Analysen und Stellungnahmen
Steuer- und Sozialpolitik: ein unterschätzter Beitrag zur sozialen Kohäsion
Burchi, Francesco / Armin von Schiller / Christoph StrupatAnalysen und Stellungnahmen (4/2020)
Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)
DOI: https://doi.org/10.23661/as4.2020
Engl. Ausg. u.d.T.:
Revenue collection and social policies: their underestimated contribution to social cohesion
(Briefing Paper 1/2020)
Soziale Kohäsion ist eine Voraussetzung für friedliche und wirtschaftlich erfolgreiche Gesellschaften. Die Frage, was Gesellschaften zusammenhält und welche Politik soziale Kohäsion stärkt, wird auf nationaler und internationaler Ebene immer prominenter diskutiert. In diesem Briefing Papier wird der unterschätzte Beitrag von Steuer- und Sozialpolitik zur sozialen Kohäsion erörtert.
Es ist offensichtlich, dass öffentliche Einnahmen und Sozialpolitik untrennbar miteinander verknüpft sind. Insbesondere werden öffentliche Einnahmen benötigt, um ehrgeizigere Sozialpolitik (wie bspw. soziale Sicherungssysteme oder umfassenden Gesundheitsversorgung) zu finanzieren und es den Ländern zu ermöglichen, Ziele wie etwa die der Agenda für nachhaltige Entwicklung 2030 zu erreichen. Auch kann eine bessere Sozialpolitik die Akzeptanz für höhere Steuern und Gebühren steigern. Darüber hinaus kann die bessere Verzahnung von öffentlichen Einnahmen und Sozialpolitik einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung der sozialen Kohäsion leisten.
Um diese Zusammenhänge zu beleuchten, ist das Konzept des „Fiskalvertrags“ ein sinnvoller Ausgangpunkt. Dieses Konzept basiert auf der Grundidee, dass Regierungen öffentliche Leistungen gegen Einnahmen tauschen. Fiskalverträge können anhand von zwei Dimensionen charakterisiert werden: (i) dem Grad der Zustimmung, d.h. der Anzahl der Akteure und Gruppen, die den Fiskalvertrag akzeptieren und idealerweise proaktiv unterstützen, und (ii) dem Grad der Beteiligung, d.h. dem Anteil der Bevölkerung, der als Steuerzahler, als Begünstigter der Sozialpolitik oder beides beteiligt ist. In vielen Entwicklungsländern ist die Beteiligung entweder aufgrund von staatlicher Unfähigkeit oder verzerrtem Handeln zum Vorteil von Eliten eher gering.
Angesichts der verbreiteten Auffassung, dass Politik ungerecht und ineffizient ist, ist auch der Grad der Zustimmung gering. Gerade in diesem Zusammenhang sind Interventionen auf beiden Seiten des öffentlichen Haushalts von zentraler Bedeutung und können einen erheblichen gesellschaftlichen Einfluss über den fiskalischen Bereich hinaus haben.
Wir argumentieren, dass Entwicklungsmaßnahmen zu Steuererhebung und Sozialpolitik einen großen Einfluss auf den Fiskalvertrag und darüber hinaus ausüben. Wir identifizieren insbesondere drei Mechanismen, die Sozialpolitik und Steuererhebung verknüpfen und mit deren Hilfe politische Entscheidungsträger den Fiskalvertrag und damit soziale Kohäsion stärken können:
- Steigerung der Wirksamkeit und Ausdehnung von öffentlicher Sozialpolitik. Diese Maßnahmen können die Wahrnehmung des Staates durch die Bürger verbessern, ihre Bereitschaft zur Entrichtung von Steuern erhöhen und damit die öffentlichen Einnahmen steigern.
- Verbreiterung der Steuerbasis. Dies wird neue Einnahmen generieren, die neue Sozialpolitiken finanzieren können. Noch wichtiger ist, dass sie die Beteiligung am Fiskalvertrag erhöht, was wiederum zu einer stärkeren Rechenschaftspflicht bei der Nutzung öffentlicher Mittel führen kann.
- Verbesserung der Transparenz. Dies kann öffentliche Debatten zur Nutzung von Steuereinahmen anregen und die Wahrnehmung des Fiskalsystems durch die Bevölkerung beeinflussen. Hierzu sind Regierungskampagnen nützlich, die über die wichtigsten Merkmale der geplanten Politik informieren, sowie Maßnahmen zur Verbesserung des Monitoring- und Evaluierungssystems.
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