Die aktuelle Kolumne
Die Bundestagswahl 2025
Ausblick auf die neue Legislatur: Energiewende auf dem Meer
Ittner, IritDie aktuelle Kolumne (2025)
Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS), Die aktuelle Kolumne vom 10.02.2025
Bonn, 10. Februar 2025. Der Vollzug von Maßnahmen zur Energiewende in der deutschen Nord- und Ostsee sowie die nachhaltige Gestaltung zukünftiger mariner Nutzungen sind langfristige politische Aufgaben. Um bisherige Erfolge zu sichern und nachhaltige Entwicklungsziele zu erreichen, ist Kontinuität geboten.
Die Aufgaben tragen entscheidend zum Erreichen von Ziel 7 - bezahlbare & saubere Energie, Ziel 13 - Maßnahmen zum Klimaschutz sowie Ziel 14 - Leben unter Wasser bei.
Das Meer spielt für die deutsche Energieversorgung eine sehr große Rolle. Auch wenn sich die politische Aufmerksamkeit auf die wachsenden Windparkflächen in der Nordsee richtet, die schon 2023 mit 8,1 GW zur Stromversorgung beitrugen und bis 2025 auf 40 GW anwachsen sollen – ein Großteil fossiler Energieträger in Deutschland stammt aus Ozeanen oder wird per Pipeline oder mit Tankern nach Deutschland transportiert. Die wichtigste deutsche Erdölförderstätte, Mittelplate in der Nordsee, erhielt eine Konzessionsverlängerung bis 2041. Erdgas wird seit 2020 nicht mehr aus der deutschen Nordsee gepumpt. Doch auch bei norwegischen und niederländischen Importen handelt es sich um Nordseegas. Verflüssigtes Erdgas (LNG) wird seit 2022 direkt in Deutschland angelandet. Die Zahl der LNG-Herkunftsländer vergrößerte sich in der vergangenen Legislaturperiode; autokratische Länder eingeschlossen, in denen Arten-, Umwelt- und Arbeitsschutz weniger Beachtung finden.
Deutschland hält den Schutz seiner marinen Artenvielfalt hoch. Es stellte mehr als 45% seiner Meeresfläche unter Schutz. Gleichzeitig verfolgt die Politik seit den 1970er Jahren eine Externalisierungsstrategie, aufgrund derer Umwelt und lokale Bevölkerung in Öl- und Erdgasexportländern Risiken bzw. sozialen Problemen ausgesetzt sind. Die Verantwortung für den eigenen Konsum, globale Umweltgerechtigkeit und Klimaschutz stellen zunehmend gesellschaftliche Werte dar, die über die großen Umweltverbände und andere zivilgesellschaftliche Gruppen mit Protesten und Klagen eingefordert werden. Die letzten Jahre waren von erheblichen Konflikten geprägt zwischen der Scholz-Regierung einerseits, die in einer umfassenden Meeresoffensive sowohl den Ausbau von Offshore Windkraft als auch den Meeresschutz vorantrieb, und Klimaschützer*innen, Demonstrant*innen und Klägern andererseits, die eine konsequentere Umsetzung bestehender Umweltschutz- und Klimagesetze forderten oder sich gegen LNG-Importe und neue fossile Projekte engagierten.
Noch kann sich Deutschland nicht selbst zu 100 Prozent mit erneuerbarer Energie versorgen. Doch ihr Anteil im Energiemix steigt stetig – auch dank der Ampel-Regierung. Für die neue Regierung wird es darauf ankommen, der Bevölkerung datenbasiert und glaubhaft zu versichern, dass es sich bei der heimischen marinen Ölförderung und den LNG-Importen nur um eine kurze, konkret benannte Übergangszeit handeln wird, damit sich das Land den europäischen Klimazielen noch soweit wie möglich annähert. Der Ausbau erneuerbarer Energie ist die beste Alternative, obwohl selbst Wind- und Solarparks negative Umweltfolgen verursachen können. Erneuerbare Energie weist den Nutzer*innen mehr Eigenverantwortung und damit auch eine höhere Mündigkeit zu.
Deutschland trägt auch eine europäische Verantwortung für die Energiewende auf dem Meer. Die zukünftige Einrichtung mariner Energienetze und anderer grenzüberschreitender Energieprojekte benötigt verlässliche Absprachen, effektive Koordination und die Unterstützung von EU-Mitgliedsstaaten, die den Weg der marinen Energiewende mit eigenen finanziellen Mitteln schwerlich beschreiten können. Dem aktuellen Neueinstieg in die marine Erdgasförderung in der Ostsee, im Mittelmeer und im Schwarzen Meer sowie dem taktisch verzögerten Ausstieg gasexportierender Länder gilt es auf europäischer Ebene eine kluge Diplomatie entgegenzusetzen, um in der Europäischen Union Hemmnissen des Ausstieges aus fossilen marinen Projekten offensiv zu begegnen. Die deutsche Regierung hat sich bisher nicht zu einer klaren politischen Absage eines neuen grenzüberschreitenden Gasförderprojekts in der Nordsee durchringen können.
Es ist eine nationale Verantwortung dafür zu sorgen, dass geschützte Arten wie der Schweinswal trotz der Industrialisierung der Meere keinen Schaden nehmen. Gefahr geht vor allem von Baulärm, steten Verschmutzungen und Havarien aus. Viele marine Arten sind hoch mobil. Ihr Lebensraum besteht sowohl aus ausgewiesenen Meeresschutzgebieten als auch den Zwischenzonen. Dort werden immer mehr Industrieanlagen für die Energieerzeugung gebaut. Um Umweltfolgen besser abschätzen zu können, bedarf es einer besseren Datenlage außerhalb der Schutzgebiete (z.B. Sedimentkarten), einer Aktualisierung mariner Raumordnungspläne (inkl. neuer Ausbauziele für Windenergie) sowie eines weiterhin starken, deutschen Engagements in multilateralen Arbeitsgruppen der Meeres-Governance (u.a. EU, OSPAR, UNESCO).