen werden, angefangen bei der UN-Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung bis hin zu den Vertragswerken, die sich mit einem breiten Spektrum an gefährlichen Abfällen, Schadstoffen und Chemikalien befassen, wie zum Beispiel das Montrealer Protokoll über Stoffe, die zum Abbau der Ozonschicht führen, oder den spezialisierten Abkommen zum Schutz bestimmter Arten- und Ökosysteme, wie etwa die Ramsar-Konvention über Feuchtgebiete.

Dem UNEP und seinem zentralen Gremium, der UN-Umweltversammlung, könnte bei der Koordinierung solcher Bemühungen eine wichtige Rolle zukommen. Nicht nur ist es die organisatorische Heimat der meisten in Frage kommenden MEAs. Ein solches Vorgehen würde auch das ursprüngliche Mandat bekräftigen, das dem UNEP vor fünf Jahrzehnten von der UN-Generalversammlung erteilt wurde und das nicht zuletzt der Idee des Weltumwelttages zugrunde liegt. Die Tatsache, dass die aktuellen Klimaverhandlungen mit dem 50. Weltumwelttag zusammenfallen, sollte daher eine deutliche Erinnerung daran sein, dass Klima- und Umweltschutzmaßnahmen tatsächlich zwei Seiten derselben Medaille sind. Die fundamentalen Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Umwelt im weiteren Sinne müssen besser gewürdigt und angegangen werden. Letztlich ist der Übergang zu kohlenstoffarmen und klimaresilienten Gesellschaften ohne den Schutz der ökologischen Grundlagen, auf denen diese Gesellschaften gedeihen und sich weiter entwickeln können, nicht machbar. Wirtschaftliche Interessen und Entwicklungsbestrebungen dürfen deshalb nicht länger als Vorwand für halbgare Klimamaßnahmen dienen. Im Gegenteil sind ehrgeizige Klimaschutzmaßnahmen das Gebot der Stunde für eine gerechte und nachhaltige Entwicklung. Klimapolitik und Umweltpolitik müssen gemeinsam angepackt werden.

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