Analysen und Stellungnahmen
Nach 2015: die Ziele nachhaltiger Entwicklung überdenken; ist die Umwelt nur eine Dimension?
Boltz, Frederick / Will R. Turner / Frank Wugt Larsen / Imme Scholz / Alejandro GuarinAnalysen und Stellungnahmen (1/2013)
Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)
Engl. Ausg. u.d.T.:
Universal energy access: moving from technological fix to poverty reduction
(Briefing Paper 6/2013)
Ende 2015 werden die Vereinten Nationen eine neue globale Entwicklungsagenda als Nachfolge der Millenniumsziele (MDGs) verabschieden. Aus diesem Grund führen die UN-Mitgliedsstaaten, wie vom Rio+20-Gipfel 2012 beschlossen, derzeit eine Debatte über die Definition universeller Ziele nachhaltiger Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs). Nach der Schlusserklärung dieses Gipfels sollen die Ziele „alle drei Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung und die zwischen ihnen bestehenden Verknüpfungen berücksichtigen und in ausgewogener Weise integrieren” und „mit der Entwicklungsagenda der Vereinten Nationen nach 2015 übereinstimmen“ (§ 246).
Diese Wortwahl kann bedeuten, dass man sich darüber verständigt hat, bei der Abfassung der SDGs auf den MDGs aufzubauen – dass es um fortlaufende und aufeinander aufbauende Schritte geht, nicht um parallele Prozesse, die bis Ende 2015 in einer globalen Agenda für nachhaltige Entwicklung kulminieren werden. Doch die SDGs haben ein Schlüsselmerkmal, das sie von den MDGs unterscheidet: Sie werden ihrer Natur nach universell sein und damit Orientierung
für die entsprechenden nationalen Politiken aller UNMitgliedsstaaten geben. Die MDGs setzten quantifizierte und zeitgebundene Politikziele nur für Entwicklungsländer und wiesen den Industrienationen über ihre Entwicklungshilfe nur eine unterstützende Nebenrolle zu.
Die SDGs haben das Potenzial, Barrieren zwischen Ländern und Sektoren abzubauen und sind ein logischer und notwendiger Schritt. Doch der Weg zu einem Satz derartiger Ziele birgt viele politische und institutionelle Hindernisse: der Übergang zu SDGs erfordert von den Verhandelnden einen Perspektivwechsel, der die Kluft zwischen konventionellen Ansätzen der wirtschaftlichen Entwicklung und Armutsreduzierung auf der einen Seite und der ökologischen Nachhaltigkeit auf der anderen überbrücken muss. Und er erfordert einen ressortübergreifenden Ansatz anstelle der exklusiven Zuständigkeit der Ministerien für Umwelt und/oder Entwicklungszusammenarbeit.
Verschiedene Überlegungen sprechen für einen integrierten Satz von Zielen. Die Idee, dass Umweltbelange Wirtschaftswachstum untergeordnet werden können, ignoriert die Tatsache, dass unsere Gesellschaft und Ökonomie auf ein natürliches biophysikalisches System angewiesen sind, das das Leben auf der Erde erhält. Aber menschliche Gesellschaft und Natur operieren auf verschiedenen Zeitskalen: Während für menschliches Leid jetzt Lösungen erforderlich sind, müssen Umweltpolitiken die langfristigen Wirkungen heutiger Wirtschaftsaktivitäten angehen. Die Wohlfahrt heute lebender Menschen ist wichtig, doch die Wohlfahrt künftiger Generationen ist ebenfalls von Bedeutung: ihre Schicksale sind miteinander verflochten.
Ein universeller Satz von SDGs kann mit den Schwierigkeiten globaler und generationenübergreifender Lastenverteilung umgehen. Die Verhandelnden sollten vor der damit verbundenen Komplexität nicht zurückschrecken, denn allzu vereinfachende Ziele werden der gestellten Aufgabe nicht gerecht. Die größte und wichtigste Herausforderung wird es sein, die vereinbarten universellen Ziele in quantitative und zeitgebundene nationale Ziele auf Länderebene zu übersetzen. Reiche Länder werden Entwicklungsländer bei der Umsetzung nationaler Politiken unterstützen müssen; aufstrebende Mächte sollten dies freiwillig ebenfalls tun.
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