Die aktuelle Kolumne
Politische und adaptive Entwicklungszusammenarbeit
Ansätze zur Umsetzung einer Feministischen Entwicklungspolitik
Roll, MichaelDie aktuelle Kolumne (2023)
Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS), (Die aktuelle Kolumne vom 06.03.2023)
Mit der Feministischen Außenpolitik (FAP) und der Feministischen Entwicklungspolitik (FEP) richten das Auswärtige Amt und das Entwicklungsministerium ihre Arbeit am Thema der Geschlechtergerechtigkeit aus. Am 1. März haben sie ihre Leitlinien beziehungsweise ihre Strategie dazu präsentiert. Inhaltlich berufen sie sich auf die „3 R“, die die frühere schwedische Außenministerin Wallström 2014 als Ziele der ersten FAP geprägt hat: gleiche Rechte, Ressourcen und Repräsentation. Nach der Klärung der Inhalte stellt sich nun die Frage nach der Umsetzung. Wie muss sich die deutsche bilaterale Entwicklungszusammenarbeit (EZ) als Teilbereich der Entwicklungspolitik ändern, um dem transformativen Anspruch einer FEP gerecht zu werden?
Die Umsetzung der Feministischen Entwicklungspolitik
Feministische Ansätze haben den transformativen Anspruch, patriarchale Machtsysteme zu überwinden. Zur Umsetzung können sich Außen- und Entwicklungspolitik neben der Umgestaltung interner Strukturen und Prozesse international für die „3 R“ einsetzen. Darüber hinaus ist die Entwicklungspolitik durch die bilaterale EZ sehr breit und tief in den Partnerländern verankert, wo die alltägliche Maßnahmenumsetzung stattfindet. Nimmt man den transformativen Anspruch einer FEP ernst, muss sich auch auf dieser Ebene die Arbeitsweise der EZ ändern.
In der Strategie zur FEP finden sich dazu bereits einige Ankündigungen, wie eine stärkere Kontextorientierung, ein engerer Partneraustausch sowie die Prüfung der Teilhabe von lokaler Zivilgesellschaft im Projektzyklus. Neue, integrierte Ansätze für die bilaterale EZ sind jedoch nicht vorgesehen – dabei hätten diese für die Umsetzung der FEP großes Potential.
Auf entwicklungspolitischen Erkenntnissen aufbauen
Besonders vielversprechend für die Umsetzung der FEP sind die Ansätze der sogenannten politischen und adaptiven Entwicklungszusammenarbeit (political and adaptive development assistance, PADA). Diese Ansätze wie Problem Driven Iterative Adaptation (PDIA), Coalitions for Change oder Thinking and Working Politically (TWP) entstanden seit 2012 in Reaktion auf die Erkenntnis, dass die EZ zwar oft normativ anspruchsvolle Ziele formuliert, den dafür notwendigen institutionellen Wandel aber nur selten erreicht.
Unter dem Begriff der „Umsetzungslücke“ ist dieses Problem schon länger bekannt. Viele Länder haben zwar fortschrittliche Gesetze – auch in Bezug auf Frauenrechte und Gleichstellung – die Realität sieht jedoch oft anders aus. Gründe dafür sind politische oder gesellschaftliche Widerstände sowie schwache staatliche Institutionen. Um langfristig transformativ zu wirken, muss die EZ daher auch die de facto Umsetzung unterstützen. Dies ist nur möglich, wenn vor Ort strategisch mit den lokalen Realitäten, Personen und Ressourcen gearbeitet wird.
Die PADA-Ansätze, die in Deutschland bisher nur wenig Beachtung gefunden haben, zeichnen sich durch fünf Merkmale aus. Sie sind erstens kontextspezifisch, indem sie sich an einer fortlaufenden Analyse des lokalen Kontextes orientieren („best fit“) und auf lokalen Potentialen aufbauen („pockets of effectiveness“). Zweitens sind sie politisch informiert, nutzen also die politischen Dynamiken für ihre Arbeit. Die Umsetzung ist zudem lokal eingebettet; es wird langfristig eng mit lokalen Akteuren zusammengearbeitet oder diesen die Leitung übertragen. Viertens ist die Umsetzung in einem hohen Maße adaptiv, indem auf Änderungen des Kontextes und sich ergebende Möglichkeiten reagiert wird. Schließlich sind die Ansätze lernorientiert – durch projektinternes Reflektieren und durch Begleitforschung findet Lernen auch aus Misserfolgen kontinuierlich und systematisch statt. Diese fünf Merkmale sind iterativ eng miteinander verknüpft.
Studien zu so unterschiedlichen Reformen wie öffentlichem Finanzmanagement im Südlichen Afrika, Landrechten in den Philippinen oder Gesundheit und Bildung in Nigeria legen nahe, dass PADA in vielen Kontexten wirksamer sein kann als gängige Ansätze. Dies gilt für fragile Kontexte, in denen vorsichtig lokale Handlungsspielräume ausgelotet werden müssen ebenso wie für Maßnahmen, die vor Ort faktisch und nachhaltig die „3 R“ stärken sollen. Auch dafür ist es notwendig, die Ziele auf die Bedingungen vor Ort herunterzubrechen und sich auf lokale Aushandlungsprozesse einzulassen, um in oft kleinen Schritten langfristige Veränderungen voranzubringen. Da sie für diese Art der EZ entwickelt wurden und viele Erfahrungen und Instrumente existieren, sollten PADA-Ansätze für die Umsetzung der FEP berücksichtigt werden.
Entwicklungspolitische Rahmenbedingungen anpassen
Die Rahmenbedingungen der deutschen EZ sind jedoch derzeit nicht auf die Umsetzung von in hohem Maße lokal adaptiven Ansätzen wie PADA ausgerichtet. Über deren Anpassung sollte daher nachgedacht werden. Dazu gehören die Ermöglichung einer flexibleren, an Wirkungen orientierten Projektsteuerung und -finanzierung sowie die Abschwächung der Unterteilung in Planungs-, Umsetzungs- und Evaluierungsphasen zugunsten von lernbasierten, adaptiven Prozessen. Zudem sind die stärkere Einbeziehung nichtstaatlicher Akteure, eine systematischere Begleitforschung sowie der Aufbau einer konstruktiven Fehler- und Lernkultur innerhalb und zwischen Organisationen wichtig.
Viele dieser Forderungen decken sich mit denen, die zivilgesellschaftliche Organisationen im Rahmen des Beteiligungsprozesses zur Entwicklung einer FEP formuliert haben. Und soweit derzeit möglich, versuchen einzelne EZ-Vorhaben bereits, nach den PADA-Prinzipien zu arbeiten. Die entwicklungspolitischen Rahmenbedingungen sollten diese Arbeitsweise künftig fördern, statt sie zu erschweren. Dies wäre ein wichtiger Schritt zur systematischen Umsetzung einer FEP mit transformativem Anspruch und lokalem Möglichkeitssinn.