Analysen und Stellungnahmen
Kriterien der Lastenteilung und Allokation im UN-Klimaregime: weder gerecht noch wirksam
Horstmann, Britta / Imme ScholzAnalysen und Stellungnahmen (9/2011)
Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)
Die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen sieht vor, dass alle Vertragsparteien entsprechend ihrer gemeinsamen,aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und
Fähigkeiten das Klimasystem schützen. Dieses Gerechtigkeitsprinzip wurde 1992 in Anlehnung an den Gipfel für Umwelt und Entwicklung formuliert und bildet bis heute die Grundlage für die Entwicklung von Kriterien für eine gerechte Lastenteilung im UN-Klimaregime. Seitdem haben sich die Verantwortlichkeiten und Fähigkeiten der Länder jedoch sowohl beim Klimaschutz als auch beim Schutz vor den Auswirkungen des Klimawandels stark verändert. Vor diesem Hintergrund zeigt sich, dass die derzeitigen Kriterien für die Verteilung von Lasten und Finanztransfers aus klimapolitischer Sicht weder gerecht noch wirksam sind: Gerecht vor allem nicht, wenn es um die Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel geht; wirksam nicht, wenn es um die Reduzierung von Treibhausgasen geht.
Bei der Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen ist die Verwundbarkeit (Vulnerabilität) gegenüber den Folgen des Klimawandels das zentrale Allokationskriterium im Klimaregime. Als solches wurde es allerdings bis heute nicht in die Praxis umgesetzt, da es kein objektives Maß für die Betroffenheit vom Klimawandel gibt. Es bedarf zahlreicher normativer Entscheidungen, über die bis heute weder in der Wissenschaft noch Politik auf absehbare Zeit Einigkeit besteht. Die Bedeutung von „Vulnerabilität“ und „besonders vulnerablen Ländern“ wird auch in der Klimarahmenkonvention oder im Kyoto-Protokoll nicht näher definiert, sodass z. B. weder der Anpassungsfonds noch der geplante Green Climate Fund auf dieses Kriterium für eine gerechte Verteilung knapper Gelder zurückgreifen können. Eine Priorisierung beim
Zugang zu Anpassungsfinanzierung findet unter dem Gesichtspunkt der Vulnerabilität im UN-Klimaregime derzeit nicht statt.
Im Hinblick auf den Klimaschutz zeigt sich, dass mit der im Kyoto-Protokoll festgelegten Lastenteilung eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 2 °C nicht erreicht werden kann. Die 1992 festgelegte Aufteilung in Ländergruppen mit bzw. ohne Klimaschutzpflichten erweist sich heute als ineffektiv: Traditionelle große Emittenten haben sich nie oder nur schwach beteiligt; neue große Emittenten haben keine Pflichten.
Wenn die internationale Gemeinschaft effektiven und gerechten Klimaschutz will, wird sie die pauschale Zweiteilung der Welt aufgeben müssen und auf der Grundlage des Gerechtigkeitsprinzips neue Kriterien für Lasten und für Allokation festlegen müssen. Ein solcher Schritt ist in Kopenhagen gescheitert und ist aufgrund seiner weitreichenden Implikationen auch für Durban nicht wahrscheinlich. Entwickelt sich die Gerechtigkeitsfrage damit zu einer Sackgasse internationaler Klimapolitik?
Die vorliegende Analyse zeigt, dass der Grundsatz der Differenzierung in einer nach wie vor von großen Wohlstandsunterschieden geprägten Welt notwendig ist, um zu einer fairen Verhandlungslösung zu kommen. Es zeigt sich aber auch, dass die Kriterien für die Umsetzung des Gerechtigkeitsprinzips verstärkt mit Blick auf die „jeweiligen Fähigkeiten“ eines Landes entwickelt werden sollten.
Mit Blick auf die Anpassungsfinanzierung bedeutet dies, eine Differenzierung zwischen Entwicklungsländern unter dem Gesichtspunkt der ‚response capacity’ vorzunehmen, d. h. der Fähigkeit, auf den Klimawandel zu reagieren.
Mit Blick auf Minderung sollten im Rahmen eines festen globalen Kohlenstoffbudgets alle Menschen gleiche Emissionsrechte erhalten und alle Länder die Pflicht, ihr nationales Budget nicht zu überschreiten. Damit wären international vergleichbare gemeinsame Standards gesetzt. Die Umsetzung würde durch handelbare Rechte und Finanztransfers unterstützt.
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